Im Folgenden soll Ihnen die deutsche Version des Artikels von Prof. Yakov Rabkin mit dem Titel „Perspectives on the Muslim Other in Jewish Tradition“ von 2009 kurz vorgestellt werden. 

In diesem Artikel geht es um die Wahrnehmung des Muslims als Anderen in der jüdischen Tradition und Geschichte. Es geht im Wesentlichen um die positiven Beziehungen zwischen Juden und Muslimen in der Geschichte der muslimischen Länder vor dem Zionismus und dem zionistischen Narrativ und der Verfälschung der Geschichte durch die zionistischen „Revisionisten“. Islam und Judentum stehen sich sehr nahe, und sehr nahe stehen sich auch Muslime und Juden, nicht nur religiös, sondern vor allem ethisch, wie sich auch im Interview mit Prof. Khallouk über sein Buch „Salem, Jerusalem“ gezeigt hat.

Der Satz des marokkanischen Juden Simon Levy „Meine Religion ist das Judentum, meine Kultur der Islam“ ist wegweisend für die fast nur positiven Beziehungen zwischen Juden und Muslimen in den muslimischen Ländern über Jahrhunderte.

Als der Zionismus kam, wurde das Narrativ verfälscht, um die Einwanderung der Juden aus den arabischen Ländern nach Israel voranzutreiben, um die jüdische Mehrheit in Israel zu gewährleisten. Nicht nur: diese Einwanderung diente dann auch der „retroaktiven, zionistischen Gerechtigkeit“, nach der die „verfolgten“ Juden in den arabischen Ländern mit den „palästinensischen Vertriebenen“ ausgeglichen werden sollten.

Wie Prof. Rabkin aufzeigt, ist der Zionismus eine nationalistische Idee, die dem Judentum, seiner Ethik, seinem Gesetz und auch seiner Konzeption der Beziehung zum Anderen vollkommen widerspricht. Denn der Zionismus eignet sich Land an, in dem schon ein anderes Volk lebt. Somit widerspricht er dem Judentum und den Geboten Gottes, Der den Juden aufträgt, im Exil zu leben und für das Wohlergehen des Gastlandes zu beten. Ein schönes Zitat, das Prof. Rabkin in seinem Artikel anführt und das für mich wegweisend ist das, nach dem die Zionisten der Meinung sind, es gäbe keinen Gott, aber gleichzeitig hätte ihnen Gott das Land versprochen.

Nach dem französisch-jüdischen Philosoph Emmanuel Levinas ist der Ruf des Anderen, dem ich zu antworten habe, das, was mich als Mensch definiert. Ich kann nur Ich sein, wenn ich mich mit dem Anderen konfrontiere und mit ihm dialogiere. Es gibt keine anderen Schwesterreligionen, die sich meiner Meinung nach so ähneln wie das Judentum und der Islam. Sie haben ein gesamtes System ethischer, rechtlicher und sozialer Normen gemeinsam. Und das kann auch der radikalste Zionist nicht kaputtmachen, da es sonnenklar ist, wie gut sich Juden und Muslime auf einer ethischen Ebene verstehen.

Ein wichtiger Aspekt, den Prof. Rabkin auch hervorhebt, ist der folgende: Die Muslime wollten die Juden niemals zum Islam bekehren, sondern akzeptierten sie stets als Dhimmi in ihrer Gesellschaft, die ihnen den Schutz als religiöse, gläubige Minderheit gewährt. Dies war im christlichen Europa nie der Fall. Hier gab es eine Judenverfolgung nach der anderen in der Geschichte. Die Juden wurden in Europa verfolgt und wurden immer von den Muslimen aufgenommen, sei es in Marokko, im Jemen als auch im Osmanischen Reich, um zwei Beispiele zu nennen, die Prof. Rabkin anführt.

Ich bin der folgenden festen Überzeugung: Wenn der Zionismus nicht wäre, hätten die Muslime die Juden in Palästina alle aufgenommen. Die Juden würden alle gemeinsam mit den Muslimen in Palästina leben. Das ist eine retroaktive Utopie, ja, das gebe ich zu. Aber ich möchte mir diesen Traum nicht nehmen lassen.

Eine wichtige Passage des Artikels von Prof. Rabkin spricht auch vom Schutz der Gläubigen durch Gott. Prof. Rabkin ist ein Gegner des Militarismus. Gott schützt die Gläubigen. Keine Atombombe, kein Heer, keine High-Tech-Waffen können mich schützen, wie Gott mich schützt, und dies unabhängig davon, ob ich Jude oder Muslim bin. Viele Juden erkennen auch Mohammed als Propheten an.

Deutsche Übersetzung des Artikels: Judentum und Islam_Prof Rabkin_ProMosaik_DE

 

Der Originalartikel kann hier besucht werden