Fokus auf Elektrifizierung durch Wärmepumpen, Nah- und Fernwärme ermöglicht sozial gerechte Kostenverteilung.
Klimaneutralität 2045 ist durch eine umfassende Elektrifizierung kosteneffizient erreichbar, ohne dass die Heizlasten im Gebäudebestand durch noch höhere Sanierungsraten reduziert werden müssen. Das zeigt eine neue Studie von Prognos und Stiftung Klimaneutralität, die heute vorgestellt wurde.
Thomas Losse-Müller, Direktor der Stiftung Klimaneutralität: „Klimapolitisch ist das eine sehr gute Nachricht. Wir sind lange davon ausgegangen, dass wir die Heizlast in Gebäuden deutlich stärker senken müssen, damit die Kosten im Stromsystem im Zuge der Elektrifizierung nicht explodieren. Unsere Analyse zeigt, dass diese Annahme nicht stimmt. Das erweitert unseren Handlungsspielraum.“
Methodisches Vorgehen: Konstante statt steigende Sanierungsrate
Ausgangspunkt der Analyse ist das im vergangenen Jahr veröffentliche Szenario „Klimaneutrales Deutschland: Von der Zielsetzung zur Umsetzung“ (KNDE) von Agora Energiewende. In ihm steigt die Sanierungsrate auf 1,7 Prozent pro Jahr. In der untersuchten Sensitivität wurde die jährliche Sanierungsrate konstant auf das Niveau von 2020 angenommen (damals noch bei ca. 1 Prozent). Anschließend wurden die Auswirkungen auf Endenergieverbrauch, Strom- und Fernwärmesystem sowie die Gesamtsystemkosten bis 2045 modelliert.
Zentrale Ergebnisse: Überschaubare Mehrbedarfe, keine Mehrkosten
Die Analyse zeigt: Der Endenergieverbrauch in Gebäuden steigt trotz der gegenüber dem Basis-Szenario gesenkten Sanierungsrate im Jahr 2045 nur um 32 TWh oder 4 Prozent. Davon entfallen 16 TWh auf Umweltwärme und Solarthermie, 7 TWh auf Fernwärme, 5 TWh auf Strom für Wärmepumpen und 4 TWh auf Biomasse. Der Bruttostrombedarf steigt nur um 0,5 Prozent (6,6 TWh inklusive Fernwärmeerzeugung), die maximale stündliche Last durch Wärmepumpen um 1,3 GW (2,5 Prozent).
Finanziell ergibt sich eine Kostenverlagerung: Geringeren Investitionsbedarfen für Sanierungen im Gebäudesektor stehen Mehrkosten für Erzeugung und Netze im Stromsystem gegenüber. Im Jahr 2045 betragen die Mehrkosten im Energiesektor 4,5 Milliarden Euro, die Einsparungen durch verringerte Sanierung 5,1 Milliarden Euro. Kumuliert führt die niedrigere Sanierungsquote für die Jahre 2025 bis 2045 zu Minderkosten von 200 Millionen Euro. Die Systemkosten einer Erhöhung der Sanierungsraten liegen im Vergleich mit einem stärkeren Fokus auf Elektrifizierung also nah beieinander. Die Effekte für die individuellen Gebäude können aber deutlich davon abweichen.
Elias Althoff, Projektleiter bei Prognos, fasst zusammen: „Unsere Berechnungen zeigen: Eine jährliche Sanierungsrate von rund 1 Prozent – verglichen mit einem Anstieg auf 1,7 Prozent jährlicher Sanierung – erhöht den Endenergieverbrauch im Gebäudesektor im Jahr 2045 um etwa 4 Prozent. Der Strombedarf steigt sogar nur um ein halbes Prozent. Kostenseitig kommt es zu einer in Summe kostenneutralen Verschiebung vom Gebäudesektor in den Energiesektor.“
Sozial gerechter Transformationspfad
Aus sozialer Perspektive ist das Ergebnis bedeutsam. Das Stromsystem ermöglicht eine breitere Walzung und damit bessere Verteilung von Mehrkosten als individuelle Gebäudesanierungen, die einzelne Haushalte schnell finanziell überfordern können. Das entlastet insbesondere Menschen in ohnehin schon angespannten Wohnungsmärkten.
Thomas Losse-Müller: „In der politischen Diskussion haben wir uns lange darauf fokussiert, die energetische Sanierungsrate mit Fördermilliarden weiter zu steigern. Die Studie zeigt: Das ist aus Sicht der Systemkosten in diesem Maße nicht nötig. Wir können uns politisch voll auf den Heizungswechsel konzentrieren. Das ist sozialer und hilft auch dem Klima mehr. Dahin muss die Förderung gehen und deshalb ist auch die 65-Prozent-Quote im GEG so wichtig.“
Weitere Informationen:
Das Gutachten von Prognos und Stiftung Klimaneutralität ist hier zu finden: https://www.stiftungklima.de/app/uploads/2025/12/SKN_Paper_Prognos.pdf
Über die Stiftung Klimaneutralität
Die Stiftung Klimaneutralität hat im Juli 2020 in Berlin ihre Arbeit aufgenommen. Ihr Ziel ist es, Wege zur Klimaneutralität aufzuzeigen. Sie entwickelt in enger Kooperation mit anderen Denkfabriken sektorübergreifende Strategien für ein klimagerechtes Deutschland. Auf der Basis von guter Forschung will die Stiftung informieren und beraten – jenseits von Einzelinteressen. www.stiftung-klima.de









