Der Friedensfilmpreis ist fester Bestandteil der Berlinale. Er wurde dieses Jahr zum 30. Mal verliehen. Initiiert wurde er von Westberliner Friedensinitiativen. Die jetzige Jury besteht aus 9 Personen und unterstützt wird er von IPPNW und der Heinrich-Böll-Stiftung. Der Friedensfilmpreis wurde in diesem Jahr dem Film „The Look of Silence“ vom Regisseur Joshua Oppenheimer verliehen, einer Koproduktion zwischen Dänemark, Norwegen, Finnland, Indonesien und Großbritannien.

Der Dokumentarfilm gibt über Interviews von Tätern und Opfern tiefe Einblicke in das Massaker von 1965 in Indonesien. Mit Erschütterung sehen wir in die „Abgründe menschlicher Grausamkeit und die hoffentlich ebenso große Fähigkeit der Versöhnung“ (aus der Begründung der Jury).

Bei der Preisverleihung erzählt Joshua Oppenheimer von seinen jüdischen Familienmitgliedern, die in Berlin gelebt haben und die der Friedenspreis sehr gefreut haben würde. So drängt sich über den Genozid in Indonesien hinaus eine grundsätzliche Frage auf: wie können solche historische Barbareien geschehen? Parallele bietet auch hier die Schaffung eines Feindbildes. Es ist die Voraussetzung zur Enthumanisierung und Rechtfertigung der Täter.

Die Rechtfertigung in Indonesien der 60-er Jahre bestand darin, dass die brutal Ermordeten, es waren über eine Million Menschen, angeblich Kommunisten seien! Im deutschen Faschismus waren es Juden, in Ruanda waren es Tutsi, heute sind Feindbilder sogenannte Islamisten/Terroristen. Wie kann es zu diesen Feindbildern kommen? Fragen, die auf die konkreten politischen, historischen Umstände hinzielen! Auch wenn der Film sie nicht vordergründig behandelt, spart der Film sie auch nicht aus.

Denn über die sensible Sichtbarmachung der Psyche von Tätern und Opfern hinaus scheinen in dem Film die Machtverhältnisse in den 60-er Jahren in Indonesien sichtbar durch. Es ist der militärische Apparat, der über Leben und tausendfachen Tod entscheidet. Und es waren die US-Amerikaner, die den Kommunismus zum Staatsfeind aufbauten und dabei jeder Unliebsame zum Kommunisten stigmatisiert wurde, der ausgerottet werden musste, so die Aussage eines Täters. Die koloniale Politik der USA hatte einheimische, willfährige Machtstrukturen aufgebaut und genutzt – und diese haben sich nutzen lassen. Diese Dimension wird bei allen Filmbesprechungen, die ich im Internet gefunden habe, ausgespart. Auch die Jury nahm die historische, politische Situation in ihrer Begründung nicht in den Blick.

Der Film provoziert in Indonesien nach so langer Zeit ein Bröckeln des Schweigens. Noch aber bedeutet das Öffentlich machen der Verbrechen eine Gefahr für die Opfer. Die Täter leben dagegen in komfortablen Umständen. Im Abspann mussten viele am Film Beteiligte als anonym bezeichnet werden.

Dass der Film neben vielen Preisen den Friedensfilmpreis bekommen hat, ist eine sehr schöne und passende Würdigung. Als Friedensengagierte sind wir bemüht, den Frieden zu verteidigen und zu erkennen, welche Kräfte ihn zerstören. Dazu gibt der Film emotionale und reflektierende Anregungen.

Die Journalistin Carolin Emcke sagt allgemein über das Besondere des Friedensfilms: „Ein Film kann Konflikte zu ihren Quellen zurückverfolgen und uns darin eine Einsicht vermitteln, wie Gewalt und Krieg zu vermeiden wären.“ Eine Einsicht kann der Film „The Look of Silence“ unbedingt vermitteln, wenn man die gesetzten Spuren verfolgt und Fragen stellt nach der Ursache für diesen Genozid, schmerzhafte Fragen für die Indonesier selbst.

Zu dem Komplex Opfer und Täter in psychischer Hinsicht möchte ich an Frantz Fanons Abhandlung zur Zeit des Algerienkriegs erinnern.

Die Rede der Vertreterin der IPPNW, Nicola Kaatsch, war wie letztes Jahr ein Genuss. Die Rede war eine komplexe Analyse über die heutigen Gefahren für den Frieden.

Wir freuen uns auf die nächste Filmpreisverleihung. Dank an alle Organisatoren und Ausführende.

Elke Zwinge-Makamizile, Freidenkerin und Deutscher Friedensrat