Und nun, im 21. Jahrhundert, scheinen unsere neuen (und älteren) Rock- und Popstars nicht mehr in der Lage zu sein, dieselbe „Energie“ zu vermitteln wie zu Beginn als das Medium noch neu war.Ich bin seit langem der Meinung, dass unsere moderne, weitgehend säkularisierte westliche Zivilisation – trotz unserer kollektiven Ablehnung einer traditionellen religiösen Vermittlung zu heiligen/tiefgründigen Sphären (über Priester:innen, Rabbiner:innen, Swamis/Swaminis usw.) – unbewusst ihr tiefes instinktives Bedürfnis, mit der transzendentalen Sphäre in Verbindung zu treten, auf spezifische Arten von Rockstars umgelenkt hat. Ohne es zu merken, haben wir versucht, eine Art „Erlösung“ durch diese De-facto-Schaman:innen der Moderne zu erlangen.

Man könnte argumentieren, dass dies bei Filmstars und anderen modernen Erscheinungen des „Celebrity-Kults“ allgemein der Fall ist – dass auch sie als Ersatzfiguren für die heute gemiedenen klerikalen Idole der Vormoderne fungieren. Ich würde sagen, dass dies zwar teilweise zutrifft, aber bei Weitem nicht in dem Ausmaß, in welchem seit über 60 Jahren bestimmte Rockstars sich quasi-religiöse und schamanische Qualitäten in ihren Präsentationen und predigtähnlichen Events und Shows zunutze machen … „Geliebte Brüder und Schwestern, wir sind heute hier versammelt … usw.“

Die Erscheinungsbilder eines Little Richard oder eines David Bowie scheinen die Grenzen von Geschlecht und Sexualität zu überschreiten. Diese Figuren verraten eine scheinbare Nähe zum Wahnsinn durch ihre farbenfrohen, prunkvollen Kostüme, die oft von Formen aus der Tierwelt inspiriert sind. Hinzu kommt die lockere Haltung gegenüber dem Konsum bewusstseinsverändernder Substanzen. All dies sind Eigenschaften, Merkmale und Methoden, die unter Schaman:innen seit Jahrhunderten weit verbreitet sind.

Diese modernen Musik-Ikonen waren in vielerlei Hinsicht tatsächlich wirksame Vorbilder. Sie erfüllten sicherlich eine kathartische Funktion, indem sie bestimmte kulturelle Spannungen im Zusammenhang mit sexuellen Hemmungen, unnötig starren Geschlechterkonzepten und Tendenzen zur Selbstzensur gelockert haben. Andererseits haben sie weder behauptet noch tatsächlich den Anspruch erhoben, ihren Anhänger:innen als probate Wegweiser zur individuellen Transzendenz zu dienen. In diesem Sinne fungierten sie eher als scheinbar zuverlässige Lückenfüller, die einen Teil der spirituellen Leere ausfüllten, die durch das Fehlen von Schaman:innen in unserer modernen Kultur entstanden ist.

Ich behaupte nicht, der Erste zu sein, der auf diese grundlegende Idee hinweist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Camille Paglia oder eine ähnliche Person diesen Gedanken bereits angesprochen hat. Was ich (möglicherweise) zur Diskussion beitragen möchte, ist die Überzeugung, dass diese Tendenz nicht einfach eine weitere Form nostalgischer Nachahmung ist, die sich an der einen oder anderen sterbenden kulturellen Epoche oder mythischen Form orientiert. Es gibt in unserer Spezies eine Grundintention, die im Kern der Motor der Geschichte selbst ist. Diese Intension besteht darin, die scheinbare Grenze des Todes zu überschreiten, das vermeintlich „Gegebene“ unserer individuellen und kollektiven Sterblichkeit zu transzendieren.

Und nun, im 21. Jahrhundert, scheinen unsere neuen (und älteren) Rock- und Popstars nicht mehr in der Lage zu sein, dieselbe „Energie“ zu vermitteln wie zu Beginn als das Medium noch neu war. Also stellt sich die Frage: Welche Formen, welche Bildwelten werden entstehen, die uns in einem vergleichbaren Maß motivieren können, die Bedeutungslosigkeit, die Entmenschlichung, die sich ausbreitenden Kriege und die Gewalt zu überwinden, die in den letzten Jahrzehnten so stark um sich gegriffen haben? Denn es ist unmöglich, den transzendentalen Impuls in unserer Spezies zu ignorieren und/oder zu unterdrücken. Die Wissenschaft ist ein wunderbares Gebiet, aber sie kann und wird niemals als Ersatz für eine schamanische Welt dienen.

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!