In Berlin haben sich am Freitag tausende Schüler:innen am bundesweiten Schulstreik gegen die Wehrpflicht beteiligt.

Ab 12 Uhr versammelten sich nach Angaben beteiligter Gruppen in der Spitze bis zu 10.000 Streikende. Vom Halleschen Tor ging es weiter zum Oranienplatz. Dort schlossen sich ab 16 Uhr auch zunehmend solidarische Erwachsene an, unter ihnen viele Gewerkschafter:innen.

Vom Oranienplatz ging es, nach einer etwas langen Zwischenversammlung, weiter Richtung Neukölln. Der Demozug wurde vom harten Kern der Schüler:innen angeführt, denen die Kälte nichts anzuhaben schien. Durchgehend von klassenkämpferischen Parolen begleitet, ging es am Kottbusser Tor vorbei. Vom Dach des „Zentrum Kreuzberg“ wurde die Demo mit einem Bannerdrop begrüßt. Wer in den dunklen Nachthimmel über sich schaute, erkannte in großen Lettern: „Nein zur Wehrpflicht“ über der Straße, während unten die passenden Sprechchöre angestimmt wurden. Einige Passant:innen signalisierten ihre Zustimmung, andere spähten interessiert nach den Plakaten. Am Hermannplatz gab es eine weitere Verzögerung und die Demo schmolz nun wirklich auf den harten Kern, der am Ende eines langen Streiktages erfolgreich das Rathaus Neukölln erreichte.

Auf der Nachmittagsdemo bildete sich ein Gewerkschaftsblock. Mitglieder von Junge GEW, GEW und Arbeitskreis Internationalismus liefen gemeinsam in der Demo und zeigten ihre Solidarität mit den Schüler:innen.

Schüler:innen sprechen Klartext

SPD-Minister Pistorius nahm laut ARD „in seiner Bundestagsrede keinen Anstoß an den Streiks“ und bezeichnete diese als „großartig“, weil die Streiks neben „dem Interesse und Engagement der Schülerinnen und Schüler“ zeige, dass sie wüssten, „worum es geht“. Dem kann man insofern zustimmen, dass die Schüler:innen in diversen Interviews tatsächlich sehr gute Analysefähigkeiten bewiesen haben. Immer wieder stellten sie klar, dass sie die Bedrohungslage als herbeigeredet empfinden. Damit lassen sie mehr Klarsicht erkennen als viele Kommentator:innen unter den Beiträgen der großen Medienhäuser. Deren Zuschauer:innen scheinen teilweise voll und ganz auf die Erzählungen der Regierung einzusteigen.

Die streikenden Schüler:innen wiesen außerdem darauf hin, dass sie sich überhaupt nicht in irgendeiner „moralischen Pflicht“ sehen, ein Land „zu verteidigen“, das nichts für sie bereit hält außer Enttäuschungen und sozialer Ungerechtigkeit. Nach tendenziöser Rückfrage machte der 12-jährige Carl im Interview mit dem RBB klar, dass Leute wie Friedrich Merz gerne selbst die Aufgabe der Landesverteidigung übernehmen sollen.

DGB muss Farbe bekennen

Die Auseinandersetzung hat gerade erst begonnen. Noch betonen regierende Sozialdemokraten, wie willkommen ihnen die demokratischen Proteste seien. Doch das Süßholzraspeln von Pistorius und SPD dürfte angesichts des scharf eingeschlagenen Kriegskurses kaum verfangen. Ebenso wenig wie die Flucht in die Rüstungsproduktion Beschäftigung und Lebensstandard sichern werden, sondern unter dem Strich zur Bedrohung von uns allen werden. Der Wind wird also wohl schon bald sehr viel rauer werden. Dann kommt es auf die Basis der Gewerkschaften an. Die sollte schon jetzt ihre Führungen in die Pflicht nehmen. Der DGB muss sich endlich klar und kompromisslos an die Seite der Lohnabhängigen stellen und den Realitäten ins Auge blicken. Mit dieser Regierung und mit dieser SPD gibt es keine Augenhöhe. Nur Streiks werden etwas bewirken. Massenaktionen der Arbeiter:innen können bei den Kapitalisten, die immer offener eine AfD Regierungsbeteiligung vorantreiben, zu einem Umdenken führen. Wenn die deutschen Gewerkschaften sich nicht endlich entschieden auf Generalstreiks vorbereiten, laufen sie Gefahr damit wieder einmal zu spät zu kommen.

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