Wohin man auch schaut, befinden sich die Vereinigten Staaten im Krieg – im Inland durch militärische Besetzung von Städten, institutionelle Gewalt und staatlich sanktionierte Entführungen und im Ausland durch wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen, Stellvertreterkriege und endlose Interventionen.
Von Megan Russell und Michelle Ellner
In Zeiten wie diesen, in denen es allzu leicht ist, von der unerschöpflichen Beschaffenheit der Kriegsmaschinerie überwältigt zu werden, müssen wir uns daran erinnern, dass es sich nicht um getrennte Krisen handelt, sondern um verschiedene Fronten desselben Kampfes. Und sich gegen eine zu wehren, bedeutet, sich gegen alle zu wehren.
Der Feind ist in jedem Fall der US-Imperialismus
Als Reaktion auf seine wahllose Gewalt und seine Missachtung menschlichen Lebens sind überall auf der Welt Widerstandsbewegungen gegen den US-Imperialismus entstanden. Zusammen bilden sie die lebendige Front der internationalen Linken, ein Netzwerk von Menschen und Organisationen, die nach Befreiung von denselben Systemen der Herrschaft und kolonialen Kontrolle streben. Auch wenn ihre Formen unterschiedlich sind, von Studentenlagern bis zu Arbeiterstreiks, bleibt das Ziel dasselbe: das Ende des Imperiums und die Schaffung einer neuen multipolaren Welt, die auf der einfachen Wahrheit unserer gemeinsamen Menschlichkeit und der Gleichwertigkeit aller Nationen und Völker basiert.
Das Bündnis zwischen China und Venezuela ist Teil dieses umfassenderen Projekts. Und das Drängen der USA auf einen Krieg gegen beide Nationen ist nichts anderes als eine gewalttätige Reaktion auf die sich abzeichnende Wahrheit, dass der hegemoniale Status der USA schwindet und damit auch ihre Kontrolle über globale Ressourcen, politische Macht und die Fähigkeit, die Bedingungen für Entwicklung und Souveränität für den Rest der Welt zu diktieren.
Im vergangenen Monat hat die Trump-Regierung eine Reihe von Angriffen auf venezolanische Fischereifahrzeuge gestartet und behauptet, sie würde gegen Drogenschmuggler vorgehen. Diese Lüge ist so wenig originell wie absurd, und ein krasses Beispiel für die schwindende Fassade der vermeintlichen „Moral“ des liberalen Internationalismus. In diesen unruhigen Zeiten, in denen Aufregung die Planung außer Kraft setzt, kommt oft die Wahrheit ans Licht; das Wissen um den bevorstehenden Untergang ist so bedrückend, dass das Imperium kaum noch versucht, seine wahren Absichten zu verbergen.
Was ist dann die Wahrheit? Die Wahrheit ist, dass der Krieg der USA gegen Venezuela nichts mit Drogen zu tun hat, sondern ausschliesslich mit Kontrolle. Seit Jahren ist Venezuela unerbittlichem Druck, Wirtschaftskrieg, Sanktionen und ständigen Drohungen ausgesetzt, die darauf abzielen, seine Souveränität zu untergraben und es unter der Knute des US-Imperiums zu halten. Wie bei den meisten Nationen, geht es beim Interesse der USA an Venezuela um strategische Ressourcen und Macht. Erstens verfügt Venezuela über die größten nachgewiesenen Ölreserven der Welt zusammen mit beträchtlichen Vorkommen an Gold, Coltan und anderen Mineralien, die für die Technologie- und Energieproduktion unverzichtbar sind. Kontrolle über diese strategischen Ressourcen bedeutet Kontrolle über globale Märkte und Energiesicherheit. Zweitens ist Venezuela aufgrund seiner geografischen Lage innerhalb Lateinamerikas ein wichtiger Hebel in der Region.
Doch Venezuelas Widerstand entstand nicht aus dem Nichts. Er folgte auf mehr als ein Jahrhundert US-amerikanischer Vorherrschaft über die Erdhalbkugel, von der Invasion Haitis und der Besetzung Nicaraguas bis zu den Staatsstreichen in Guatemala, Chile und Honduras. Was diese Geschichten verbindet, ist eine einzige Botschaft aus Washington: Kein lateinamerikanisches Land hat das Recht, einen unabhängigen Kurs einzuschlagen.
Die Bolivarische Revolution, die mit der Wahl von Hugo Chávez im Jahr 1998 begann, war eine unmittelbare Herausforderung für dieses System. Entstanden aus den Trümmern des neoliberalen Zusammenbruchs, stellte sie sich der historischen Situation Venezuelas als Rentierstaat entgegen, der den Interessen der USA untergeordnet war. Chávez verteilte die Öleinnahmen auf Sozialprogramme wie Massenausbildung und Gesundheitsversorgung um, während er den Zugang zur politischen Teilhabe durch Gemeinderäte und Genossenschaften ausbaute.
Vor zwanzig Jahren im November 2005 nahm Venezuelas Widerstand kontinentale Ausmaße an, als sich lateinamerikanische Machthaber in Mar de la Plata, Argentinien, zum Amerika-Gipfel versammelten. Dort versuchte Washington, die Freihandelszone der Amerikas (ALCA – Free Trade Area of the Americas) durchzusetzen – ein hemisphärisches Abkommen, das die Region in eine dauerhafte Abhängigkeit vom US-Kapital gebracht hätte.
Stattdessen wurde der Gipfel zu einem Wendepunkt in der modernen lateinamerikanischen Geschichte. Vor Zehntausenden von Menschen, die „ALCA, ALCA, al carajo!“ skandierten, verwarfen die Regierungen von Venezuela, Brasilien, Argentinien und anderen Ländern das Abkommen. Diese Absage, politisch angeführt von Hugo Chávez und von sozialen Bewegungen auf dem Kontinent unterstützt, kündigte den Zusammenbruch des neoliberalen Konsenses und die Wiedergeburt der lateinamerikanischen Souveränität an. Aus diesem Sieg gingen ALBA und Petrocaribe hervor, Instrumente regionaler Zusammenarbeit, die die soziale Entwicklung über Unternehmensgewinne stellen. Die USA haben Jahrzehnte mit dem Versuch verbracht, dies durch Sanktionen, Staatsstreiche und nun durch offene Militarisierung in der Karibik rückgängig zu machen.
Heute wird die Lage durch das Auftreten eines neuen, immer mächtiger werdenden Akteurs noch komplizierter. Seit einigen Jahrzehnten unterhält China ein starkes Bündnis mit Venezuela. Seit Beginn der 2000er Jahre fing China an, Venezuela Kredite in Höhe von zehn Milliarden Dollar zu gewähren, die durch Öllieferungen zurückgezahlt werden sollen. Dies ermöglichte Venezuela, Sozialprogramme und Infrastrukturprojekte zu finanzieren und dabei westlich kontrollierte Finanzsysteme wie den IWF und die Weltbank zu umgehen. In einem Bericht des US-amerikanischen Institute of Peace heißt es: „Chinas Industrialisierungsboom zu Beginn der 2000er Jahre schuf neue Möglichkeiten für seine rohstoffreichen Handelspartner in Lateinamerika und Afrika. Der venezolanische Präsident Hugo Chávez … war von den Fortschritten Chinas begeistert.“
Seitdem hat China Venezuela auch beim Bau von Eisenbahnen, Wohnprojekten und von Infrastruktur für Telekommunikation im Rahmen seiner umfassenderen Belt-and-Road-Initiative (BRI) (Neue Seidenstraße) unterstützt, um die Entwicklung im globalen Süden zu fördern. Im Gegensatz zu den USA ist die Partnerschaft nicht zwingend, sondern grundsätzlich nicht interventionistisch. China setzt sich – anders als die US-Führung – nicht für einen Regimewechsel ein, sondern leistet standhafte diplomatische Unterstützung, indem es sich selbst als „unpolitischen Entwicklungspartner“ bezeichnet und kritisiert die Geschichte der Einmischung der USA in die inneren Angelegenheiten lateinamerikanischer und karibischer Länder. Unterdessen kritisieren die USA Chinas mangelnden Willen, einen Regimewechsel herbeizuführen.
Aufgrund des wirtschaftlichen und politischen Bündnisses zwischen China und Venezuela, ist es unmöglich, den zunehmenden Kriegsdruck auf Venezuela zu verstehen, ohne auch noch die Kriegsvorbereitungen mit China zu berücksichtigen. Sie sind letzten Endes Teil desselben Kampfes. Wie der USIP-Bericht beschreibt, „wird Venezuela der zentrale Schauplatz für die sich rasch ausweitende strategische Rivalität zwischen den Vereinigten Staaten und China bleiben.“ Die US-Führung ist uneingeschränkt bereit, das Leben venezolanischer Zivilisten zu opfern, wenn dies bedeutet, die venezolanische Wirtschaft zu zerstören, eine US-Marionettenregierung einzusetzen, und die aufkeimende Solidaritätsbewegung zwischen den beiden Nationen zu vernichten. Derzeit bietet Venezuela auch China eine Quelle wirtschaftlicher Souveränität, indem es ihm hilft, seine Energiequellen vom Nahen Osten und von den von den USA kontrollierten Lieferanten zu diversifizieren, und somit als Rettungsanker gegen US-Sanktionen und wirtschaftliche Isolation fungiert.
Obwohl die USA bestimmt selbst ein Eigeninteresse an Venezuela haben, ist das Land auch eine weitere Frontlinie im Krieg der USA gegen China, der unter der Trump-Regierung in Form eines sich zuspitzenden Handelskriegs um strategische Ressourcen, einer Hypermilitarisierung der pazifischen Bündnispartner rund um China, eines innerstaatlichen Durchgreifens gegen chinesische Staatsbürger und chinesisch stämmige Amerikaner in den USA sichtbar wurde. Natürlich stellt China keine existenzielle Gefahr für US-Bürger selbst dar. Die einzige Bedrohung, die es darstellt, ist die für ein von den USA beherrschtes Weltsystem und die Aufrechterhaltung der internationalen Arbeitsteilung, die eine kleine westliche Elite reich hält, während der Rest der Welt sich abrackert.
Der US-amerikanische Kriegsdruck auf China ist Teil einer laufenden Kampagne, um Chinas Aufstieg zu verhindern. Während die Welt unweigerlich auf eine neue Multipolarität zurast, schlagen die US-Führung mit militärischem Gehabe, wirtschaftlicher Nötigung und Kriegspropaganda um sich. Trumps jüngste Zölle gegen China sind nur ein kleiner Teil dieser umfangreicheren Strategie. Im Mittelpunkt dieser Konfrontation steht der Kampf um die Kontrolle strategischer Ressourcen und Technologien, die die Zukunft bestimmen – Seltene Erden, Halbleiter, KI und mehr. China beherrscht gegenwärtig die weltweite Versorgung mit Seltenen Erden, die wesentliche Bestandteile von Smartphones und Windkraftanlagen bis zu Raketen und Kampfjets sind. Dies ist für die USA nicht hinnehmbar. Es bedroht ihr Monopol auf die High-Tech-Produktion und, im weiteren Sinne, ihre militärische und wirtschaftliche Übermacht. Daher halten politische Führer und die Medien das Narrativ aufrecht, dass China den Handel als Waffe benutzt, obwohl es westliche Länder sind, die seit dem Zweiten Weltkrieg Millionen von Menschen durch einseitige Sanktionen getötet haben. Aber China hat als souveräne Nation das Recht, seine strategischen Ressourcen zu schützen, insbesondere wenn diese gegen es selbst eingesetzt werden. Seltene Erden werden beispielsweise von den USA zur Entwicklung neuartiger Waffensysteme verwendet, um sich auf einen Krieg mit China vorzubereiten. Und wenn es mithilfe eines Wirtschaftskriegs nicht gelingt, Chinas Aufstieg zu verhindern, was zweifellos der Fall sein wird, wenn man nach den jüngsten Treffen zwischen Trump und Xi geht, dann wird es zunehmend wahrscheinlich, dass die US-Führung eine physische Auseinandersetzung erzwingen wird und jene Waffen zum Einsatz kommen werden.
Es ist nicht das erste Mal, dass die USA Krieg um strategische Ressourcen führen und dabei Propaganda einsetzen, um ein schöneres Bild zu malen. Der Golfkrieg und die Iraq-Invasion wurden zwar mit der „Verteidigung der Demokratie“ und dem „Schutz der Welt vor Massenvernichtungswaffen“, die es eigentlich nicht gab, begründet, aber schließlich ging es darum, die irakischen Ölfelder für US-Konzerne aufzuteilen. Die NATO-Bombardierungsoffensive in Libyen war eine Reaktion auf Gaddafis Verstaatlichung des Öls und das Risiko für den US-Dollar. Bei der ununterbrochenen Besetzung Syriens geht es um die Sicherung von Öl- und Gasfeldern. Der Sturz des bolivianischen Präsidenten Evo Morales stand im Zusammenhang mit seiner Verstaatlichung von Lithium, häufig als das „neue Öl“ bezeichnet, sowie mit Versuchen, den Wettbewerb mit Russland und China zu hintertreiben. Die Liste lässt sich endlos fortsetzen.
Die Lehre ist eindeutig: wo es einen von den USA unterstützten Krieg oder eine Intervention gibt, stecken wahrscheinlich strategische Ressourcen oder finanzielle Interessen dahinter. Das bedeutet es, eine imperialistische Macht zu sein. Um ihre Vorherrschaft aufrechtzuerhalten, müssen die USA ununterbrochen Substanzen fördern, überwachen oder den Zugang dazu verweigern, wie z.B. Öl, Gas, Lithium und Seltene Erden, die die globale Industrie und Technologie am Laufen halten. Und wenn eine andere Nation es wagt, die Souveränität über ihre eigenen Ressourcen geltend zu machen, wird sie als Bedrohung für die Freiheit gebrandmarkt, mit Sanktionen belegt, bombardiert oder gestürzt, um sie abhängig, schwach und ergeben zu halten. China, Venezuela und alle Nationen, die auf eine Weise, die im Widerspruch zur kapitalistischen imperialen Ordnung steht, Souveränität über ihre eigene Entwicklung anstreben, stellen eine Bedrohung dar, und werden deshalb ins Visier genommen – nicht aus moralischen oder rechtlichen Gründen. Wie wir aus zwei Jahren Völkermord in Gaza, unterstützt durch die USA, sehr deutlich gesehen haben, lenken weder Moral noch Legalität die Politik der USA.
Der Kampf gegen den US-Imperialismus ist ein weltweiter Kampf. Sich an die Seite Venezuelas, Chinas oder jeder anderen Nation zu stellen, die sich gegen die Vorherrschaft wehrt, bedeutet, sich für die Möglichkeit eines neuen Internationalismus einzusetzen, der in grenzüberschreitender Solidarität verankert ist. Das ist unsere Aufgabe – diese Kämpfe miteinander zu verbinden, in jedem Akt des Widerstands unser eigenes Spiegelbild zu sehen, und eine Welt der gemeinsamen Menschheit und globalen Gleichheit zu errichten.
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Doris Fischer vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!
Megan Russell ist Koordinatorin der Kampagne „China ist nicht unser Feind“ von CODEPINK. Sie hat einen Master-Abschluss in Konfliktforschung von der London School of Economics. Zuvor studierte sie an der New York Universität Konfliktforschung, Kultur und internationales Recht. Megan verbrachte ein Jahr in Shanghai und lernte über acht Jahre lang Mandarin-Chinesisch. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Schnittstelle zwischen den Beziehungen zwischen den USA und China, Friedensförderung und internationale Entwicklung.
Michelle Ellner ist Koordinatorin der Lateinamerika-Kampagne von CODEPINK. Sie wurde in Venezuela geboren und hat einen Bachelor-Abschluss in Sprachen und internationalen Beziehungen von der Universität La Sorbonne Paris IV in Paris. Nach ihrem Abschluss arbeitete sie für ein internationales Stipendienprogramm mit Büros in Caracas und Paris und wurde nach Haiti, Kuba, Gambia und in andere Länder entsandt, um Bewerber:innen zu bewerten und auszuwählen.









