Die Tragödie, die sich in Ankara, der Hauptstadt der Türkei, am vergangenen Samstag, den 10. Oktober abgespielt hat, ist von gigantischer Tragweite: sowohl für die Bedeutung des Massakers als auch für die Schwere seiner Konsequenzen. Der breit angelegte und bunte Umzug der Demonstranten, der ein Fest für Demokratie und Frieden sein sollte, hatte gerade erst begonnen, die ersten Tänze wurden getanzt, die ersten Chöre und Slogans gesungen, also die Demonstration Ziel eines zerstörerischen terroristischen Anschlags wurde, wobei zwei Bomben im Herzen der Veranstaltung explodierten. Nach offiziellen Angaben gab es gut 95 Tote und 250 Verletzte. Wie bereits zu Beginn gesagt, handelt es sich hier um ein brutales Massaker von gigantischem Ausmaß.

Der Umzug sollte den beginnenden Moment eines Protestes repräsentieren, der drei große Forderungen umfasst: die Forderung nach Frieden, gegen die neue Eskalation von Gewalt und gegen die neue militärische Aggression gegen das kurdische Volk und seiner legitimen politischen Vertreter, derer sich die türkische Regierung gerade schuldig macht; die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit und Schaffung von Arbeitsplätzen, für bessere Lohn- und Vertragsbedingungen für alle Arbeitnehmer im Land, insbesondere für die, die am meisten von der Krise und schlechten Wirtschaftslage sowie der Begrenzung von Rechten und Gewerkschaften betroffen sind, die auch die Türkei erleben muss, sowie die Forderung nach gewerkschaftlicher Freiheit und Demokratie; all dies in einem äußerst angespannten Klima der bevorstehenden wichtigen nationalen Wahlen am 1. November.

Es war eine große Demonstration für Frieden und für Demokratie. Sie wurde von der DISK (Vereinigung der Gewerkschaften der revolutionären Arbeiterschaft), der KESK (Vereinigung der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes), der TMMOB (Kammer der Architekten und Gewerkschaft der Ingenieure) sowie der TTB (Kammer der Ärzte der Türkei) organisiert. Zudem wurde die Demonstration unter aktiver Beteiligung von der HDP (demokratische Volkspartei), der EMEP (Arbeiterpartei) und einer großen Anzahl von anderen Parteien, politischen Organisationen und sozialen Bewegungen unterstützt, ein breites Bündnis der progressiven Kräfte des Landes. Eine demokratische, politische und soziale Demonstration, bei der sich Arbeitnehmer und Angestellte des öffentlichen Dienstes und freie Berufe (hauptsächlich Ärzte, Architekten und Ingenieure, aber nicht nur) für soziale und politische Forderungen vereinten sowie auch hauptsächlich die HDP, die für eine neue aufstrebende Kraft im politischen Umfeld der Türkei steht.

Die HDP entstand als kurdische Partei, als Ausdruck des demokratischen Verständnisses der kurdischen Völker und als politisches Instrument des historischen Kampfes für Selbstbestimmung und nationale Rechte der Kurden in der Türkei; heute ist sie ein Ausdruck einer ethnischen und sozialen Zusammensetzung, die weit darüber hinausgeht, nicht nur für die Kurden, sondern für diverse linksgerichtete Bewegungen des Landes, eine linke Partei mit einheitlichem Charakter und progressiver Inspiration, die es vermochte, bei den letzten politischen Wahlen am 7. Juni 13% der Stimmen auf sich zu vereinen und 80 Sitze im Parlament zu erobern. So verhinderte sie, dass die rechtsgerichtete AKP die absolute Mehrheit erreichte und deren Oberhaupt und Präsident der Republik, Recep Tayyip Erdogan, sein Projekt der absoluten Autorität verwirklichen konnte.

Wie von verschiedenen Beobachtern bestätigt wurde, vertragen sich die auf das Attentat folgenden Äußerungen Erdogans („Ich verurteile dieses Attentat gegen die Einheit und den Frieden in unserem Land“) nicht mit der Haltung seiner Partei in dieser Phase der Transition und mit der Entscheidung, die Auseinandersetzung mit den Kurden zu militarisieren und den seit fünf Jahren andauernden Verhandlungen mit den kurdischen politischen Kräften somit ein Ende zu setzen, eine wahrhaftige militärische und terroristische Kampagne gegen die kurdischen Regionen zu führen, mit einem Einsatz von Militär und Polizei, wie es ihn in den letzten Jahren nicht gegeben hat. Es gab hunderte Opfer in dieser Terrorkampagne, die von der Regierung im Süden und Osten des Landes entfacht wurde und man schätzt, dass die Zahlen unter Soldaten, Polizei, Kämpfern und Zivilisten (darunter zahlreiche Frauen, Alte und Kinder) in den letzten Monaten in die Tausende gehen.

Eine solche Eskalation dient auch dazu, die „interne Front“ zu militarisieren: um die AKP wieder zur absoluten Mehrheit zu führen, um unter Anwendung von Gewalt das Erstarken der demokratischen und progressiven Kräften zu blockieren, um die HDP wieder unter die 10% Linie zu drücken, um zu verhindern, dass diese Partei die Absperrungen überwindet und zu einer bedeutsamen Kraft im Parlament wird. Wenn das das kriminelle Bild der nationalistischen Kräfte an der Macht in der Türkei ist, dann verwundert es nicht, leider, dass neue Militante der EMEP im Attentat zu Tode kamen und weitere dreißig Militante verwundet wurden. Es verwundert auch nicht, dass laut Erklärung des Sekretärs der HDP, Selahattin Demirtas, die Bomben genau in den Bereich der Aktivisten der HDP trafen. Als sich der Innenminister und der Minister für Gesundheitswesen der türkischen Regierung am Tatort des Massakers einfanden, wurden sie von der Menge angefeindet und zurückgedrängt.

Dieses terroristische Attentat begleitet also die Terrorkampagne der Türkei in Kurdistan, die aktive Intervention der Türkei zur Unterstützung von terroristischen Formationen und die Destabilisierung in Syrien, der gezielte und wiederholte Angriff der NATO-Truppen in Kundus, Afghanistan, gegen das Präsidium von Ärzte ohne Grenzen. Heute reicht es nicht mehr aus, den wenn auch notwendigen Schmerz auszudrücken und die wenn auch nötige Solidarität zu bekunden: Wir müssen auf die Straßen gehen, die Mittäterschaft anklagen, unsere Stimmen und Anstrengungen gegen diesen wahrhaftigen „Krieg gegen den Frieden“ vereinen. Die Kräfte des Friedens, der Gerechtigkeit und der Demokratie sind einmal mehr dazu aufgefordert, zu zeigen, dass sie stärker sind als die der Reaktion, der Gewalt und des Terrors.

Übersetzung aus dem Italienischen von Evelyn Rottengatter