Eine Fotoausstellung von Yusuf Beyazit

Wem gehört die Welt? Wessen Strasse ist die Strasse? – Diese Frage, revolutionär damals gestellt von Bertolt Brecht, steht am Anfang der Fotoserie, die Yusuf Beyazit in den letzten drei Jahren auf den Strassen gemacht hat: Bei den Flüchtlingsprotesten, den Empörten, Occupy, der Pflege am Boden und vielen anderen Gelegenheiten, bei denen Menschen es schafften, den öffentlichen Raum, die Strassen, für sich zurück zu erobern, um auf vielfältigste Art auszudrücken, dass dies nicht die beste aller möglichen Welten ist und sie eine andere Vision haben.

Gabriele Senft, eine Fotografie-Kollegin und Freundin, erinnert sich in einer bewegend persönlichen Rede zur Vernissage, wie sie Yusuf kennenlernte. Im August 2011, im Zuge der Indignados Proteste in Spanien, des arabischen Frühlings, Occupy lag noch in der Wiege, setzten sich ein paar junge Empörte auf den Alexanderplatz, um dort ihr Protestcamp zu errichten. Die Polizei kam sofort mit harschen Auflagen: keine Zelte, keine Matten zum Sitzen, keine Schirme gegen Regen, nicht sitzen, nur stehen, keine Schilder – jede Form von Meinungsäusserung oder Strasseneroberung sollte unmöglich gemacht werden. Pressenza berichtete darüber: Where if not here, on Berlin Alexanderplatz
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Diese Verbote hatten ein kreatives Feuerwerk zur Folge und so sah man an diesem Tag Menschen, die kleine Zelte als Mützen auf dem Kopf trugen, oder tragbare Zelte quasi als Kleidung an ihrem Körper befestigt hatten, mit denen sie stehen und laufen konnten. Die Polizei zeigte keinen Humor und entfernte die Demonstranten mit verhältnisloser Gewalt, während Yusuf Fotos machte, die er danach im Internet veröffentlichte und die einen Sturm der Entrüstung zur Folge hatten. Hier spürte Yusuf seinen inneren Auftrag: Er wollte die Menschen auf ihren Protesten begleiten und ihre Anliegen sichtbar machen.

Ein Jahre später gründete er mit einigen anderen Fotografen zusammen „Photographers in solidarity“ als Unterstützung der Flüchtlingsprotest, die sich im Jahr 2012 plötzlich entfalteten. Flüchtlinge verschiedener deutscher Asylantenheime hatten sich zusammengefunden, um einen Protestmarsch von Würzburg nach Berlin zu machen, um gegen die Isolation, gegen die Residenzpflicht und für schnelle und faire Asylverfahren zu protestieren. Sie landeten auf dem Pariser Platz in Berlin, wo die Fotografen innerhalb von acht Stunden eine öffentliche Ausstellung ihrer Bilder organisierten, was zu einem durchschlagenden Erfolg wurde.
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Yusuf stammt aus der Türkei aus einer Arbeiterfamilie in Bursa, einem Industriestandort. Seine Eltern gingen in den sechziger Jahren nach Deutschland als sogenannte Gastarbeiter. Er folgte ihnen als Grundschüler, weil er als hochbegabt eingestuft worden war. In Deutschland allerdings machte er so massive Erfahrungen mit Ausländerfeindlichkeit und Mobbing in der Schule, dass er bald zurückging. Als 14jähriger betätigte er sich in vielerlei Hinsicht kreativ und besorgte sich seine erste Kamera. Als junger Mann gründete er eine Surfschule. In dieser Zeit liegt seine erste mutige Friedensaktion – ein Surfturn übers Meer bis nach Zypern!

… Gabriele Senft erzählte noch viel, sehr viele Ereignisse, die Yusuf Beyazit zu dem einfühlsamen, aufmerksamen Fotografen gemacht haben, mit dem Blick für die Menschen und ihre Lebenssituationen. Dabei hat er sich seine Vision einer anderen Welt im Kreis von solidarischen Fotografen und Demonstranten oder Alternativen-Suchenden verwirklicht. Auf der Vernissage in der Ladengalerie der jungen Welt war diese zu spüren durch die vielen Besucher, die man nicht selten auch auf seinen Fotos erblickt.

Die Ausstellung ist noch bis zum 10.11.2014  zu sehen in der Ladengalerie der jungen Welt, Torstr. 6, Berlin Mitte
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