Das Leben ist schön – oder? Wem jetzt der Schwarz-Weiß-Klassiker mit James Stewart in den Sinn kommt, der versteht sicherlich meine derzeitige allgemeine Zwiegespaltenheit. Im Moment könnte man schon sagen, naja, so ganz einfach kann man das nicht beantworten. Und dennoch sind da ja Menschen und Situationen, auch Dinge, die einem das Schöne am Leben zeigen. Wie man trotz der vielzähligen globalen Krisen Glück verspüren kann und was die sogenannten „blauen Zonen“, die Forscher ausgemacht haben, damit zu tun haben, das hat Alexander Oetker in seinem Buch eingehend erforscht und dargelegt. Dass die Menschen im Süden Europas gesünder, glücklicher und an einigen Orten länger leben, ist etwas, das ich selbst auch schon erleben konnte. Was machen Sie anders? Dem wollte auch ich etwas nachspüren.

Im Moment fällt es mir unglaublich schwer, mich tatsächlich auf ein Buch einzulassen. Einerseits ist da dieser globaler Irrsinn, der uns alle auf so vielen unterschiedlichen Ebenen dann doch irgendwie trifft und andererseits scheint mir die Literatur nur noch voll von problematischen Themen zu stecken. Kaum ein Geschichte, in die ich mich einfach fallen lassen und somit dem Alltag ein wenig entfliehen kann. Und deshalb habe ich in den letzten Wochen und Monaten zwar vieles (an-)gelesen, doch kaum etwas davon hier vorgestellt. Am besten ging es mir mit Koch- und Sachbüchern. Wobei die Kochbücher eindeutig überwogen.

Alexander Oetker ist vielen als Autor seiner in der Bretagne angesiedelten Krimireihe um Luc Verlain bekannt. Außerdem schreibt er regelmäßig Restaurantkritiken und zeichnet sich alleine dadurch für mich schon als Mensch, der das Leben trotz Widrigkeiten genießen kann, aus. Gutes Essen, schöne Gegend, nette Leute, das kann schon den Unterschied machen, der das Leben ein bisschen besser macht, als die Umstände es denken ließen.

Oetker ist familiär bedingt mehrsprachig aufgewachsen und hat keine Scheu, andere Kulturen kennenlernen zu wollen. Ganz im Gegenteil. Sein Lebensmittelpunkt pendelt mittlerweile zwischen eben der Bretagne und Brandenburg. Ich selbst lebe seit 15 Jahren im tiefen Südosten Berlins und kann mir eine größere Diskrepanz zwischen diesen Orten kaum vorstellen. Wäre ich in seiner Lage, hätte ich die Möglichkeiten, die er hat, ich würde mein Leben gänzlich in die Bretagne verlagern. Brandenburg wäre aus vielen Gründen nicht meine erste Wahl.

Und genau das – wie können wir wählen, wo und wie wir leben wollen – ist der Punkt, der mich nach Lektüre des wirklich lesenswerten Sachbuches, in dem ich viel darüber gelernt habe, wie ich selbst wieder etwas mehr Gelassenheit in meinen Alltag bringe, ohne desinteressiert zu werden, umtreibt.

Die Vorstellung, dass man sein Leben in Deutschland mal ganz schnell über den Haufen werfen kann, wenn man nur will, scheint mir ein wenig romantisiert zu werden. Klar, Oetker ist keine Lebensberater, der darauf zielt, seiner Klientel einzubläuen, dass das schon alles so wird, wie man es sich wünscht, wenn man es nur stark genug wünscht. Dennoch sind alle Menschen, die er zur Recherche seines Buches über ihr Vorgehen befragt, in mehr oder weniger privilegierten Situationen, die einen Umzug nach Portugal, Italien oder Frankreich etc. leichter machten. Einen Beruf zu haben, der nicht an einen Ort gebunden ist, ist natürlich von Vorteil – eine ortsgebundene Stelle wäre aber für mich persönlich kein ausschlaggebendes Gegenargument, um einen wirklich erwünschten Umzug nicht vorzunehmen. Ich sehe mich in der glücklichen Lage, ohne körperliche Einschränkungen leben zu können und habe bereits viele Tätigkeiten übernommen, um mich finanzieren zu können. Eine gewisse Lebenserfahrung schadet ebenfalls nicht. Und ich scheue mich nicht, noch einmal etwas ganz anderes zu meinem Broterwerb zu tun.

Aber das trifft eben nur auf eine bestimmte Anzahl von Menschen in unserem Land zu, die ein schöneres Leben aus freien Stücken wählen könnten. Zugegeben: Oetker fasst nach jedem seiner Kapitel kurz zusammen, was jede*r von den vermeintlich glücklicheren (und damit besseren?) Menschen in Südeuropa lernen kann. Und da geht es tatsächlich auch um ganz praktische Dinge, die sich auch gut umsetzen lassen. Im Grunde genommen, geht es darum, Dinge, die wir wissen (oder zumindest wissen sollten) auch in unser so vielschichtig gewordenes Leben zurückzuholen.

Bei der Lektüre und auch danach kam mir immer wieder eine Erinnerung aus dem letzten Oktober in den Sinn. Ich war für ein paar Tage mit meinem damals noch 16 jährigen Sohn in Rom. Das Wetter war toll, angenehm warm, die Menschen wie ich sie in Erinnerung hatte, stilvoll gekleidet und vor allem gelassen. Sie waren nicht desinteressiert, sondern konnten einfach abschätzen, wann sie ihre Energie einsetzen mussten, um etwas zu ändern. Choose your battles wisely – das kann man tatsächlich lernen.

Alles in allem hat Alexander Oetker einen gut zu lesenden Ratgeber hinsichtlich eigener Verhaltensweisen in einer immer komplexer werdenden Welt geschrieben, der uns auf das aufmerksam machen sollte, was unsere Großeltern vielleicht auch wussten. Manches ist so grundlegend, dass es fast schon zu banal klingt, aber offensichtlich haben viele Menschen in unseren Breiten vergessen, dass Flexibilität, Improvisationsgabe, Gemeinschaft und Gelassenheit einen weiterbringen. Was mir tatsächlich außerordentlich viel Freude bereitet hat, ist das Register am Ende des Buches – Dolce Vita von A-Z. Hier ist in Kürze mit nur je einem Wort pro Buchstaben aufgezeigt, was einem Leben zu mehr Glück verhelfen kann.

Es kann so schön sein, das Leben von Alexander Oetker ist im April 2025 bei Hoffmann & Campe erschienen. Für mehr Information zum Buch per Doppelklick auf das im Beitrag abgebildete Cover oder direkt auf der Verlagsseite.

Rezension von

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