Beate Hausbichler und Noura Maan haben sich als Herausgeberinen zusammen mit 15 weiteren Autorinnen zusammengetan, um das Bild von 28 vorverurteilten, skandalisierten, verleumdeten Frauen geradezurücken, das in der Öffentlichkeit völlig verzerrt ist.

An sich eine richtig großartige Idee, kommt natürlich darauf an, wie diese umgesetzt ist. Dabei beschränken sich Herausgeberin und Autorinnen nicht nur auf lebende Frauen, sondern auch ein paar wenige historische Persönlichkeiten wie Marie Antoinette und Pocahontas wurden eingestreut, um dem ganzen mehr Spannung und Biss zu geben.

Bei so einem Werk kann man ja zweierlei kritisieren. Zuerst einmal die Auswahl der abgebildeten, falsch dargestellten Frauen. Die hat mir eigentlich recht gut gefallen, es beginnt mit Pamela Anderson, von der ich beispielsweise nicht wusste, wie übel ihr mitgespielt wurde, als das private Sextape aus dem Safe der Villa von Tommy Lee gestohlen wurde. Einige missverstandene Frauen wie Paris Hilton und Britney Spears haben sich ja nun endlich auch von ihrer Vergangenheit emanzipiert und die wahren Täter angeklagt, was aufmerksamen Social-Media LeserInnen sicher nicht entgangen ist. Insbesondere Sunnyboy Justin Timberlake kommt weder in der Geschichte von Britney noch bei Janet Jacksons Nipplegate gut weg, denn er übernahm nie die Verantwortung, schubste die Frauen, die seine Karriere förderten, auch noch unter den Bus.

Die Mär von der Goldgräberin und Beatles-Zerstörerin Yoko Ono habe ich sowieso schon seit zehn Jahren nicht mehr geglaubt, als ich erstmals in meiner Heimatstadt eine Ausstellung zu ihrer Kunst sah und vor Augen geführt bekam, welches grandiose Talent diese Künstlerin innehat. Die weiteren Geschichten aus Großbritannien von Sinead O´Connor, Camilla Parker Bowles und Meghan Markle waren ebenso interessant wie jene der deutschsprachigen Vertreterinnen. Hier wird das Bild von Tic Tac Toe, Romy Schneider, Gina Lisa Lohfink, Natascha Kampusch und Bettina Wulf geradegerückt.

Mit der US-Glamourwelt und der falschen Einschätzung von Frauen jenseits des Teichs beschäftigen sich die Stories von Mariah Carrey, Mia Farrow, Sharon Stone, Whitney Huston, Monica Lewinsky, Courtney Love, Anna Nicole Smith, Taylor Swift und Serena Williams. Hier werden die Images von einigen Stars ordentlich korrigiert.

Eines haben viele Geschichten gemeinsam. Fehler von Männern werden den Frauen angelastet, gemeinsame Fehler treffen Frauen viel härter, sie baden den Shitstorm aus. Man spricht ihnen ab, aus eigenem Talent ihre Karriere geschafft zu haben, verleumdet sie sogar als Goldgräberinnen, die sich den Ruhm des Mannes zunutze gemacht haben. Wenn Männer sich gegen das Establishment, Manager, die Branche oder die Mode auflehnen sind sie coole Regelbrecher, wenn Frauen nicht das dumme naive Mäuschen spielen, nicht überall mitmachen, nein sagen, ihre künstlerische oder persönliche Autonomie verteidigen und etwas zu Recht fordern, sind sie divenmäßig, schwierig und zickig. Sie können sich nie richtig verhalten und werden auch ständig öffentlich bewertet, ohne das man ihnen zuhört.

Also insgesamt war die Auswahl der dargestellten Personen und Geschichten für mich sehr zufriedenstellend, bis auf eine Ausnahme. Klar, dass in diesem Buch auch wieder ein Mann, Caster Semenya, dabei ist, der im Sport betrügt und vorgibt, eine Frau zu sein. Semenya hat nämlich die intersexuelle Ausprägung 46 XY DSD, das ist halt klar ein biologischer Mann, wie man am Y-Chromosom eindeutig sieht. Was im Sport, egal wie sich diese Person identifiziert, zu ungerechtfertigten Vorteilen gegenüber biologischen Frauen führt. Hier eine rührselige Geschichte zu basteln, wie unverstanden diese „Frau“ ist, ohne zu erwähnen, warum biologische Männer nicht in fairen Wettkampf mit biologischen Frauen, vor allem in Sportarten wie der Leichtathletik-Mittelstrecke, wo es auf Kraft, Größe, Schrittweite und Testosteron ankommt, treten können, ist mir als ehemalige Leichtathletin sehr sauer aufgestoßen.

Nun zum zweiten Beurteilungsaspekt: Der Darstellung der Geschichten. Die einzelnen Storys reißen das Leben und die aufgeputschten Skandale, die im Licht der Öffentlichkeit berichtigt werden müssen, nur an, so ungefähr zwischen vier bis sechs Seiten. Das war mir manchmal zu wenig. Sehr selten muss ich konstatieren, dass ich mir mehr Details und ein dickeres Buch gewünscht hätte, normalerweise plädiere ich für das Gegenteil. Wobei ich natürlich dann wieder meine eigene Kritik kritisieren muss, denn ich habe keine Ahnung, in welchem Ausmaß ich mir eine tiefere Beschäftigung mit den Biografien gewünscht hätte. Vielleicht war das ohnehin nur so eine Spinnerei von mir, ein Gefühl, dass hier eben, genau durch das Anreißen der Lebensgeschichten, Lust auf Biografien von einzelnen Frauen geweckt wird. Bei mir hat es gut funktioniert, die neue Bio von Pam Anderson interessiert mich tatsächlich.

Fazit: Lesenswert und sehr interessant, wer sich nicht mit einem Ohr auf Twitter oder in der Yellow Press herumtreibt, wird staunen, wie viele Geschichten von skandalisierten Frauen hier geradegerückt werden mussten. Auch alte No-Go-Personen müssen im Lichte der veränderten Tatsachen möglicherweise neu bewertet werden. Das ist wirklich sehr spannend.

Geradegerückt von Beate Hausbichler und Noura Maan (Hrsg.) ist im Verlag Kremayr und Scheriau als Hardcover erschienen. Nähere Infos zum Buch über einen Klick auf das Cover im Beitrag oder auf der Verlagsseite.

Rezension von 

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