Die Bundesrepublik nutzt die Proteste in Hongkong, um den Rivalen China zu schwächen, und fördert in der Stadt die Beijing-feindliche Opposition.

Im Juli, als die Proteste längst eskalierten, ist eine hochrangige FDP-Delegation in Hongkong mit Mitgliedern der oppositionellen „Democratic Party“ zusammengetroffen. Aktivisten, die für die Abspaltung Hongkongs von China eintreten und wegen ihrer Beteiligung an Angriffen auf Polizisten angeklagt sind, erhalten in Deutschland Flüchtlingsschutz. Parallel fördert eine Vorfeldorganisation der US-Außenpolitik oppositionelle Zusammenschlüsse mit Millionensummen; US-Vizepräsident Mike Pence empfängt einen Milliardär aus Hongkong, der seit Jahren Beijing-feindliche Kräfte in der Stadt finanziert sowie sie mit seinem Medienunternehmen unterstützt. Die Maßnahmen, die als selbstloser Einsatz für „Demokratie und Menschenrechte“ angepriesen werden, nutzen schon lange bestehende innere Spannungen in der ehemaligen britischen Kolonie, um die Kontrolle der Volksrepublik über die ökonomisch wichtige Metropole zu unterminieren.

Zufluchtsort für Kriminelle

Die Proteste in Hongkong sind längst über ihren ursprünglichen Anlass hinausgewachsen. Ende März hatten sie sich an den Plänen der Stadtregierung entzündet, ein neues Auslieferungsgesetz zu verabschieden. Laut der geltenden, noch von der britischen Kolonialmacht vor ihrem Abzug zum 1. Juli 1997 eingeführten Regelung darf Hongkong Personen, die außerhalb der südchinesischen Metropole eine Straftat begangen haben, prinzipiell an die Behörden sämtlicher Länder der Welt überstellen; ausgenommen sind aber die Volksrepublik China, ihre Sonderverwaltungszone Macau und Taiwan.[1] Das hat zur Folge, dass Kriminelle bis hin zu Mördern in Hongkong straflos leben können; die zuständigen Stellen in der Stadtverwaltung sprechen von über 300 gravierenden Fällen, darunter nicht zuletzt der Korruption überführte Milliardäre. Gegen das neue Auslieferungsgesetz gingen am 16. Juni rund zwei Millionen Menschen auf die Straße: Es könne, so wurde befürchtet, die Unabhängigkeit der Hongkonger Justiz unterminieren. Regierungschefin Carrie Lam hat das Gesetzesvorhaben inzwischen für „tot“ erklärt. Zu den Folgen, die in Hongkong für Debatten sorgen, gehört, dass ein geständiger Mörder, der am 16. Februar 2018 in Taiwans Hauptstadt Taipei seine Partnerin erwürgte, nicht an die dortige Justiz überstellt werden darf und der Strafe entgeht.

Beijing-feindliche Kräfte

Mittlerweile hat sich der Gegenstand der Proteste jedoch verschoben. Im Zentrum steht nun zum einen die Polizeigewalt. Hongkongs Polizei ist bislang mit Schlagstöcken und Tränengas gegen die Demonstranten vorgegangen, die ihrerseits vermummt, mit Helmen und teilweise mit Gasmasken auf die Straße gehen, Polizisten mit Steinen und Molotow-Cocktails attackieren, bei Polizeiwachen Brände legen und inzwischen bei ihren Protesten sogar mit Laserpointern operieren, die schwere Verbrennungen verursachen und die Sehfähigkeit zerstören können. Anfang Juli kam es zum Sturm auf das Parlament sowie zur Verwüstung des Gebäudes.[2] Die Polizeigewalt wiederum übersteigt bislang nicht das in Westeuropa übliche Niveau.[3] Zum anderen richten sich die Proteste gegen einen stärkeren Einfluss Beijings auf die Sonderverwaltungszone Hongkong, die seit dem Ende der britischen Kolonialherrschaft unter der Formel „Ein Land, zwei Systeme“ als liberalkapitalistisches Einsprengsel in der Volksrepublik existiert. In der Bevölkerung der Metropole ist eine gegenüber der Volksrepublik ablehnende Strömung prägend, seit sie Ende der 1940er Jahre zum Zufluchtsort für die Kuomintang wurde, was die Einwohnerzahl binnen weniger Jahre von gut 600.000 auf über zwei Millionen in die Höhe trieb. Allerdings verschieben sich mittlerweile die Kräfte; Beijing-kritische oder -feindliche Parteien erhalten bei Wahlen nicht mehr zwei Drittel, sondern nur noch etwas über die Hälfte der Stimmen, während Beijing-freundliche Parteien inzwischen gut 40 Prozent der Stimmen bekommen.

Berlins Attacke gegen die Justiz

Führen die inneren Spannungen in Hongkong bereits seit Jahrzehnten immer wieder zu Protesten, so machen sich die westlichen Mächte diesen Umstand in zunehmendem Maße zunutze, um der ungebrochen aufstrebenden Volksrepublik Probleme zu bereiten. Mittel dazu sind Maßnahmen zur Unterstützung der Beijing-feindlichen Opposition. So hat die Bundesrepublik begonnen, Personen Flüchtlingsschutz zu gewähren, die in Hongkong wegen Straftaten bei politisch motivierten Protesten vor Gericht gestellt werden sollen. Seit Mai 2018 genießen zwei Männer in Deutschland Asyl, die in der Nacht vom 8. auf den 9. Februar 2016 festgenommen worden waren, weil sie sich an blutigen Ausschreitungen im Distrikt Mong Kok beteiligt hatten. Dort hatten mehrere hundert Personen Polizisten mit Flaschen und Steinen angegriffen, Fahrzeuge in Brand gesteckt und mehr als 80 Beamte verletzt.[4] Die zwei Männer, die in der Bundesrepublik Asyl erhalten haben, gehören der Organisation „Hong Kong Indigenous“ an, die die Stadt von China abspalten will. Die deutsche Behauptung, sie würden nicht wegen Gewalttaten gegen Polizisten, sondern wegen ihrer politischen Einstellung verfolgt, hat wütende Proteste der Behörden in Hongkong hervorgerufen. Regierungschefin Carrie Lam hat Deutschlands stellvertretenden Generalkonsul in der Metropole, David Schmidt, im Mai einbestellt und sich öffentlich beschwert, die Bundesrepublik untergrabe gezielt den „internationalen Ruf“ der Hongkonger Justiz.[5]

Washingtons Sorge um die Menschenrechte

Daneben werden Beijing-feindliche Kräfte in Hongkong zunehmend von den westlichen Mächten direkt unterstützt. So überwies eine Vorfeldorganisation der US-Außenpolitik, das staatsfinanzierte National Endowment for Democracy (NED), allein im Jahr 2018 beinahe eine halbe Million US-Dollar an oppositionelle Organisationen in Hongkong.[6] Schon von 1995 bis 2013 hatte der Hong Kong Human Rights Monitor (HKHRM) vom NED annähernd zwei Millionen US-Dollar erhalten.[7] Der Hongkonger Milliardär Jimmy Lai, der die Beijing-feindliche Opposition seit Jahren mit hohen Summen fördert und sie darüber hinaus mit seinem Medienunternehmen „Next Digital“ systematisch begünstigt, ist Anfang Juli von US-Vizepräsident Mike Pence und von Außenminister Mike Pompeo in Washington empfangen worden. Lai bedankte sich anschließend bei Pompeo für „die Sorge der US-Administration um die Menschenrechte“ und bat um „fortgesetzte internationale Aufmerksamkeit für Hongkong“.[8] Wie vor wenigen Tagen bekannt wurde, stehen Anführer der nach „Selbstbestimmung“ strebenden Partei Demosisto in Kontakt zu einer Mitarbeiterin des US-Konsulats in der südchinesischen Metropole.[9] Demonstranten gehen in Hongkong zuweilen mit US-Fahnen auf die Straße. Zuletzt drückten meist jüngere Oppositionelle mit dem Präsentieren von Hongkongs britischer Kolonialflagge ihre Sympathie für eine mögliche Wiederunterstellung der Stadt unter britische Kolonialherrschaft aus.[10]

Subversive Tradition

Unterstützung für Hongkongs Opposition kommt auch aus Deutschland. Im Juli, als die Proteste längst eskaliert waren, ist eine Delegation der FDP unter Führung des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner in Hongkong mit Mitgliedern der oppositionellen Democratic Party zusammengetroffen. Offizieller Anlass der Reise war die Teilnahme der Delegation an der offiziellen Eröffnung des „Global Innovation Hub“ am 9. Juli, das die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung betreibt. Die Einrichtung wird als „kreative Innovationsplattform für Liberalismus beschrieben.[11] Die Zusammenkunft der FDP-Delegation mit den Oppositionsaktivisten in Hongkong stieß in Beijing auf heftigen Protest.[12] Hintergrund ist, dass die Naumann-Stiftung jahrzehntelang tibetische Separatisten gefördert und weltweit vernetzt hat; unter anderem hat sie die Vorbereitungen für die globale Kampagne unterstützt, mit der im Frühjahr 2008 der olympische Fackellauf anlässlich der Olympiade in Beijing attackiert wurde – in einer Art weltumspannender antichinesischer PR-Operation (german-foreign-policy.com berichtete [13]). Wegen ihrer Unterstützung für tibetische Separatisten musste die Naumann-Stiftung, die auch für ihre Zusammenarbeit mit Putschisten in mehreren Ländern berüchtigt ist (german-foreign-policy.com berichtete [14]), bereits 1996 ihre Repräsentanz in Beijing schließen.

Taiwan

Die Förderung Beijing-feindlicher Kräfte in Hongkong geht mit neuen Maßnahmen der westlichen Mächte zum Ausbau Taiwans als politisch-militärischer Stützpunkt gegen die Volksrepublik einher. german-foreign-policy.com berichtet in Kürze.

Bitte beachten Sie unsere Video-Kolumne zum Konflikt mit China.

[1] Congressional Research Service: Hong Kong’s Proposed Extradition Law Amendments. crs.gov 17.06.2019.
[2] Hong Kong protesters start fire outside police station. theguardian.com 03.08.2019. China Says Hong Kong Protests Show „First Signs of Terrorism“. wsj.com 12.08.2019. Adam Jacobson: Hong Kong protesters use laser pointers to deter police, scramble facial recognition. cbc.ca 11.08.2019.
[3] In Hongkong sind die Proteste zuletzt dadurch befeuert worden, dass eine Demonstrantin mutmaßlich von Polizisten schwer an einem Auge verletzt wurde. In Frankreich verloren bei den Polizeioperationen gegen die Gilets Jaunes 24 Menschen durch Gummigeschosse ein Auge; fünf verloren durch Tränengasgranaten eine Hand. (Rudolf Balmer: Außer Kontrolle. taz.de 07.08.2019.) Die Hongkonger Polizei hat zu Wochenbeginn erstmals ihre Wasserwerfer präsentiert, die sie seit 2014 besitzt, die allerdings noch nie eingesetzt wurden. (Friedrike Böge: Drohung aus Peking: Hongkong hat kritischen Moment erreicht. Frankfurter Allgemeine Zeitung 13.08.2019.) In Deutschland ist der Einsatz von Wasserwerfern gegen Demonstranten verbreitet.
[4] Suzanne Sataline: In a Possible First for Hong Kong, Activists Wanted by Police Gain Protection in Germany. nytimes.com 21.05.2019.
[5] HK leader protests over German asylum for dissidents. apnews.com 24.05.2019.
[6] Hong Kong (China) 2018. ned.org.
[7] Wong Chun Wai: The cost of the Hong Kong protests: The Star columnist. straitstimes.com 05.08.2019.
[8] Paul Eckert: Media Boss Jimmy Lai Meets Pence, Pompeo on Hong Kong Issues. rfa.org 08.07.2019.
[9] China tells US diplomats in Hong Kong to stop interfering. straitstimes.com 08.08.2019.
[10] Hong Kong: Protesters storm and deface parliament on handover anniversary. bbc.co.uk 01.07.2019. Sylvia Hui: In Hong Kong, colonial flag still a symbol of prized values. apnews.com 05.07.2019.
[11] Julia Gresförder: Das Beste aus zwei Welten. freiheit.org 10.07.2019.
[12] Dana Heide: Eklat bei Chinareise: KP-Funktionär schreit FDP-Chef Lindner 30 Minuten lang an. handelsblatt.com 23.07.2019.
[13] S. dazu Die Fackellauf-Kampagne und Operationen gegen China.
[14] S. dazu Ein entspannter und gemütlicher Putsch, Die Naumann-Fraktion und Putschversuch in Caracas.

Der Originalartikel kann hier besucht werden