Evangelische Kirche setzt Flüchtlinge vor die Tür und droht mit Polizei

Das Entsetzen und die Verzweiflung stand den 11 Männern ins Gesicht geschrieben, als sie nach einem mehrstündigen Gespräch vom Küster der Gemeinde der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche aus der Tür gewiesen wurden.

Bei der Gemeinde der Gedächtniskirche hatten die 11 Refugees um Schutz, Unterstützung und Kirchenasyl gebeten, nachdem sich ihr Hunger- und Durstreik am Alexanderplatz bereits lebensbedrohlich zugespitzt hatte und dennoch keinerlei Reaktionen von politisch Verantwortlichen erfolgt waren.

Doch auch Pfarrer Martin Germer und weitere Vertreter/innen der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche lehnten die Bitten nach Kirchenasyl ab, da man sich nicht in der Verantwortung sehe, einen humanitären Schutz zu gewährleisten, heißt es in einer Presseerklärung der Unterstützer/innen der Refugees. Der Pfarrer habe ihnen mit der Polizei gedroht, wenn man das Kirchengebäude nicht verlasse, erklärten die Flüchtlinge auf einer spontanen Pressekonferenz. „Was mich am meisten erstaunt ist, dass uns gerade die Kirche ablehnt“, sagt einer der Flüchtlinge, „denn ich bin ein gläubiger Mensch und ich dachte, die Kirche ist für alle Menschen auf der Welt da.“

Cornelia Kulawik, Pfarrerin der Gedächtniskirche, widersprach dieser Darstellung, so die Berliner Zeitung. Auf Anfrage habe sie von „guten Gesprächen“ gesprochen und sagte, „wir gehen sensibel mit der Thematik um“.

Die Flüchtlinge beschlossen indes, vor Ort im Freien vor den Toren der Kirche ihren Protest fortzuführen, bis Verantwortliche aus der Politik mit ihnen Gespräche aufnehmen. Über die Polizei ließ die Gemeinde den Refugees in der Nacht mitteilen, dass die Gemeinde den Protest der Flüchtlinge vor den Kirchentüren vorerst dulde, sofern keine Schlafsäcke benutzt und Zelte aufgebaut würden. Für Montag, um 14:00 haben die Asylsuchenden eine Pressekonferenz vor der Gedächtniskirche angekündigt.

Nachtrag 12. Mai:

Gesprächsfaden wieder aufgenommen

Als gestern Abend die 11 Asylsuchenden entsetzt und schockiert die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche verließen, schien der Gesprächsfaden zwischen der Kirche und den Refugees zerschnitten. Die Bitte der Refugees nach Kirchenasyl sei abgelehnt worden und man habe mit der Polizei gedroht, wenn man die Kirche nicht verlasse, bekräftigten die Refugees auch heute.

„Wir hätten die Polizei nicht geholt“, beeilte sich indes Pfarrer Martin Germer heute der Presse zu vermitteln. Dass man mit der Polizei gedroht habe, sei „ein bedauerliches Mißverständis“, sagte er. Man habe lediglich deutlich machen wollen, dass man eine Situation hätte vermeiden wollen, in welcher man eventuell die Polizei zu Hilfe rufen müsse. Man habe aber erkannt, dass die Flüchtlinge auf ihre Forderungen bisher keinerlei Reaktion von den politisch Verantwortlichen erhalten hätten. Hier sei die Kirche gerne bereit, Gespräche zu vermitteln.

Über Kirchenasyl brauche man aber dennoch zur Zeit nicht zu sprechen, betonte Germer. Dies sei ein wertvolles Instrument, das man nur in speziellen Einzelfällen, in welcher jegliche weiteren rechtlichen Möglichkeiten unmöglichen seien, angewandt werden könne. Über die Flüchtlinge vor der Kirche verfüge man aber bisher über keinerlei Informationen, um dies beurteilen zu können. Man habe den Asylsuchenden noch für diesen Tag ein Gespräch angeboten und am Abend trete der Gemeinde-Kirchenrat zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, um über die Situation zu beraten, so Germer weiter.

Die Refugees selbst zeigten sich ebenfalls zu Gesprächen bereit. Man sei aber nicht gekommen, um um Essen und Geld zu bitten, sondern dass man sie als Menschen respektiere, erklärten sie auf einer Pressekonferenz am Mittag. „Wir werden auf dem Vorplatz der Kirche bleiben, bis unsere Forderungen positiv berücksichtigt werden. Wir werden hier bleiben, bis wir unsere Rechte bekommen, das heißt den Paragraphen 23“, heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung. Und man werde „an Ort und Stelle bleiben, bis wir positive Resultate haben. Wir werden nicht nach Sachsen-Anhalt zurückkehren“.

Oliver Feldhaus

Fotograf bei Photographers in Solidarity. Diese Gruppe dokumentiert seit dem Anfang der Proteste (April 2012) als die Flüchtlinge den Marsch von Würzburg nach Berlin machten. Auf ihrer Webseite findet man eine sehr gute Chronologie der Ereignisse in Wort und Bild.

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