Deutschland rüstet die Küstenwache der Philippinen mit Drohnen auf und bringt das Land damit noch stärker gegen China in Stellung, während die USA dort neue Militärstützpunkte errichten.

Die Bundesregierung sucht die Philippinen noch stärker als bisher gegen China in Stellung zu bringen und rüstet das Land mit Drohnen auf. Wie Bundesaußenministerin Annalena Baerbock am gestrigen Donnerstag bei einem Besuch in dem strategisch wichtigen Land ankündigte, wird Berlin der philippinischen Küstenwache zusätzlich zu den bereits zur Verfügung gestellten zwei Drohnen weitere liefern. Die Küstenwache ist aktiv an dem Konflikt mit der Volksrepublik um Inseln im Südchinesischen Meer beteiligt, der im vergangenen Jahr schärfer wurde; unter anderem kollidierten dabei Schiffe beider Staaten. Die USA haben sich im Herbst bereit erklärt, bei einer Eskalation des Konflikts dem Inselstaat auch militärisch zur Seite zu stehen. Sie haben ihre Tätigkeit dort erheblich verstärkt und es sich von Manila genehmigen lassen, Militärbasen auszubauen und zu nutzen – drei nahe Taiwan, eine nahe umstrittenen Inseln im Südchinesischen Meer. Baerbock warb gestern außerdem um philippinische Pflegekräfte. Etwa 2.500 sind bereits in Deutschland. Nach einer Umfrage fühlen sich 58 von ihnen in der Bundesrepublik „nicht willkommen“; nur 17 Prozent würden ihren Job weiterempfehlen.

Die Erste Inselkette

Die Philippinen besitzen im aktuellen Machtkampf des Westens gegen China erhebliche geostrategische Bedeutung. Sie sind Teil der sogenannten Ersten Inselkette, die von Japan über dessen südliche Inseln und Taiwan bis zu den Philippinen reicht und in einem weiten Bogen vor der chinesischen Küste liegt. Gelingt es dem Westen, die Erste Inselkette zu kontrollieren, dann kann er von dort aus ohne weiteres die Volksrepublik attackieren. Zudem erhöhen sich die Chancen deutlich, einerseits Chinas Marine vor der chinesischen Küste festzusetzen, andererseits China vom Seehandel und insbesondere von seiner Rohstoffzufuhr abzuschneiden. Japan kooperiert auch militärisch immer enger mit den Vereinigten Staaten und hat begonnen, seine südlichen Inseln stärker denn je zu militarisieren.[1] Die Inseln reichen fast bis Taiwan, das militärisch gleichfalls immer enger mit den USA kooperiert und seine Aufrüstung in hohem Tempo vorantreibt.[2] Auf Taiwan findet am morgigen Samstag die nächste Präsidentenwahl statt. Sollte der Kandidat der jetzigen Regierungspartei DPP (Democratic Progressive Party), Lai Ching-te, die Wahl gewinnen, wird mit einer weiteren Verschärfung der Spannungen zwischen Beijing und Taipei gerechnet. Die letzten Umfragen vor der Wahl führte Lai mit 38,9 Prozent vor Hou Yu-ih von den Guomindang (35,8 Prozent) an.[3]

Operationsbasis für die USA

Die Philippinen, deren voriger Präsident Rodrigo Duterte das Land politisch zwischen China und den USA zu positionieren suchte, haben mit dem Amtsantritt von Ferdinand „Bongbong“ Marcos Jr. am 30. Juni 2022 einen radikalen Kursschwenk vollzogen und sich – wie einst im Kalten Krieg – den Vereinigten Staaten als militärische Operationsbasis zur Verfügung gestellt. Bereits im Jahr 2014 hatte Washington sich mit dem Enhanced Defense Cooperation Agreement (EDCA) das Recht gesichert, Truppen auf fünf Stützpunkten zwar nicht fest, aber rotierend zu stationieren. Die Stützpunkte lagen vor allem zentral auf der Hauptinsel Luzon sowie auf den weiter südlich gelegenen Inseln Cebu und Mindanao. Im vergangenen Jahr hat Manila den USA das Recht eingeräumt, drei Stützpunkte ganz im Norden des Landes nahe Taiwan sowie auf einer Insel ganz im Westen unmittelbar am Südchinesischen Meer auszubauen und zu nutzen.[4] Im Sommer 2023 wurde zudem bekannt, dass die Vereinigten Staaten auf einer der Batanes-Inseln nördlich des philippinischen Hauptterritoriums einen weiteren Hafen ausbauen wollen; er wäre nicht einmal 200 Kilometer von Taipei entfernt.[5] Können die US-Streitkräfte vom Westen der Philippinen aus im Südchinesischen Meer intervenieren, so ermöglichen die Stützpunkte im Norden nicht bloß Operationen auf Taiwan, sondern auch Angriffe auf das südchinesische Festland.

Inselstreit

Während sich die US-Streitkräfte auf den Philippinen gegen China in Stellung zu bringen beginnen, ist im vergangenen Jahr der Streit zwischen den Philippinen und der Volksrepublik um den Besitz von Inseln im Südchinesischen Meer eskaliert. Im Mittelpunkt stand dabei das Second Thomas Shoal, ein Riff, das knapp 200 Kilometer vor der westphilippinischen Insel Palawan liegt und nur bei Niedrigwasser über die Wasseroberfläche ragt. Die Philippinen, Vietnam, China und Taiwan erheben Anspruch auf das Riff. Die philippinische Marine hat im Jahr 1999 ein ausrangiertes Schiff, die Sierra Madre, auf das Riff gerammt und einige Soldaten in ihm untergebracht, um Manilas Besitzansprüche zu demonstrieren. Seit Februar 2023 kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit der chinesischen Marine, die Beijings Anspruch durchzusetzen sucht. Dabei haben chinesische Schiffe Berichten zufolge mehrmals philippinische Schiffe, die Versorgungsgüter auf die Sierra Madre bringen wollten, daran gehindert und dazu unter anderem Wasserkanonen eingesetzt. Mindestens zweimal ist es laut Angaben beider Seiten zu Schiffskollisionen gekommen.[6] Der Konflikt ist weiter ungelöst. Verschärft wird er dadurch, dass das US-Außenministerium am 22. Oktober erklärte, die USA seien bereit, den Philippinen gemäß ihres Verteidigungsabkommens von 1951 (Mutual Defense Treaty) zur Seite zu stehen.[7]

Nicht willkommen

In dieser Situation hat Außenministerin Annalena Baerbock am gestrigen Donnerstag die Philippinen besucht. Das ist insofern bemerkenswert, als die Bundesrepublik lange Zeit kein nennenswertes Interesse an einer engeren Zusammenarbeit mit dem südostasiatischen Inselstaat hatte. Als letzter deutscher Außenminister vor Baerbock hatte sich im August 2013 Guido Westerwelle nach Manila aufgemacht. Dazu hieß es damals, er habe dies „als erstes hochrangiges Regierungsmitglied seit über zwölf Jahren“ getan.[8] Für das neu erwachte deutsche Interesse ist nur zum geringeren Teil die Tatsache verantwortlich, dass Deutschland Pflegekräfte benötigt und diese nicht zuletzt auf den Philippinen anzuwerben sucht; auch darüber verhandelte Baerbock gestern. Seit 2013 konnten rund 2.500 philippinische Pflegekräfte in die Bundesrepublik geholt werden – aus Sicht Berlins nicht genug.[9] Dass die Zahl nicht höher ist, könnte damit zu tun haben, dass laut einer 2022 durchgeführten Umfrage gerade einmal 17 Prozent der in Deutschland tätigen philippinischen Pflegekräfte befreundeten Kollegen ihren Job weiterempfehlen würden.[10] 58 Prozent fühlen sich in der Bundesrepublik „nicht willkommen“, 64 Prozent sehen sich „fachlich abgewertet“. 51 Prozent empfahlen laut der Umfrage für den Teil der Belegschaft mit deutscher Abstammung antirassistisches Training.

Deutsche Präsenz

Im Mittelpunkt des Besuchs der Bundesaußenministerin stand allerdings das Bestreben, die Philippinen noch stärker gegen China in Stellung zu bringen. Baerbock trat demonstrativ auf einem Schiff der philippinischen Küstenwache auf, die an dem eskalierenden Konflikt mit der Volksrepublik im Südchinesischen Meer unmittelbar beteiligt ist, und übte nach einem Gespräch mit ihrem philippinischen Amtskollegen Enrique Manalo offene Kritik an Beijings Vorgehen im Südchinesischen Meer. Zudem kündigte sie mit Blick auf die philippinische Küstenwache an, sie freue sich, dass man die „Zusammenarbeit im Küstenbereich in Zukunft weiter ausbauen“ werde; dies bezog sich darauf, dass die Bundesregierung zusätzlich zu den bislang zwei Aufklärungsdrohnen, die sie der philippinischen Küstenwache bereits zur Verfügung gestellt hat, noch weitere liefern will.[11] Ob die zwei deutschen Kriegsschiffe, die in diesem Jahr auf Asien-Pazifik-Fahrt geschickt werden sollen – es handelt sich um eine Fregatte sowie ein Versorgungsschiff [12] –, auch in einem Hafen der Philippinen anlegen sollen, ist bislang nicht bekannt. Sie werden allerdings eine deutsche Präsenz in einer Region demonstrieren, die als Schauplatz eines womöglich unkontrolliert eskalierenden Konflites gilt.

 

[1] S. dazu Kriegsvorbereitungen am Pazifik.

[2] S. dazu Spiel mit dem Feuer (II).

[3] Disputes over China ties sour Taiwan election campaign. reuters.com 02.01.2024.

[4] Philippines names 4 new military camps for U.S. forces. nbcnews.com 04.04.2023.

[5] Joe Saballa: US Military Eyes Taiwan-Facing Port in Philippines. thedefensepost.com 31.08.2023.

[6] Caitlin Campbell, Ben Dolven, Thomas Lum: China-Philippines Tensions in the South China Sea. Congressional Research Service. Washington, 13.12.2023.

[7] U.S. Support for our Philippine Allies in the Face of Repeated PRC Harassment in the South China Sea. state.gov 22.10.2023.

[8] Ermutigung für den Reformprozess auf den Philippinen. liberale.de 13.08.2013.

[9] Till Fähnders, Matthias Wyssuwa: Annäherung im Drohnenflug. Frankfurter Allgemeine Zeitung 12.01.2024.

[10] Hohe Unzufriedenheit bei philippinischen Pflegekräften in Deutschland. arbeitsmarkt-und-sozialpolitik.verdi.de 10.05.2022.

[11] Mathias Peer: Baerbock warnt vor Chinas Machtstreben im Südchinesischen Meer. handelsblatt.com 11.01.2024.

[12] Till Fähnders, Matthias Wyssuwa: Annäherung im Drohnenflug. Frankfurter Allgemeine Zeitung 12.01.2024.

 

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