Die Polizei in Bayern hat die Erlaubnis bekommen, bald Handgranaten zu tragen, V-Leute in Chats einzuschleusen und ohne konkreten Verdacht zu ermitteln. Juristen sprechen vom härtesten Polizeigesetz in Deutschland seit dem Jahr 1945. Das neue Polizeiaufgabengesetz baut die bayrische Polizei zum Nachrichtendienst aus.

Das Gesetz wird aktuell von der CSU im Eilverfahren durch den Landtag gepeitscht und soll bereits diesen Sommer in Kraft treten. Zur geplanten Neuordnung des Polizeirechts wurden am Mittwoch im bayerischen Landtag bei einer gemeinsamen Sitzung des Verfassungs- und des Innenausschusses zwei Stunden lang Rechtsexperten angehört. Der Strafrechtsexperte Hartmut Wächtler wies vor dem Innenausschuss darauf hin, dass damit „die größte und umfassendste Kontrollkompetenz“ für eine Polizei in Deutschland seit dem Ende des Nationalsozialismus im Jahr 1945 geschaffen werden würde.

Die bayrische Exekutive darf künftig mit dem neuen Gesetz etwa präventive Ermittlungen ohne konkrete Hinweise auf Straftaten führen – das durfte bisher nur der Verfassungsschutz. Zudem dürfen die Beamten künftig Handgranaten einsetzen, Post von Verdächtigen beschlagnahmen, DNA-Untersuchungen vornehmen, IT-Systeme durchsuchen, Handy, Cloud und Computer bespitzeln, V-Leute einsetzen und Bodycams tragen.

Die Freiburger Kulturanthropologin Prof. Dr. Anna Lipphardt übersetzt das Vorhaben:

Vorgesehen ist ein Alles-ist-erlaubt-Gesetz, bei dem die Ermittler sehr weitreichende Befugnisse erhalten, ohne Rechenschaft über die Art der Anwendung geben zu müssen.

Die Opposition im Landtag kritisiert das neue Polizeiaufgabengesetz scharf. Die Grünenfraktion hat Klage gegen den dort verwendeten Begriff der „drohenden Gefahr“ eingereicht, da sie diesen für verfassungswidrig hält. Der Beschluss durch die CSU-Mehrheit im Landtag gilt trotzdem als sicher.

Im BKAG-Urteil vom April 2016 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass polizeiliche Datenerhebung mit der Begründung einer „drohenden Gefahr“ verfassungsrechtlich zulässig ist. Das hatte das Bundesverfassungsgericht zur Überwachung von terroristischen „Gefährdern“ ermöglicht. Nun schöpft die CSU diesen Begriff weiter aus: Das neue Gesetz macht allerdings keinen Unterschied zwischen Kriminalität und Terrorismus.

Und sobald das geschafft ist, möchte unser neuer Bundesinnenminister Horst Seehofer auch auf Bundesebene nach dem Vorbild Bayerns das Polizeirecht verschärfen.

Das Polizeigesetz soll noch vor der Landtagswahl im Oktober beschlossen sein. Am 26. April wird das Polizeigesetz voraussichtlich im Landtag verabschiedet. Claudia Stamm, fraktionsloses Mitglied des Bayerischen Landtags, kommentiert die Geschwindigkeit folgendermaßen:

Die Eile, mit der das Gesetz nun durch das Parlament gejagt wird, zeigt auch, dass die Staatsregierung die öffentliche Diskussion scheut.

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