Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) kritisiert die Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel vom vergangenen Freitag zum Antrag der türkischen Regierung, den Satiriker Jan Böhmermann strafrechtlich verfolgen zu lassen.

„Dieser Entscheidung der Bundeskanzlerin hätte es nicht bedurft, weil der türkische Präsident Erdogan bereits Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft Mainz gestellt hat“, sagt DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall. Die Kanzlerin hatte zuvor bekannt gegeben, dass die Bundesregierung der Staatsanwaltschaft eine Verfolgungsermächtigung erteile.

Der DJV-Vorsitzende sieht in der Erklärung der Kanzlerin das falsche Signal an die Adresse der türkischen Regierung. Das werde auch nicht dadurch wettgemacht, dass die Kanzlerin die massiven Verstöße gegen die Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei angesprochen habe. „Es ist allerdings zu begrüßen, dass die Bundeskanzlerin die Abschaffung des Paragrafen 103 in Aussicht gestellt hat“, sagt Frank Überall. „Majestätsbeleidigung gehört nicht in den Strafkodex einer Demokratie.“

Die Mehrheit der Deutschen lehnt diese Entscheidung ab. Laut einer Erhebung im Auftrag der Bild am Sonntag halten 66 % der Befragten es für falsch, das Strafverfahren wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes gegen Jan Böhmermann zu erlauben.

Nur 22 % halten demnach die Entscheidung der Kanzlerin für richtig, 12 % waren unentschieden. Auch unter ihren eigenen Wählern stößt Merkels Haltung auf Unverständnis. Bei den Unionsanhängern ist die Ablehnung mit 62 % ähnlich stark wie unter SPD-Wählern mit 63 %.

Jan Böhmermann hatte in seiner TV-Sendung Neo Magazin Royale den türkischen Präsidenten Erdoğan in dem Gedicht mit satirischen Worten beschrieben. Es ging dabei auch um Sex mit Tieren und Kinderpornografie, außerdem wurden Klischees der Türken thematisiert. Er bettete diese Schmähungen jedoch in die Moderation ein. Er sagte, dass er dies tue, um die Grenze der Meinungsfreiheit zu demonstrieren.

Vom Koalitionspartner SPD, aber auch von der Opposition war scharfe Kritik an der Kanzlerin gekommen. Jan Böhmermann selbst hat unterdessen angekündigt, bis zum 12. Mai eine Fehnsehpause einzulegen. Man respektiere die Entscheidung des Moderators, teilte das ZDF mit.

Der frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis, der 2015 selbst zweimal Ziel von Jan Böhmermanns Satire wurde, verbreitete über Twitter: „Nachdem Europa seine Seele verloren hat (Flüchtlingsabkommen mit der Türkei), verliert es nun seinen Humor. Hände weg von Jan Böhmermann“. In einem Interview mit dem Sender RTL erklärte er weiterhin, dass „Satiriker, Comedians, Musiker und Künstler komplett in Ruhe gelassen werden müssten“ und es außerdem „keine politische Einmischung, kein Zwang durch diktatorische Kräfte im Ausland oder Inland“ geben dürfe.

Die Enkeltochter der US-Komikerlegende Charlie Chaplin äußerte sich ebenfalls zu Böhmermanns Erdoğan-Satire und zog dabei Parallelen zum Leben ihres Großvaters. „Mein Großvater wurde jahrelang von der US-Regierung daran gehindert, den „Großer Diktator“ zu drehen, weil die deutsche Regierung mit Wirtschaftssanktionen drohte, falls es eine Satire über Hitler gibt“, sagte Laura Chaplin ebenfalls zur Bild am Sonntag.

Die dänische Morgenzeitung Jyllands-Posten urteilte: „Anstatt die freie Presse und ihre Satiriker frei wirken zu lassen, hat Angela Merkel sich bei Erdogan entschuldigt, aber wie der traurige Verlauf der Sache gezeigt hat, will er mehr. Eine Entschuldigung war nicht genug. Jetzt will Erdogan auch das Recht auf seiner Seite haben und hat die einleitenden juristischen Schritte getätigt. Merkels Entschuldigung wird als Kniefall vor Erdogan aufgefasst. Die ganze Affäre ist eine triste Illustration dessen, was passiert, wenn man sich Druck beugt. Man bekommt mehr Druck, nicht weniger.“

Freiheit für Böhmermann! Hier geht es zur Petition.