Ein eindrucksvolles Aufgebot internationaler Spitzenwissenschaftler:innen hielt kürzlich (am 27. November) eine nationale Notfallbesprechung in Großbritannien ab, um die Welt über bevorstehende Katastrophenszenarien im Klimawandel zu informieren, die nicht länger ignoriert werden können. Die Lage erfordere eine Art Kriegsbereitschaft. Zehn der führenden Expert:innen des Landes informierten Politiker:innen, Wirtschaftsführer:innen, religiöse Autoritäten, Sportvertreter:innen und Medien in einer Marathon-Sitzung.

Die Briten nehmen die verheerenden Folgen des Klimawandels ernst und wollen die Öffentlichkeit über diese existenzielle Bedrohung der Zivilisation aufrütteln. 81 Parlamentsabgeordnete und 52 Ladies and Lords nahmen an der Sitzung unter der Leitung des wissenschaftlichen Chefberaters des Vereinigten Königreichs teil. Dieser erklärte, warum das Vereinigte Königreich Notfallmaßnahmen ergreifen muss, die einem Kriegsszenario gleichkommen. Insgesamt waren 1.200 geladene Gäste anwesend. Ein 45-minütiger Dokumentarfilm über das Ereignis befindet sich in Produktion.

Eröffnungsworte von Mike Berners-Lee, Professor für Nachhaltigkeit / Lancaster University und Vorsitzender der Sitzung: „Um die Ursachen der schwersten Krise zu verstehen, die unsere Spezies jemals treffen wird, brauchen wir Menschen. Wir müssen ihnen vertrauen, denn sie sagen uns die Wahrheit … Die Informationen, die wir uns heute ansehen werden, sind extrem ernst, dringend und betreffen uns alle hier im Vereinigten Königreich. Deshalb nennen wir dies ein National Emergency Briefing … In den Worten von James Baldwin: ‚Nichts kann verändert werden, solange man sich dem nicht stellt.‘ Die COP30 endete kürzlich ohne jeden Fortschritt in Bezug auf die Emissionen fossiler Brennstoffe. Der Begriff ‚fossile Brennstoffe‘ wurde sogar aus den Verhandlungsprotokollen gestrichen. Wir müssen dringend die Erzählung über den Klimawandel neugestalten und mit Desinformation aufräumen.“

Die Originalaufzeichnung der Veranstaltung vom 27. November hat eine Länge von 3:05 Stunden. Hier genügt eine Auswahl von Auszügen der ersten fünf Redner:innen, um die Brisanz des Themas zu unterstreichen, das Anlass für diese Dringlichkeitssitzung war. Diese Auszüge sind eine Kombination aus direkten Zitaten und Zusammenfassungen von Aussagen.

Auszüge der ersten vier Referierenden

Chris Packham, britischer Naturforscher: „Wir sind die einzigen bekannten Lebensformen im Universum, und wir haben keinen anderen Ort. Auf diesem kleinen blauen Planeten werden wir entweder im Einklang mit der Natur leben oder uns selbst und viele andere Lebensformen zerstören … Warum ziehen wir uns ausgerechnet jetzt zurück, wo wir die größten Krisen der Menschheitsgeschichte angehen müssten, die jemals unsere Spezies bedroht haben: Klimawandel und Verlust der Biodiversität?… Klimaleugnung ist wieder Mainstream geworden, dank der gut geölten Maschinerie der reichen, mächtigen und einflussreichen Lobbyisten der fossilen Brennstoffindustrie und anderen Branchen. Eine gefährliche Welle von Fehlinformationen und Lügen durchzieht unser Leben. Doch schlimmer noch: Sie durchdringt das Leben unserer Entscheidungsträger:innen – der Menschen, die unsere Politik gestalten. So sagten beispielsweise die Erdölstaaten „Nein“ und blockierten damit die COP30 aufgrund der absurden Konsensklausel, die es der Ölindustrie erlaubt, „Nein“ zu sagen und jegliche Bewegung gegen CO₂-Emissionen zu torpedieren. Unternehmen der fossilen Brennstoffindustrie gehören zu den größten Geldgebern unserer Politiker:innen – insbesondere der eher skrupellosen. Und die Medien versäumen es, der Öffentlichkeit „den Ernst der Lage“ zu vermitteln. Wir müssen auf die Wissenschaft hören… wenn Politiker:innen die Wissenschaft ignorieren, sind Milliarden von Menschenleben in Gefahr. Die Politiker:innen, die heute hier anwesend sind, müssen den Wissenschaftler:innen zuhören und entsprechend handeln.

Nathalie Seddon, Professorin für Biodiversität / Oxford Martin School: Die Natur ist nicht einfach nur etwas Schönes. Sie ist kein Luxus. Sie ist eine wichtige nationale Infrastruktur. Wenn wir sie zerstören und schädigen, setzen wir dieses Land steigenden Risiken aus, wie etwa Überschwemmungen, Bränden, Hitzewellen, Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität. Wenn wir die Natur schützen und wiederherstellen, können wir Widerstandsfähigkeit aufbauen. Die Lebewesen, die unser gesamtes Lebenssystem stützen, gehen zugrunde. Wir stehen vor einer nationalen Notlage, nicht nur weil sich das Klima verändert, sondern auch weil die Lebenssysteme, die dieses Klima regulieren, unsere Häuser schützen und unsere Bevölkerung ernähren, hier in UK, einem der naturärmsten Länder der Erde, zusammenbrechen. Die Fakten sind ernüchternd. Nur etwa die Hälfte der ursprünglichen Biodiversität ist in Großbritannien noch erhalten. Lediglich 14 % der Flüsse in England befinden sich in einem guten ökologischen Zustand. Grund dafür sind chemische Verschmutzung, Abwassereinleitungen und Erosion sowie landwirtschaftliche Abflüsse, die die Lebensadern der Landschaft verstopfen. Wenn Flüsse versagen, schwindet auch die Widerstandsfähigkeit gegenüber Dürren usw. Nur 7 % unserer Wälder sind gesund, nur 3 % unserer Flächen und 8 % unserer Gewässer sind wirksam geschützt. Über 5 Millionen Grundstücke in England sind von Überschwemmungen bedroht. Auch weitere nationale Probleme der Zerstörung, des Missbrauchs und der Ausbeutung von Natur werden von Seddon gekonnt dargelegt. Die Rede zeigt dabei geschickt auf, wie gesellschaftliche und politische Fehlentscheidungen zu diesen Problemen beitragen – und sie leitet daraus die Notwendigkeit ab, einer öffentlichen Meinung zu folgen, die sich deutlich dafür ausspricht, die Natur zu schützen und öffentliche Gelder von unbeabsichtigt schädlichen Projekten hin zu Maßnahmen umzulenken, die die Natur im Rahmen einer naturbejahenden staatlichen Politikausrichtung stärken.

Kevin Anderson, Tyndall Centre for Climate Change: „Lassen Sie mich zunächst das Problem so darstellen, wie ich sie sehe. Und zwar steigt die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre in einem noch nie dagewesenen Tempo… In den letzten 800.000 Jahren schwankte der CO₂-Gehalt um 100 ppm, in den letzten 10.000 Jahren jedoch nur um 20 ppm, was der Zivilisation ein sehr stabiles Klima bescherte. Nun haben wir in einem kurzen geologischen Augenblick seit 1850 einen Anstieg von 280 auf 424 ppm (oder +134 ppm in weniger als 200 Jahren) verursacht und damit 9.800 Jahre eines perfekten Klimasystems, das weder zu heiß noch zu kalt war, begraben. Das ist nun vorbei. Deshalb müssen wir fossile Brennstoffe nicht nur reduzieren, sondern ganz abschaffen – sonst werden die Temperaturen weiter steigen. Derzeit steuern wir auf 2 °C bis Mitte dieses Jahrhunderts und auf 3–4 °C im Jahr 2100 zu. Wir stehen vor einem systemischen Zusammenbruch der Volkswirtschaften innerhalb eines zusammenbrechenden Klimasystems. 1,5 °C sind aufgrund des Scheiterns der Emissionsreduzierung kein realistisches Ziel mehr, was eine sehr deprimierende Erkenntnis ist. Es gibt vielmehr neue Hinweise darauf, dass wir uns viel schneller erwärmen als von der Wissenschaft erwartet, was die Dringlichkeit, jetzt Maßnahmen zu ergreifen, noch verstärkt.

Die Welt muss ihre CO₂-Emissionen um 13 % pro Jahr senken, um die Temperaturerhöhung auf 2 °C zu begrenzen. Dazu brauchen wir einen tiefgreifenden Wandel unserer gesellschaftlichen Normen – Kohlenstoffabscheidung und -speicherung können sie vergessen. Nach 30 Jahren in denen immer wieder versprochen wurde, diese Aufgabe zu bewältigen, ist es laut dem Carbon Capture and Storage Institute nur gelungen, weniger als 0,03 % aller Emissionen aus fossilen Brennstoffen zu speichern – und das nachdem 30 Jahre lang Versprechungen seitens der Anhänger:innen der „Verzögerungstechnologie” (etwa der Öl- und Gasindustrie) gemacht wurden. Es sind dies Scheinlösungen, die darauf abzielen, wirksame Gesetze zur Emissionsreduzierung zu umgehen. Zeitgemäße Technologien sind erforderlich, wie z. B. die Sanierung von Wohnhäusern, mehr öffentliche Verkehrsmittel, Ladestationen für Elektrofahrzeuge und CO₂-freier Strom.

Für konventionelle Lösungen ist es jetzt zu spät. Es gibt keine Alternative zu einem revolutionären Wandel, und die wohlhabende Oberschicht muss ihren übermäßigen Ressourcenverbrauch einstellen. Bemerkenswert ist, dass die obersten 1 % der Bevölkerung mit hohen Einkommen und hohem Emissionsausstoß doppelt so viele Emissionen verursachen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Diese Statistik unterstreicht die Notwendigkeit eines revolutionären Wandels. Mit anderen Worten: Die obersten 1 % verursachen doppelt so viele Treibhausgasemissionen wie 4 Milliarden Menschen.

Laut dem Oxfam-Bericht „Richest 1% Use Their Entire Annual Carbon Limit in Just 10 Days“ vom 10. Januar 2025 (nicht von Anderson bereitgestellt, sondern ein Faktencheck seiner zentralen Aussage; das Stockholmer Umweltinstitut war ebenfalls an der Oxfam-Studie beteiligt, und mehrere andere unabhängige Studien zeigen Variationen der Oxfam-Studie; alle sind im Prinzip ähnlich, einige zeigen weniger, manche mehr, aber alle zeigen eine enorme Ungleichheit bei der Kohlenstoffverschmutzung in Abhängigkeit vom Klassenstatus): „Die reichsten 1% sind für mehr als doppelt so viel Kohlenstoffverschmutzung verantwortlich wie die Hälfte der Menschheit – mit verheerenden Folgen… Um das 1,5 °C-Ziel zu erreichen, muss das reichste 1% seine Emissionen bis 2030 um 97 % reduzieren… Die Regierungen müssen aufhören, sich den Reichsten anzubiedern. Reiche Umweltverschmutzer:innen müssen für die Verwüstung, die sie auf unserem Planeten anrichten, zur Kasse gebeten werden… Besteuert sie, begrenzt ihre Emissionen und verbietet ihre übermäßigen Luxusgüter – Privatjets, Superyachten und dergleichen. Politiker:innen, die nicht handeln, machen sich faktisch mitschuldig an einer Krise, die das Leben von Milliarden Menschen bedroht.“

Kevin Anderson (Fortsetzung): Wir brauchen dringend Gesetze, um den Energieverbrauch der reichsten 1 % zu senken. Und ich würde argumentieren, dass die zweite Voraussetzung des Pariser Abkommens eine faire und tiefgreifende Reduzierung des Energieverbrauchs ist. Dies würde zu sofortigen und substanziellen Emissionssenkungen führen; es verschafft uns entscheidende Zeit, um sehr wichtige CO₂-neutrale Technologien einzuführen und es setzt Arbeitskräfte, Materialien, Finanzmittel und sogar politisches Kapital frei, die wir für die Energiewende benötigen… bezahlbare, CO₂-arme Wohnungen, ein hochwertiger öffentlicher Nahverkehr usw. Wir müssen die Ressourcen und Arbeitskräfte, die den privaten Luxus für einige wenige (wie auch für mich und für viele hier unter uns) ermöglichen, dem Gemeinwohl aller zugutekommen lassen.

Tim Lenton, Global Systems Institute der Universität Exeter – Kipppunkte: „Wenn wir den aktuellen Kurs mit einem Anstieg um drei oder vielleicht vier Grad Celsius fortsetzen, werden wir uns definitiv in einem nationalen Notstand befinden. Wir werden wahrscheinlich an einem Kippunkte angelangt sein, wo das Klima dieses Land zu einem ganz anderen, unbewohnbaren Ort machen wird. Es gibt zahlreiche Anzeichen dafür, dass wir auf mehrere Kipppunkte zusteuern, die miteinander interagieren und weitreichende Klimastörungen verursachen. Wir haben bereits einen Wendepunkt überschritten, was die Korallenriffe der Welt betrifft, die die Lebensgrundlage von einer halben Milliarde Menschen sichern und Küsten vor steigenden Meeresspiegeln und Sturmfluten schützen.

Ein unmittelbar bevorstehendes Beispiel für den gefährlichsten Kipppunkt ist die AMOC (Atlantic Meridional Overturning Circulation), die bereits Anzeichen einer Verlangsamung zeigt. Paläoklimatologische Forschungen zeigen uns, dass die AMOC während der letzten Eiszeit mehrmals aktiv und inaktiv war.

Wenn die tiefenwasserbildenden Strömungen der AMOC zusammenbrechen, zeigt ein modernes wissenschaftliches Modell bei 2 °C globaler Erwärmung, welche Auswirkungen dies auf die Winterklimaextreme über Jahrzehnte haben wird. Es macht deutlich, dass wir bei der Überschreitung dieses Kipppunkts die beständige Zirkulation warmen tropischen Wassers in den Nordatlantik verlieren – jene Strömung, die Europa bislang erwärmt hat.

Hier die theoretischen Folgen eines Verlusts der AMOC aufgrund einer Erwärmung um 2 °C:

  1. Das arktische Meereis erholt sich bemerkenswert und bedeckt im Februar jedes Winters fast die gesamte Nordsee.
  2. In London herrschen minus 20 °C mit drei Monaten Frost im Jahr.
  3. In Edinburgh herrschen minus 30 °C mit fünfeinhalb Monaten Frost pro Jahr.
  4. Die Sommer werden jedoch aufgrund einer um 2 °C wärmeren Welt immer noch heißer sein als heute, deutlich über den heutigen 1,4–1,5 °C.
  5. Großbritannien wird nahezu vollständig von Lebensmittelimporten abhängig sein und unter Trinkwassermangel leiden.
  6. Weltweit werden die Anbaugebiete für Grundnahrungsmittel um 50 % zurückgehen.

Abschließend sei gesagt, dass eine radikale Beschleunigung der Maßnahmen zur Erreichung der Null-Emissions-Ziele erforderlich ist. Und der einzige Weg, uns von der Glaubwürdigkeit dieser Maßnahmen zu überzeugen, besteht darin, positive Wendepunkte aufzuzeigen, die durch den Übergang von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien bereits erreicht wurden, sowie die sich selbst verstärkende Wirkung dieser Methoden deutlich zu machen. Dies ist uns in Großbritannien auch schon gelungen, allerdings nur im Energiesektor. Im Jahr 2012, dem Höhepunkt der Emissionen, stammten 40 % des britischen Stroms aus Steinkohle. Heute ist die Stromerzeugung kohlefrei. Dies wurde durch ein Klimaschutzgesetz erreicht, das auf einem parteiübergreifenden Konsens beruhte und vorsah, schrittweise einen Mindestpreis für Kohlenstoff festzulegen – zunächst nur für den Stromsektor. Dieser Mindestpreis wurde schrittweise erhöht, sodass er stark genug war, um den Umstieg auf erneuerbare Energien anzuregen, was aufgrund wachsender Skaleneffekte zu einem Kipppunkt von geringeren Kosten und höherer Effizienz führte. Letztendlich sind jedoch globale Vorgaben erforderlich, um fossile Brennstoffe so schnell wie möglich zu ersetzen.“

Die vollständige Sitzung „UK National Emergency Briefing“ (3:05 Uhr) ist auf YouTube verfügbar:

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!