Nachdem die EU den Integrationsprozess mit Georgien bereits vor Monaten gestoppt hatte, entschied sich nun auch die georgische Seite dazu, die Gespräche über den Beitritt zur EU auszusetzen.

Von Alex Männer

Die einstige Vorzeige-Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Georgien, die der kleinen südkaukasischen Republik unter anderem das Assoziierungsabkommen mit der EU und damit eine Perspektive auf eine Mitgliedschaft in dieser Staatengemeinschaft bescherte, scheint einen weiteren Tiefpunkt erreicht zu haben.

Denn nachdem Brüssel den politischen Dialog mit Tiflis wegen der Annahme des „Verbots von LGBT-Propaganda“ durch das georgische Parlament sowie der neuen Gesetze über „ausländische Agenten“ eingeschränkt und auch den besagten Integrationsprozess auf Eis gelegt hatte, reagierte nun auch Georgien spiegelbildlich und suspendierte seinerseits die Beitrittsgespräche mit der EU.

So kündigte der georgische Ministerpräsident Irakli Kobachidse am vergangenen Donnerstag an, die Aufnahme von Verhandlungen über den Beitritt seines Landes zur EU bis 2028 von der Tagesordnung zu streichen und keine EU-Zuschüsse für die Regierung zu erhalten. Er begründete diese Entscheidung damit, dass diese Angelegenheit als Instrument zur Erpressung Georgiens ausgenutzt werde, so wie es auch bei der Gewährung des EU-Kandidatenstatus für das Land geschehen sei.

Gleichzeitig machte Kobachidse jedoch klar, dass die Integration des Landes in die EU fortgesetzt werde, weshalb die georgische Seite ihre bestehenden Verpflichtungen aus dem Assoziationsabkommen erfüllen werde, Bis Ende 2028 will man daher wirtschaftlich ausreichend dafür vorbereitet sein, um die Verhandlungen über die Aufnahme Georgiens in die EU ab 2030 aufzunehmen.

EU setzt Georgien unter Druck

Dabei betonte der georgische Regierungschef erneut, dass sein Land in den Beziehungen zu Europa als gleicher Partner behandelt werden will. Zuvor hatte die georgische Seite in diesem Zusammenhang wiederholt kritisiert, dass mehrere EU-Staaten das Ergebnis der vergangenen Parlamentswahlen in Georgien und damit den Willen des georgischen Volkes – aus politischen Motiven – nicht akzeptieren wollen und stattdessen damit drohen, sich gegen einen EU-Beitritt Georgiens auszusprechen, falls es seine jüngste Gesetzgebung nicht zurückziehe.

In der Tat haben Deutschland, Frankreich und Polen zuletzt erneut klargemacht, dass die Kaukasusrepublik „durch die Rücknahme der jüngsten Gesetzgebung, die gegen europäische Werte und Prinzipien verstößt“ ihre Entschlossenheit zu Reformen belegen müsse. Außerdem fordern sie eine Untersuchung wegen der vermeintlichen „zahlreichen Unregelmäßigkeiten“ während der georgischen Parlamentswahlen im Oktober, bei denen die Regierungspartei Georgischer Traum die Mehrheit im Parlament erlangte. In Anbetracht dessen weigern sich die georgischen Oppositionsparteien, das Ergebnis der Wahlen anzuerkennen.

Die georgische Führung entgegnet dem, dass die Opposition keinerlei Belege liefern könne, um ihre Vorwürfe zu stützen. Angesichts des Drucks aus Europa und den USA rechtfertigt man seine Politik damit, dass die Mehrheit der Bevölkerung im Land die konservativen Werte teilt und die im Westen umstrittenen Reformen begrüßen würden.

Proteste der Opposition gehen weiter

Ungeachtet dessen finden in Tiflis bereits seit Wochen Proteste der Oppositionskräfte statt, die durch die Suspendierung der EU-Beitrittsverhandlungen durch die Regierung nur noch mehr angeheizt wurden. Protestaktionen mit Hunderten Teilnehmern wurden zudem aus den großen Städten Batumi, Kutaissi und Gori gemeldet.

Laut georgischen Behördenangaben kam es in der Nacht auf Freitag zu mehreren Zusammenstößen mit Sicherheitskräften, bei denen 43 Menschen „wegen Missachtung polizeilicher Anordnungen“ und Vandalismus festgenommen und 32 Beamte verletzt wurden. Zudem gab es auch unter den Demonstranten Verletzte, heißt es.

Das georgische Innenministerium bezeichnete das Vorgehen der Opposition als Provokation und forderte sie in einer Erklärung dazu auf, sich an die Gesetze zu halten. Dennoch scheinen sich die Ausschreitungen weiter fortzusetzen. Am Freitag haben sich wieder Tausende Demonstranten vor dem Parlamentsgebäude in Tiflis versammelt, um ihren Unmut über die Regierung kundzutun. Das georgische Parlament hat als Reaktion darauf bereits die höchste Gefahrenstufe ausgerufen, berichten Medien.

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