Die NGOs Sea-Watch, Ärzte ohne Grenzen, Open Arms und Mediterranea bringen ihre Bedenken über die Entscheidung der italienischen Regierung zum Ausdruck, die gesundheitliche Notsituation zu missbrauchen, um italienische Häfen für Menschen zu sperren, die auf See von ausländischen Schiffen gerettet wurden. Dabei bezieht sich die Regierung in der Tat wieder einmal auf zivile Such- und Rettungsschiffe.

Mit einem Dekret, dessen klares Ziel es ist, die Rettungsaktionen im Mittelmeer zu stoppen, ohne Alternativen zu bieten, um das Leben derjenigen zu retten, die aus Libyen fliehen, hat Italien seinen Häfen die Konnotation von „sicheren Orten“ genommen, die für alle europäischen Häfen kennzeichnend sein sollte. Dies tut Italien, indem es sich mit Ländern gleichsetzt, die sich im Krieg befinden oder in denen die Achtung der Menschenrechte nicht gewährleistet wird, und es eine willkürliche Auswahl von Schiffen betreibt, denen der Zugang verweigert wird.

Es wäre möglich gewesen, viele verschiedene Lösungen zu finden, die die Pflicht, die Gesundheit aller Menschen an Land zu gewährleisten, mit der Pflicht, die Rettung von Menschenleben auf See in Einklang zu bringen. Eine Pflicht, die Rettungsschiffe nicht mit Kreuzfahrtschiffen gleichsetzen kann. In einer Zeit, in der Italien seine internationalen Partner und NGOs um Solidarität angesichts des Covid-19-Notstands bittet und diese auch erhält, sollte die Regierung die gleiche Solidarität gegenüber gefährdeten Menschen zeigen, die ihr Leben auf See riskieren, weil sie keine Alternative haben.

Keine der Organisationen, die diese Medienmitteilung unterzeichnet haben, ist derzeit mit ihren Schiffen auf See, da sie daran arbeiten, ihre Strukturen und Operationen umzugestalten, um sich an die Gesundheitsmaßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von Covid-19 anzupassen. Wir sind uns der Notsituation, in der wir uns alle befinden, sehr wohl bewusst. So sehr, dass wir, wie bekannt ist, alle unsere Ressourcen und unser Personal dem italienischen Gesundheitssystem zur Verfügung gestellt haben, das sich im Kampf gegen Covid-19 engagiert, und dem wir in diesem Ausnahmezustand Unterstützung anbieten.

Wir sind derzeit nicht auf See, aber wir sind zusammen mit 150 Überlebenden eines Schiffsunglücks, darunter eine schwangere Frau. Es handelt sich um eines der humanitären Schiffe unter fremder Flagge, auf deren Aktivitäten sich das Dekret bezieht. Der Gesundheitsnotstand hat keinen Einfluss auf die Notwendigkeit, so schnell wie möglich eine menschenwürdige Lösung für die Alan Kurdi zu finden. Das Dekret instrumentalisiert in der Tat den gesundheitlichen Notstand, indem es die bereits in der jüngsten Vergangenheit zur Behinderung der Rettungsaktionen auf See genutzte Regelung übernimmt. Dies geschieht in einer schwierigen Zeit, in der es mehr denn je notwendig wäre, die Verantwortung auf europäischer Ebene zu übernehmen, um der Rettungspflicht nachkommen zu können.

Wie das Dekret „Sicurezza Bis“ stuft auch dieses Instrument die Einfahrt ausländischer Schiffe, die Schiffbrüchige im zentralen Mittelmeer gerettet haben, als Bedrohung ein, wobei der implizite Hinweis auf die libysche Verantwortung wiederholt wird oder dass die Landung aus fernen Ländern gegen internationale Vorschriften verstoße.

In diesen schwierigen Tagen haben Einfühlungsvermögen und Solidarität mit anderen, insbesondere mit jenen, die darum kämpfen, weiter zu leben, und mit denen, die geliebte Menschen verloren haben, es uns allen erlaubt, stark zu bleiben. In einer Zeit wie dieser darf das Leiden der von einem gesundheitlichen Notfall betroffenen Bürger nicht zum Grund werden, denjenigen, die nicht auf einem Intensivpflegebett den Atem verlieren, sondern im Meer ertrinken, die Unterstützung zu verweigern – was auch eine gesetzliche Verpflichtung ist. Alle Leben müssen gerettet werden, alle gefährdeten Menschen müssen geschützt werden, sowohl an Land als auch auf See.

Es ist möglich und notwendig, dies zu tun.

Die Übersetzung aus dem Italienischen wurde von Roxane Steigeraus dem ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!