Wenn wir von Menschen mit Behinderung in Deutschland sprechen, fokussieren wir eher auf die deutschen Institutionen, an die wir uns halten müssen, als auf das Gefühl der Unzufriedenheit und die Schwierigkeiten, mit denen viele Familien zu kämpfen haben.

„Alle sind gleich, aber verschieden“: ich möchte betonen, dass Diversität aber nicht mit einem Hindernis verwechselt werden darf.

Nach einigen Recherchen und dem Erhalt einiger Informationen von deutschen Vereinen, die sich um den Schutz der Menschen mit Behinderung und ihrer Familien kümmern, sind mir die vorhandenen Schwierigkeiten bewusst geworden, die oft mit der deutschen Bürokratie verbunden sind, aus der wir aber in einem Rechtstaat alle unseren Nutzen ziehen sollten.

Deutschland trennt nicht nur die Kinder mit motorischen, geistigen oder sozialen Einschränkungen ab ihrer Geburt und teilt sie in verschiedene Schulklassen ein, sondern wendet auch Methoden an, die in Italien als absolut überholt gelten.

In Italien wurden die Sonderschulen mit dem Gesetz Nr. 517 von 1977 abgeschafft. Das Gesetz erarbeitet flexible didaktische Modelle, in denen Formen transversaler Integration, klassenübergreifende Erfahrungen oder organisierte Tätigkeiten in Stützlehrern anvertrauten Gruppen von Schülern aktiviert werden. Die Sonderschulklassen, die es auch in Italien gab, haben sich als ein pädagogischer Misserfolg herausgestellt. Denn sie diskriminieren auf der sozialen und erzieherischen Ebene und stellen auch für die Familien eine weitere Demütigung dar.

Das Recht auf Pflege und Unterstützung versetzt die Menschen mit Behinderung auch nicht immer in die Lage, sich zu integrieren, denn der Weg dahin ist mit komplexen und oft unverständlichen Dynamiken verbunden.

Der Verein Artemisia, von dem wir öfters in unserem Magazin berichten, sieht sich als ein Treffpunkt für Eltern, die sich gegenseitig unterstützen, indem sie sich über den Amtsweg informieren, um den Menschen mit Behinderung in Deutschland den Zugang zu den Beihilfen und Rechten zu verschaffen. Außerdem sprechen sie über die verschiedenen Probleme bezüglich der schulischen und beruflichen Eingliederung und allgemeiner gesagt über den Begriff der Inklusion im gesellschaftlichen Bereich in Deutschland.
Die Aufgabe des Vereins besteht somit in der Unterstützung italienischer Familien mit „gleichen, aber verschiedenen“ Kindern, die oft nicht nur aus kulturellen, sondern auch logistischen und bürokratisch-sprachlichen Gründen vor Herausforderungen stehen. Oft sind die Texte der Behörden selbst für Deutsche schwer verständlich.

Ich möchte in diesem Zusammenhang Bezug auf die „sozialen Stoßdämpfer“ nehmen, die in Italien unzureichend sind. In Deutschland hingegen werden nur Beihilfen, vor allem finanzieller Art, gewährt. In diesem Bereich wird aber nicht auf die Kompetenzen des Personals fokussiert. Dies führt auch infolge der zu großen Zahl an Berufen, die in Deutschland von einer wahren Regelung betroffen sind, dazu, dass es sich hierbei nur um unterstützende Kräfte ohne Spezialisierung oder noch in Ausbildung handelt.

Aus den Berichten italienischer Familien gehen die allgemeine Wahrnehmung einer unzureichenden Professionalität und der Auseinandersetzung mit einer großen Anzahl vergüteter Fachkräfte mit verschiedenen Kompetenzen und Aufgabenbereichen hervor. Es scheint so, als gewährleisteten diese vielen Personen die Unterstützung der Einzelnen. Einerseits könnte dieser Ansatz auch positiv sein, aber man sollte eine gewisse Kontinuität gewährleisten, um die Familien nicht durch den dauernden Wechsel des Pflegepersonals zu verwirren.

Als kultureller Vermittler habe ich mich in meinen Vertiefungen besonders auf das Down-Syndrom konzentriert und habe begriffen, dass es in Deutschland zu viele Denkschulen gibt, aber auch eine beschränkte Kapazität, die Menschen mit Down-Syndrom als gleichwertig zu behandeln. In Italien hingegen gibt es Beispiele von Menschen mit Down-Syndrom, die einen Universitätsabschluss erlangt haben. Es gibt Autoren oder Dichter mit Down-Syndrom, wie zum Beispiel die Dichterin Maria Chiara CocoDie Kämpfe zahlreicher italienischer Eltern in Deutschland gehen gerade von dieser Einschränkung und von der Möglichkeit aus, ihre Kinder eines Tages wirklich aktiv in die Gesellschaft integrieren zu können. Denn eine rein finanzielle Unterstützung ersetzt nicht die Integration einer unabhängigen Person, die oft nicht als solche gesehen wird.

Der nächste Termin von Artemisia: “Dialoghi danzati“, in Zusammenarbeit mit der Tanztheatergruppe Mia Misura

Von Cristian Luca Andrulli, mit der freundlichen Unterstützung von Amelia Massetti, Il Mitte, 27. Mai 2017
Übersetzung aus dem Italienischen von Milena Rampoldi, ProMosaik

Der Originalartikel kann hier besucht werden