Angesichts der katastrophalen Situation an der Front und in der ukrainischen Wirtschaft zeichnet sich im Westen in Bezug auf die weitere finanzielle Unterstützung der Ukraine eine Trendwende ab. Vor allem die Bereitschaft der Vereinigten Staaten, den Haushalt dieses osteuropäischen Krisenlandes mitzufinanzieren, ist in den vergangenen Monaten deutlich gesunken.
Von Alexander Männer
Dabei sorgen die inzwischen seit mehr als anderthalb Jahren in die Ukraine fließenden Finanzmittel, die hauptsächlich mit US-amerikanischen und europäischen Steuergeldern finanziert werden, in hohem Maße dafür, dass der ukrainische Staat unter anderem die Gehältern, Renten und sozialen Zahlungen an seine Bürger auszahlen kann.
Ohne die westliche Hilfe droht der Ukraine in diesem Jahr jedoch ein riesiges Haushaltsloch, das laut dem ukrainischen Finanzminister Sergej Marchenko 29 Milliarden US-Dollar betragen könnte. Darüber hatte der Minister schon im vergangenen November informiert, wobei er damals auch betonte, dass sein Land aufgrund des anhaltenden Krieges gegen Russland eigentlich eine finanzielle Unterstützung in Höhe von etwa 43 Milliarden Dollar benötigen würde.
Wie das Wall Street Journal dazu vor Kurzem berichtete, könnte das Defizit des ukrainischen Budgets mit etwa 40 Milliarden Dollar jedoch deutlich höher ausfallen als erwartet. Wobei die Führung in Kiew weiterhin davon ausgehe, dass die westlichen Staaten in dieser Angelegenheit 30 Milliarden bereitstellen würden. Dieses Geld sei notwendig, um Gehälter, Renten und Zuschüsse zu bezahlen, heißt es.
Allerdings haben sich weder Washington noch Brüssel bislang auf neue Hilfspakete für die Ukraine einigen können. Sollte die Unterstützung auch weiterhin ausbleiben, dann würde Kiew wahrscheinlich gezwungen sein, weitreichende wirtschaftliche Maßnahmen zu ergreifen, um in den kommenden Monaten ohne die westlichen Gelder auszukommen.
Diesbezüglich schreibt das Wall Street Journal, dass die aktuelle Phase für die Ukraine von entscheidender Bedeutung sei. So könnte das Land noch ein paar Monate gewinnen, indem es etwa die Auszahlung der Gehälter verzögert oder weitere Schulden aufnimmt. Falls die benötigten Gelder aus dem Westen am Ende aber trotzdem fehlen sollten, dann könnte die Ukraine dazu übergehen, mehr Geld zu drucken, so die Zeitung.
Die zusätzlichen Emissionen der ukrainischen Währung Griwna sind allerdings problematisch, denn diese Finanzmittel kommen ausschließlich für die Auszahlung von Gehältern und diversen anderen Haushaltsausgaben in Betracht. Die Kaufkraft der Griwna bleibt dagegen extrem niedrig, meinen Experten.
Außerdem bestehe die Gefahr, dass die Emissionen zu einer Hyperinflation führen und die Wirtschaft der Ukraine damit noch weiter in den Abgrund ziehen könnte. Zum einen, weil die ukrainische Bevölkerung mit einem weiteren großen Preisanstieg konfrontiert wäre. Und zum anderen, weil die Inflation das Land im weiteren Verlauf noch mehr von den (westlichen) Importen abhängig machen würde, die aber hauptsächlich in Dollar oder Euro, und nicht in der ukrainischen Währung, abgewickelt werden müssten.
Ungeachtet der Differenzen in den USA und Europa hofft die Kiewer Führung, dass die westlichen Hilfsgelder am Ende doch wieder in großem Umfang in die Ukraine fließen werden. Womöglich wird die Finanzierung an zusätzliche Bedingungen geknüpft werden und aufgrund der grassierenden Korruption im Land wird das Geld, das die Ukrainer erhalten, letztendlich auch stärker kontrolliert werden. Ebenso ist davon auszugehen, dass der Umfang der Hilfe deutlich reduziert wird, allerdings nicht so weit, dass der Ukraine ein Finanzkollaps drohen könnte.