Deutschland kündigt „Cyber- und Sicherheitspakt“ mit Israel an, der Zusammenarbeit in der „Cyberabwehr“ und eine engere Geheimdienstkooperation umfassen soll. Zugleich wird über weitere schwere Kriegsverbrechen der IDF berichtet.

Deutschland weitet seine Militär-, Cyber- und Geheimdienstkooperation mit Israel aus. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hat am Wochenende einen „Cyber- und Sicherheitspakt“ mit dem Land angekündigt, der unter anderem eine Zusammenarbeit in der „Cyberabwehr“ und in der Bekämpfung von Drohnen sowie eine Intensivierung der Geheimdienstkooperation umfassen soll. Israels Fähigkeiten auf dem Feld der Cyberkriegsführung gelten als herausragend; sie umfassten bereits vor gut 15 Jahren aufsehenerregende Cybersabotage gegen das iranische Nuklearprogramm und beziehen heute ausgefeilte Fähigkeiten in der Steuerung militärischer Operationen mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) ein, die im Iran-Krieg erstmals im großen Stil getestet wurden. Berlin kann mit dem Ausbau der Zusammenarbeit an die alte intensive Kooperation der Bundeswehr mit den Israel Defense Forces (IDF) anknüpfen, außerdem an eine enge Rüstungskooperation. Das enge Repressions- und Militärbündnis entwickelt sich zu einem Zeitpunkt, zu dem neue Vorwürfe wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen gegen die IDF bekannt werden. Es wirft ein Schlaglicht auf die harte deutsche Repression gegenüber Unterstützern der Palästinenser.

„Unglaublich eng“

Mit seinen Planungen für eine enge Kooperation in der Cyberkriegsführung kann Berlin an die alte Tradition einer intensiven Zusammenarbeit zwischen der Bundeswehr und den Israel Defense Forces (IDF) anknüpfen. Nach ersten Anfängen in den 1950er Jahren wurde diese Kooperation zunächst in den 1980er, dann aber vor allem in den 1990er Jahren ausgebaut.[1] Ziel war es dabei, die Einsatzerfahrungen der israelischen Streitkräfte für den angestrebten Umbau der Bundeswehr zur global operierenden Interventionstruppe zu nutzen; dazu wurden deutsche Soldaten in Israel unter anderem im „Häuser- und Tunnelkampf“ ausgebildet. Die Bundeswehr stuft ihre Kooperation mit den IDF wörtlich als „unglaublich eng“ ein.[2] Hinzu kommt, dass auch die Rüstungsindustrien beider Länder zunehmend kooperieren. So leaste die Bundeswehr ihre ersten Drohnen vom Typ Heron 1, die sie ab 2010 in Afghanistan einsetzte, bei einem Konsortium aus dem Unternehmen IAI (Israel Aerospace Industries) und dem Rheinmetall-Konzern.[3] Im Jahr 2022 kam die Entscheidung hinzu, für den Aufbau des geplanten europäischen Flugabwehrschirms (European Sky Shield Initiative, ESSI) die israelischen Abwehrraketen Arrow 3 zu beschaffen.[4] Als Vorbild für ESSI wurde zuweilen Israels Raketenabwehrsystem Iron Dome genannt.

Kriegsführung mit KI

Mit ihren neuen Plänen für einen „Cyber Dome“ sucht die Bundesregierung nun von Israels Fähigkeiten in der Cyberkriegsführung zu profitieren. Diese gelten als weltweit herausragend. Bekannt ist die Unit 8200, eine Einheit der IDF, die dem militärischen Nachrichtendienst Aman untergeordnet und auf elektronische Aufklärung wie auch auf Cyberoperationen aller Art spezialisiert ist. Die Unit 8200 ist eng mit der israelischen Cyberindustrie verknüpft, nicht zuletzt deshalb, weil ihre Mitglieder nach Abschluss ihres Dienstes nicht selten in private Unternehmen der Branche wechseln. Sie ist übereinstimmenden Berichten zufolge in unterschiedlichste Operationen von der Überwachung von Personen bis zur Begleitung von Kriegshandlungen involviert und in Kriegszeiten eng in das militärische IDF-Hauptquartier integriert. Im vergangenen Jahr bestätigte einer ihrer Kommandeure, die Unit 8200 greife bei der Auswahl menschlicher Angriffsziele im Gaza-Krieg, die anschließend von Einheiten der IDF angegriffen würden, auf Künstliche Intelligenz (KI) zurück.[5] KI hat auf israelischer Seite auch im Krieg gegen Iran eine sehr wichtige Rolle gespielt (german-foreign-policy.com berichtete [6]). Bekanntheit hat nicht zuletzt Stuxnet erlangt, ein Computervirus, das vor 15 Jahren genutzt wurde, um Irans Nuklearprogramm zu sabotieren.[7]

Sicherheitspakt mit Israel

Um an die israelischen Fähigkeiten anzudocken, hat Bundesinnenminister Alexander Dobrindt am Wochenende bei einem Besuch in Israel einen „Cyber- und Sicherheitspakt“ mit dem Land angekündigt und dafür „fünf Punkte“ benannt, bei denen die Zusammenarbeit konkret ausgebaut werden soll. Dabei geht es erstens um eine engere „Zusammenarbeit in der Cyberabwehr“; Israel hat darin im Rahmen seiner Konflikte mit anderen Staaten des Nahen und Mittleren Ostens umfangreiche Erfahrungen gesammelt. Nicht erwähnt wird, ob auch die israelischen Offensivfähigkeiten Gegenstand der Kooperation sind; immerhin umfassten sie etwa das Auslösen der Explosion mit Sprengstoff präparierter Pager im Libanon – zivile Geräte, deren Verminen völkerrechtlich geächtet ist.[8] Zudem soll ein „Zentrum für deutsch-israelische Cyberforschung“ errichtet werden. Drittens gehe es um die Stärkung deutscher Fähigkeiten in der Drohnenabwehr; viertens sollten „der Bevölkerungsschutz und das Warnsystem“ für die deutsche Bevölkerung im Kriegsfall verbessert werden. Außerdem sieht der „Fünf-Punkte-Plan“ eine engere „Zusammenarbeit der Nachrichtendienste … und der Sicherheitsbehörden“ vor; explizit genannt werden der BND und der Mossad. Laut Dobrindt soll mit dem Vorhaben („Cyber Dome“) nicht bloß die „militärische“, sondern „die Gesamtverteidigungsfähigkeit“ gesteigert werden.[9]

„Ein killing field“

Die Bekanntgabe der Pläne für den „Cyber Dome“ erfolgt kurz nach der Veröffentlichung eines Berichts über mutmaßlich erneute schwere Kriegsverbrechen der IDF im Gaza-Krieg. Demnach haben israelische Soldaten seit der Eröffnung der international massiv kritisierten US-Verteilzentren für humanitäre Hilfsgüter vor und nach der Ausgabezeit bei den Zentren gezielt Schüsse auf ankommende sowie wartende Personen abgegeben – mit der Begründung, man müsse die Menge zerstreuen. Laut Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza, die gewöhnlich als zuverlässig eingestuft werden, kamen seit Ende Mai unweit der Verteilzentren 549 Menschen zu Tode; mehr als 4.000 wurden teils schwer verletzt.[10] Die Tageszeitung Haaretz zitiert einen nahe den Verteilzentren eingesetzten Soldaten mit der Äußerung: „Das ist ein killing field“. An seinem Einsatzort seien „jeden Tag zwischen einer und fünf Personen umgebracht worden“; man habe keine der üblichen Sicherheitsmaßnahmen zur Kontrolle großer Menschenmengen ergriffen – etwa den Einsatz von Tränengas –, sondern mit allen nur vorstellbaren Waffen geschossen: „schwere Maschinengewehre, Granatwerfer, Mörser“. Für die Soldaten habe keinerlei Gefahr bestanden: „Ich kann mich nicht an einen einzigen Fall erinnern, in dem das Feuer erwidert wurde.“[11] Es habe dort „keinen Feind“ gegeben, „keine Waffen“.

Im Schulterschluss

Berlin schweigt wie auch sonst dazu. Die bevorstehende Ergänzung der ohnehin intensiven Militär- und Rüstungskooperation um eine neue Cyberkriegs- und Geheimdienstkomponente läuft auf ein umfassendes deutsch-israelisches Repressions- und Militärbündnis hinaus, das einen ungemein engen Schulterschluss voraussetzt und ernsthafte Kritik an der anderen Seite nicht zulässt. Zugleich lässt die Anbahnung eines derartigen Bündnisses erahnen, wieso die Bundesregierung mit beispielloser Repression nicht nur gegen jegliche Unterstützung für palästinensische Anliegen, sondern auch gegen jegliche Kritik an der Politik der israelischen Regierung vorgeht (german-foreign-policy.com berichtete [12]).

 

[1] S. dazu „Im nationalen Interesse Deutschlands“ (III).

[2] „Ich möchte mit keinem tauschen“. bundeswehr.de 21.10.2021.

[3] S. dazu Die Ära der Drohnen (I).

[4] S. dazu Auf Kosten Frankreichs.

[5] What is Israel’s secretive cyber warfare unit 8200? reuters.com 18.09.2024.

[6] S. dazu Krieg als Schlacht zwischen Industrien.

[7] S. dazu Die Handlungsfreiheit des Westens.

[8] S. dazu Deutsche Dilemmata.

[9] Filipp Piatov, Eyal Warshavsky: Dobrindt will „Cyber Dome” für Deutschland. bild.de 29.06.2025.

[10], [11] Nir Hasson, Yaniv Kubovich, Bar Peleg: ‘It’s a Killing Field’: IDF Soldiers Ordered to Shoot Deliberately at Unarmed Gazans Waiting for Humanitarian Aid. haaretz.com 27.06.2025.

[12] S. dazu „Aus dem Drehbuch der extremen Rechten“.

Der Originalartikel kann hier besucht werden