So schnell kann es kommen im Sturm der Meinungsmache. Gestern noch waren sie die Helden des Landes, denen abends von Fenstern und Balkons aus heftig Beifall gespendet wurde, und heute sind ausgerechnet sie es, die der Nation mit ihren Forderungen in den Rücken fallen:
Das Pflegepersonal in Krankenhäusern und Heimen, die Feuerwehrleute, die Polizisten, die Gesundheitsämter, die Anlauf- und Beratungsstellen, die geschaffenen Informationszentren, die Sozialarbeiter, die Stadtentwässerung und die Müllabfuhr.
Und genau die Berufsgruppen, die dafür gesorgt haben, dass die Krise gemanagt wurde und der Lockdown nicht zum Chaos führte, diejenigen, die trotz ihrer Leistung und im internationalen Vergleich schlecht verdienen, bekommen jetzt die Spaltungskeule entgegengeschleudert.
Der Maskenfall
Plötzlich sind sie diejenigen, die pomadig mit ihrer Arbeitsplatzsicherheit im Rücken zu einer Belastung des Gemeinwesens geworden sind. Bravo! So geht Unverfrorenheit.
Die von der Bundesregierung beschlossenen Unterstützungspakete, die auf die Wirtschaft zielen, haben vor allem dazu verholfen, in einigen Branchen den Strukturwandel mit anzuschieben, der seinerseits Arbeitsplätze vernichtet und so manches – auch durch eigene Innovationsmüdigkeit verursacht –, in Nöte geratene Unternehmen am Leben hält. Wie war das noch? Das Motto der Wachstumsapologeten und Wirtschaftsliberalen? Der Markt regelt alles? (1)
Und wenn das nicht so ist, wird das Gemeinwesen zur Kasse gebeten, das heißt, diejenigen, die ihrerseits nicht auf Rosen gebettet sind, die redlichen Steuerzahler, und sie sollen die Subventionen bezahlen. Davon war, zumindest in den privat konzentrierten Medien, nie die Rede. Da war nicht von Schmarotzertum und Verschlafenheit gesprochen und geschrieben worden.
Wenn das öffentliche Geld dorthin geht, wo das Management versagt hat, dann ist das völlig in Ordnung. Soll aber ein kleiner, ja ein in keiner Proportion zu den Subventionen stehender Teil an diejenigen gehen, die den öffentlichen Dienst am Leben halten, dann ist die Empörung groß.
Es ist ein Debakel. Aber es ist auch gut, dass die Maske so schnell fällt. Und das in Zeiten der Maskenpflicht. Besser kann die Absurdität nicht illustriert werden.
Die Helden auf Zeit
Wenn das, was da während des Lockdowns in huldvollen Worten so schwülstig proklamiert wurde, das Gerede von den wahren Helden (2), einen Funken Wahrheit enthält, dann ist es jetzt deren Pflicht, sich nicht mit dem Dekor abspeisen zu lassen, sondern auf handfeste Zusagen zu pochen.
Gerade die Menschen in den Pflegeberufen sind es gewesen, die sich immer wieder haben erpressen lassen mit der Solidarität zu ihrem Klientel. Das Ergebnis sind Gehälter, die jeder Würdigung des Geleisteten spotten (2).
Und die Kommunen, die ihrerseits auch immer wieder die Lasten tragen und deren Spielräume aufgrund dessen immer begrenzter werden, sind nicht gut beraten, wenn sie nun meinen, ohne Angebot in eine Tarifverhandlung zu gehen. Wer so die eigenen Stützen malträtiert, hat die strategische Sicht verloren. Es wäre klug, sich mit ihren Belegschaften zu solidarisieren und sich schleunigst auf den Weg machen, sich für mehr Autonomie und Selbständigkeit zu rüsten.
Widerstand gegen das billige Klatschen
Große Reformprozesse sind vonnöten, wie auch in der privaten Wirtschaft, aber, auch das wissen die Kommunen am besten, ohne finanzielle Mittel wird das nicht gehen. Und auf Kosten der eigenen Belegschaften, die der Motor solcher Prozesse sein werden müssen, schon gar nicht.
Klatschen ist nicht nur billiger als leistungsgerechte Tarife, nein, Klatschen ist einfach zu billig, wenn es dabei bleibt. Die Gesellschaft sollte sich nicht abermals spalten lassen, denn wer das Gemeinwesen immer wieder ins Visier nimmt, in Notzeiten davon profitiert und sich danach an nichts mehr erinnert, dem muss deutlich Widerstand entgegengesetzt werden!
Quellen und Anmerkungen
(1) ZEIT Online (9.4.2020): Pandemie – Der Markt regelt das nicht. Auf https://www.zeit.de/kultur/2020-04/pandemie-coronavirus-kapitalismus-wirtschaft-wachstum-deutschland (abgerufen am 23.9.2020).
(2) Frankfurter Allgemeine (26.3.2020): Steinmeier lobt „Coronahelden“. Auf https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/steinmeier-lobt-corona-helden-und-wirbt-fuer-solidaritaet-16697804.html (abgerufen am 23.9.2020).
(3) FOCUS (6.9.2020): Hunderttausende Corona-Helden müssen für Niedriglohn arbeiten. Auf https://www.focus.de/finanzen/karriere/berufsleben/gehalt/niedriglohn-hunderttausende-alten-pflegekraefte-muessen-fuer-niedriglohn-arbeiten_id_12355696.html (abgerufen am 23.9.2020).