Correct!v ruft dazu auf, gegen eine geplante neue EU-Richtlinie zu protestieren. Die Europäische Kommission will Geschäftsgeheimnisse stärker schützen. Und gefährdet damit die Rechte von Bürgern, Journalisten und Whistleblowern.

Seit Jahren wird eine entsprechende Richtlinie entwickelt: „über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen“. Erst vor kurzem der erste Aufschrei und die Empörung. Haben alle gepennt oder sind die Vorschläge doch nicht so schlimm? Leider wohl ersteres.

Schon seit Jahren hat die Kommission intensiven Kontakt mit der Industrielobby, vor allem über die Trade Secrets & Innovation Coalition (TSIC), einen Zusammenschluss mehrerer Multinationals wie Alstom, General Electric und Nestlé. Eine Einladung an die organisierte Zivilgesellschaft oder Journalistenverbände ist nicht bekannt. Die Brüsseler NGO Corporate Europe Observatory hat den Entstehungsprozess ausführlich analysiert.

Der Entwurf der Richtlinie basiert auf einer Studie der Anwaltskanzlei Baker&McKenzie, einer Kanzlei, der es um „schnellere, wirtschaftlich optimale Ergebnisse ankommt“, so ihre eigene Website. Den weit überwiegenden Teil ihrer Einnahmen bezieht die Kanzlei vermutlich aus Honoraren von Multinationals. Diese wollen Geschäftsgeheimnisse so umfassend wie möglich definiert haben, um Transparenz klein zu halten. Besondere Erfahrungen der Kanzlei im Hinblick auf Meinungs- und Pressefreiheit sind nicht bekannt. Wenn die Richtlinie zügig verabschiedet wird, können die Regelungen zu Geschäftsgeheimnissen in das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) aufgenommen werden und damit fast unveränderbar festgeschrieben werden.

Der Knackpunkt des Richtlinienentwurfes ist Artikel 4. Dieser regelt unter anderen, wann Geschäftsgeheimnisse offen gelegt werden können. Dabei gibt es mehrere Probleme:

  1. Journalisten sollen Geschäftsgeheimnisse nur in Ausnahmefällen veröffentlichen dürfen. Dabei ist es gerade der Job von Journalisten, Fehlverhalten zu recherchieren und aufzudecken. Oft berichten Journalisten von Fehlverhalten in Unternehmen, ohne dass das Unternehmen gegen Gesetze verstoßen hat. Darauf zielt aber die Richtlinie ab.
  2. Geschäftsgeheimnisse sollen nur öffentlich werden dürfen, wenn jemand damit sein Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit rechtmäßig wahrnimmt. Diese Formulierung gibt Unternehmen ein weiteres Einfallstor, um Journalisten von der Arbeit abzuhalten. Denn die Beweisführung vor Gericht liegt beim Journalisten. Zeitraubende und teure Gerichtsverfahren können die Folge sein.
  3. Wie genau das rechtlich geregelt wird, ist den Mitgliedsstaaten der EU überlassen. Die schwammigen Formulierungen können von Länder bei der Interpretation genutzt werden, die nicht beste Freunde der Meinungs- und Pressefreiheit sind. Auch, um ihre staatlichen Unternehmen zu schützen.

Dieser Angriff auf Pressefreiheit ist besonders gefährlich, wenn man auf aktuelle Ereignisse blickt. Derzeit wird ein französischer Journalist angegriffen, der den Luxleaks-Skandal ins Rollen brachte. Er berichtete, wie die vom jetzigen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker geführte luxemburgische Regierung jahrelang internationalen Konzernen keine oder nur wenig Steuern abverlangte.