Patriotismus, vor allem der lokale, gibt es wohl überall und an dem ist auch nichts auszusetzen, wenn er das Große und Ganze, das friedliche Leben nebeneinander, nicht gefährdet. Die Bayern haben ihn schon immer etwas mehr gelebt und bei den Schweizern, durch ihre besondere Art der Demokratie, fast selbstverständlich.

Patriotismus, in Form von Nationalismus, schürt dagegen Streit und Konflikte. Wir sehen beim Sport wie Nationalismus aus dem Lokalpatriotismus hervor gehen kann; wie angebliche „Fußball-Fans“, die Hooligans sich vom Sportstadion weg zu rechtsextremen nationalistischen Nischen hinwenden und wir sehen wie sich innerhalb von Staaten nationalistische Bewegungen bilden, die an den Grenzen und Grundfesten von Staaten sägen. Die Katalanen haben es gewagt; sie bleiben friedlich. Die Basken, die Korsen, die Nordiren haben sich nach langem gewalttätigen Kampf mit den von ihnen bekämpften Staaten auf einen Frieden, wie auch immer der aussieht, geeinigt, einen gewissen Autonomiestatus erreicht, aber keine Selbstständigkeit.

Der Balkan wurde zum Armenhaus

Woanders hat der Nationalismus weitaus schlimmer gewütet. Jugoslawien brach auseinander, weil jeder glaubte besser als der Nachbar zu sein, weil die Menschen plötzlich Unterschiede in Sprache, Dialekt und Religion höher werteten als das friedliche Zusammenleben. Der Balkan ist durch den Nationalismus zum hoffnungslosen Armenhaus Europas geworden. Die sehr frühe Anerkennung Kroatiens durch Deutschland war einer der mitentscheidenden Faktoren für den weiteren kriegerischen Zerfall Jugoslawiens. Nicht umsonst scheut die internationale Gemeinschaft neue Grenzen wie der Teufel das Weihwasser.

Mazedonien ist ein Land, das eigentlich gute Aussichten hätte, sich in einer EU zu integrieren. Nicht durch Bürgerkrieg zerstört und wirtschaftlich mit Hoffnungsschimmer. Wenn da nicht der Konflikt mit Griechenland wäre, der Mazedonien 20 Jahre Stillstand gebracht hat. Ein Streit der sich lediglich um ein Wort, den zukünftigen Namen des Staates, dreht. Nun scheint eine Lösung in Reichweite; der Name solle „Nord-Mazedonien“ lauten. Aber die Nationalisten auf beiden Seiten, in Griechenland wie in Mazedonien sind mit der Lösung nicht einverstanden; rechtsgerichtete Gruppierungen, gewalttätige Nationalisten liefern sich, angeheizt von Scharfmachern mit handfesten finanziellen Interessen, brutale Straßenschlachten. Sie fürchten gegenseitige Gebietsansprüche; wobei der Begriff „befürchten“ eher gelogen ist, denn genau diese Nationalisten sind diejenigen die die Konflikte um Gebiete schüren. Genau genommen befeuern sie die Konflikte gegenüber ihren eigenen Gesinnungsgenossen auf der anderen Seite der Grenze.

Viele Länder in Europa haben geschichtsbedingt Minderheiten, oft von Nationalitäten aus Nachbarstaaten. Innerhalb der EU war und ist es Konsens, diese Minderheiten zu schützen und ihnen der Gesellschaft im Land zu geben und im Gegenzug werden die Grenzen nicht angetastet. Ein erfolgreiches Rezept für ein friedliches Zusammenleben.

Mit der Mitgliedschaft in der EU wurde auch in Osteuropa die Aussöhnung der Nationalitäten gefördert. In Rumänien stellt sich die Frage, ob die ungarischen und anderen Minderheiten eine Art Autonomiestatus erhalten, ähnlich wie die Katalanen, die Korsen, die Südtiroler oder die finnischen Schweden.

Misserfolge und Rückschläge als Resultat

Der jetzt Ex-Premierminister in Rumänien drohte gleich damit, die Ungarn neben ihren Fahnen aufzuhängen. Dass sich das Orban nicht gefallen lässt, liegt auf der Hand. Eine Eskalation, die dem Aussöhnungsprozess einen schweren Rückschlag versetzte. Die Nationalisten haben genau das Gegenteil erreicht und haben schwer errungene Vorteile selbst zu Grabe getragen. Die Rumänisierungspolitik hat wieder Fahrt aufgenommen, die Minderheiten ziehen den Kürzeren.

In den Staaten des ehemaligen Jugoslawiens sehen wir, wie sie der Nationalismus in einen Sackgasse getrieben hat, die sie ohne Gesichtsverlust nicht mehr verlassen können. Seit Jahrzehnte schwelt der Konflikt weiter, ein Ende ist nicht abzusehen.

Neuer Konfliktherd: Südtirol

Und nun legt sich Österreich mit Italien an. Österreich will den Südtirolern eine zweite Staatsbürgerschaft verleihen; die österreichische. Die italienischen Nationalisten, Salvini ganz mit vorne dabei, toben, keifen und drohen. Drohgebäreden, die sich ausgerechnet gegen die politischen Gesinnungsgenossen auf der anderen Seite richten. Wo doch beide das gleiche Weltbild trägt; aber eben ein Weltbild, das auf Konflikt gebürstet ist. An die Lösung anderer Probleme, wie der Migrationsfrage, ist da gar nicht mehr zu denken. Und oftmals beschleicht einem der Verdacht, dass die Eskalation bewusst gewählt wurde.

Die Unersättlichkeit des Nationalismus

Es ist ja nicht so dass die Südtiroler in Italien eine unterdrückte Minderheit wären, sie haben einen, wohl für Italien einzigartigen, Autonomiestatus, der ihnen viele Vorteile gewährt. Dass nun Österreich diesen Frieden mit der Erteilung einer zweiten Staatsbürgerschaft trotzdem gefährdet, ist sicherlich auch anderen Staaten eine Mahnung bloß keine Extrawürste für Minderheiten zu gewähren. Die Unersättlichkeit des Nationalismus ist mit Zugeständnissen nicht zu befriedigen; Staaten sind deshalb leider gut beraten, solche Tendenzen im Keim zu ersticken und wahrscheinlich hatte der Ex-Premier in Rumänien genau diese Befürchtung.

Welchen Gaul die FPÖ, die treibende Kraft hinter der südtiroler Doppelstaatlichkeit ist, da geritten hat, soll sie bitte selbst erklären. Der Idee der Doppelstaatlichkeit verleiht sie damit aber neuen Auftrieb. Und die wird Fahrt aufnehmen, denn mit welchem Recht will man anderen Staatsbürger dann einen Doppelpass verwehren?

Freie Wahl der Staatsbürgerschaft?

Wieso wehrt sich das rechte Spektrum so sehr gegen Doppelpässe von z.B. Türken, wenn sie selbst dieses Status für das eigene Klientel einführt?

Welchen Sinn hat dann überhaupt noch eine Staatsbürgerschaft?

Und warum lässt man dann nicht einfach jeden Menschen, oder zumindest jeden Europäer, eine Staatsbürgerschaft; oder mehrere; selbst wählen?

Europäische Staatsbürgerschaft als Lösung

Eines der großen Versäumnisse der EU war, dass diese keine gemeinsame europäische Staatsbürgerschaft eingeführt hat. Ein Europa der Regionen mit der Schwächung der Nationalstaaten ist da wohl mittelfristig ein eher zu erreichendes Ziel. Nach der Überwindung der gegenwärtigen nationalistischen Separationstendenzen wird die EU-Staatsbürgerschaft sicher als eine der ersten Aufgaben auf der To-Do-Liste sein. Der Preis, den wir bis dahin zu bezahlen haben, ist bislang nicht abzuschätzen. Ob die Welt Lehren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zieht? Es könnte sonst teuer werden.