Ali Can, der Initiator der heutigen Demonstration gegen Hass und Rassismus, setzt auf Versöhnung statt Gewalt. Daher hatte er vor einem Jahr, geschockt von den Bildern pöbelnder Deutscher vor einem Bus voller Flüchtlinge in Clausnitz, begonnen, sich mit den Sorgen derjenigen auseinanderzusetzen, die Flüchtlinge ablehnen. Er – ein 23jähriger Migrant – fuhr in die Gegenden der meisten AfD Anhänger und zu Pegida Kundgebungen, um das Gespräch zu suchen. Er  veröffentlichte seine Telefonnummer als „Hotline für besorgte Bürger“ und schrieb über die Gespräche, die er da geführt hat, ein Buch. Anlässlich der konstitutionellen Sitzung des neuen Bundestages am kommenden Dienstag hat er mit Organisationen wie Sea Watch e.V. und dem DGB zur Großdemonstration aufgerufen.

Zehn bis zwölf Tausend Menschen waren an diesem Sonntag dem Aufruf gefolgt und vor dem Brandenburger Tor zusammengekommen. Und man merkte auch, dass da ein frischeres Team am Werke war, denn neben der üblichen Musik und den Redebeiträgen, wurden die Demonstranten dazu aufgefordert, sich gegenseitig kennenzulernen, zu Bündnissen zusammen zu schliessen, um über die Demo hinaus aktiv zu bleiben.

Wir haben einige Demoteilnehmende gefragt, was sie denken, was man tun kann gegen Hass und Rassismus. Manche hatte speziell die Initiative von Ali Can dazu bewegt zu kommen. So sind Brigitte und Helga sehr beeindruckt gewesen von seinen Gesprächsangeboten an Afd-Wähler und auch AfD-Abgeordnete. Sie sehen diesen Ansatz als eine Form der Versöhnung und gegen Gewalt.

Kaja, die selbst mit Flüchtlingen arbeitet, klang da schon radikaler. Die Ursache für Hass und Rassismus sieht sie in „Dummheit, Unwissenheit und Neid“. Mit den Dummen brauche man nicht zu reden, das habe keinen Zweck, die werde man nicht überzeugen. Sie kämen immer wieder mit den gleichen falschen Argumenten. Ihr Rat: „Weitermachen mit dem, wofür man steht.“

Uli Sonn vom Versöhnungsbund, dem wir in der Menge begegneten, plädiert für einen Geschichtsunterricht, der nicht nur Fakten vermittle, sondern vor allem die elementaren Werte unserer Gesellschaft. Er soll die jungen Menschen dazu befähigen, selbst zu entdecken, welche erschreckenden Parallelen in Gedankengut und Vokabular zur Nazizeit heute wieder zu finden sind. „Ich habe Angst, dass sich dieses nationalistische Gedankengut auch in bürgerliche Köpfe einnistet.“

„Wir müssen zeigen, dass Rassismus nicht deutsch ist und Xenophobie keine Lösung“, sagte die 18jährige Lilly. Es sei sehr wichtig, dass man jetzt seine Meinung äusserte und Stellung beziehe, dass das nicht peinlich sein dürfe. Auch ihre Freundinnen Alba und Anna stimmen ihr zu, dass man deutlich machen müsse, wofür man selbst stehe.

Drei Studentinnen, Angela, Steffi und Hannah bekräftigen, man müsse laut sein, nicht nur zugucken. Sie sehen eine Politisierung junger Menschen und fordern, dass man redet, diskutiert, gemeinsam Argumente findet.

Die Forderungen von der Bühne reichen weit über die direkte Auseinandersetzung mit der AfD Fraktion im neuen Bundestag hinaus. Da ging es um die Verbesserung ländlicher Strukturen, dass man etwas für die Menschen machen müsse, die sich abgehängt fühlen. Aber auch: Zur erfolgreichen Integration von Flüchtenden sei es unerlässlich, dass ihre Kinder, Eltern, Ehepartner nachziehen können. Und an das Grundgesetz wird erinnert: Die Würde aller Menschen ist unantastbar.

Fotos von Caroline Schenck und Magaly Navarrete: