Es ist paradox, dass viele dafür plädieren, Kriege zu beenden, ohne in Betracht zu ziehen, dass das Grundproblem Gewalt ist. Wenn es jetzt nicht an der Zeit ist, sich endlich mit der Gewalt auseinanderzusetzen, wann dann? Wir müssen alle ihre Formen benennen und hinterfragen – physische, religiöse, wirtschaftliche, politische, psychologische, kulturelle, sexuelle und andere – denn Gewalt in jeder Form ist das grundlegende Hindernis für Frieden.
Um Frieden zu bitten, ohne gegen die Gewalt etwas zu unternehmen, ist vergleichbar mit einer obdachlosen Person, die auf der Straße um Geld bettelt; sie kommt nicht weit damit. Frieden kann nicht erreicht werden, indem man die systemischen und allgegenwärtigen Kräfte ignoriert, die die Gewalt unterstützen. Ohne die zugrunde liegende Gewalt anzugehen, bleibt der Frieden ein inhaltsleeres und unerreichbares Ziel.
Gewalt löst nichts; sie hält einen Konflikt nur aufrecht. Diplomatische Bemühungen werden scheitern, es sei denn sie adressieren direkt die Rolle der Gewalt. Wie können wir erwarten, dass diejenigen, die von Gewalt profitieren oder sie fortführen, auch diejenigen sind, die Frieden schaffen? Wir müssen die schwierigen Fragen stellen: Wer profitiert von Gewaltförderung? Wie groß ist der Markt dafür? Ist die Demokratie selbst ihrem Einfluss unterlegen? Warum gibt es so selten ehrliche Gespräche über Gewalt? In Wahrheit ist fast jeder Aspekt des menschlichen Lebens – direkt oder indirekt – mit Gewalt in Verbindung stehend.
Es gibt viele Beispiele für einen raschen Wandel, wenn die Wurzeln der Gewalt angegangen werden. Schauen Sie sich Medellín, Kolumbien an, die zweitgrößte Stadt des Landes, eingebettet in das Aburrá-Tal der Anden. Bekannt als „Stadt des ewigen Frühlings“, wegen seines ganzjährigen gleichbleibenden Klimas, war Medellín einst berüchtigt für seine Gewalt. In nur 20 Jahren hat sie sich in eine lebendige, innovative Stadt verwandelt. Seine kulturellen Sehenswürdigkeiten und die einladende Atmosphäre zeugen von der Kraft des Wandels, wenn man der Gewalt entgegentritt. Medellín‘s Verwandlung war kein Zufall. Es war eine strategische, alle Aspekte berücksichtigende Kampagne, die Infrastruktur, Kultur, Sozialpolitik und Innovation miteinander verband, um die komplexen Themen rund um soziale Gerechtigkeit, Erinnerungskultur und Sicherheit zu bewältigen.
In Mogadischu, Somalia, begannen sich die Auswirkungen eines jahrelangen Bürgerkriegs und militärischer Kontrolle nach dem Rückzug der Al-Shabaab-Kämpfer im Jahr 2011 zu verflüchtigen. Die Stadt begann mit dem Wiederaufbau – international unterstützt unter anderem von der Türkei und der somalischen Diaspora – um die Infrastruktur wiederherzurichten, den öffentlichen Raum wiederzubeleben und die wirtschaftlichen Tätigkeiten anzukurbeln. Diese Bemühungen haben zu einem stabileren und sichereren Umfeld für seine Bewohner beigetragen.
In Jos im Bundesstaat Plateau, Nigeria führte die seit 2001 immer wieder ausbrechende kommunale Gewalt im Jahr 2013 zum Beginn des interkommunalen Dialogprozesses, dem Jos Forum. Dieser Dialog, der sich über 16 Monate erstreckte und unterschiedliche Bevölkerungsgruppen zusammenbrachte, gipfelte in der „Verpflichtungserklärung zum Frieden“, mit dem Hauptaugenmerk auf Toleranz, Respekt und gewaltfreier Konfliktlösung. Das Ergebnis ist ein jetzt friedlicheres Zusammenleben zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen von Jos.
Diese Beispiele zeigen, dass Frieden möglich ist, wenn man der Gewalt direkt entgegentritt und sie nicht ignoriert. Gewalttätige Individuen oder Systeme werden niemals Frieden bringen, sie sind das Hindernis, nicht die Antwort. Der einzige Weg nach vorn besteht darin, gemeinsam und ohne Kompromisse zu akzeptieren, dass Gewalt zu nichts führt. Solange wir nicht zu diesem Verständnis gelangen, wird Frieden unerreichbar bleiben.
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Ursula Nollenberger vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!









