Interview mit Elena Gordillo Fuertes über die Überschneidung von Ressourcenmanagement und Menschenrechten.

Elena Gordillo Fuertes ist UNICEF-Juniorberaterin und Masterstudentin an der University of British Columbia in Kanada in Public Policy and Global Affairs sowie Absolventin der Oxford University mit einem Bachelor in Geografie. Sie arbeitet in den Bereichen umweltpolitische Forschung, geschlechtsspezifische Situationsanalyse sowie Gender und nachhaltige Entwicklung. Vor kurzem erhielt sie das renommierte Jamaloddin-Khanjani-Familienstipendium für ihre Arbeit über die Überschneidung von Menschenrechten und Umweltpolitik. Ich habe mit ihr über ihre jüngsten Projekte in der Mongolei und der Dominikanischen Republik gesprochen und darüber, was wir über die Überschneidungen zwischen Ressourcen und Menschenrechten lernen können.

Was machst du als Juniorberaterin bei UNICEF?

Mir wurde schon bald nach meinem Geographie-Abschluss klar, dass mein Interesse an der Schnittstelle zwischen Ressourcenmanagement – wo werden Ressourcen ausgebeutet, wer beutet sie aus – und Menschenrechten – welche Gemeinschaften sind davon betroffen – liegt. Mit diesem Gedanken bin ich in mein Masterstudium gegangen und habe meinen Studiengang gewählt, weil ich die Möglichkeit hatte, statt einer Dissertation ein achtmonatiges Praktikum zu absolvieren. Ich habe mich für UNICEF entschieden, und unser Team war bis letzte Woche in der Dominikanischen Republik. UNICEF hat eine Gruppe gesucht, um die aktuellste Version ihrer geschlechtsspezifischen Situationsanalyse zu erstellen. Das ist eine weltweite Anforderung von UNICEF, die viel Wert auf das SDG 5 [Sustainable Development Goal 5] und die Rechte von Mädchen, Jungen und Jugendlichen legt. Sie haben Leute gebraucht, die mit feministischen Führungspersönlichkeiten und Verwaltungsangestellten von Organisationen sprechen, um die aktuellsten Daten zu sammeln und den Bericht zu verfassen, an dem wir gerade arbeiten und der hoffentlich nächstes Jahr veröffentlicht wird. Es war sehr interessant, weil ich davor einen Artikel über Gender und Wasser geschrieben habe, in dem ich mich ebenfalls mit der Überschneidung von Menschenrechten, insbesondere dem Gender-Aspekt, und Ressourcen befasst habe.

Die Dominikanische Republik ist unglaublich patriarchalisch, unglaublich sexistisch. Das Wort, das sie dort benutzen, ist ‚machista‘. Wir haben das in Form von Belästigungen überall erlebt. Es gibt ein extremes Maß an Teenagerschwangerschaften, Gewalt gegen Frauen und eine unverhältnismäßig hohe Ungleichheit in der Arbeitswelt. Um Finanzmittel zu erhalten, insbesondere in Regionen wie Lateinamerika und Südamerika, benötigt UNICEF solide Beweise für bestimmte Probleme, mit denen die Menschen dort konfrontiert sind. Obwohl es sich um ein Land mit mittlerem bis hohem Einkommen handelt, schaffen die tief verwurzelten Gesellschaftsnormen Probleme, insbesondere für Mädchen. UNICEF wollen mit diesem Bericht die Programmplanung für die nächsten fünf Jahre rechtfertigen.

Wir haben auch mit einigen sehr wichtigen feministischen Führungspersönlichkeiten des Landes gesprochen. Nicht viele wissen das, aber der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25. November geht auf Aktivist*innen in der Dominikanischen Republik zurück. Es gibt also eine sehr lange Geschichte von Aktivismus und Feminismus in der Dominikanischen Republik, nur leider trägt diese Geschichte nicht viel dazu bei, die Ansichten des Landes insgesamt zu verändern.

Jeder braucht Wasser, jeder ist von Geschlechterstrukturen betroffen. Die Dinge, die du in der Dominikanischen Republik herausgefunden hast, werden also auch nützlich sein, wenn du über andere Länder und deren öffentliche Politik nachdenkst. Wie hast du deine Erkenntnisse aus der Forschung für andere Länder genutzt?

Die Situation ist immer wieder die Gleiche. Ich habe mich dieses Jahr intensiv mit der Mongolei und Zentralasien beschäftigt, und dann hatte ich die Arbeit in der Dominikanischen Republik. In der Mongolei habe ich mich mit Ressourcen beschäftigt, insbesondere mit Wasser, und es gibt so viele wiederkehrende Themen, die man überall auf der Welt untersuchen könnte. Institutionelle Zersplitterung, Informationsmangel, mangelnde Datenverbreitung, mangelndes Bewusstsein. In der Dominikanischen Republik wurde das Thema Geschlecht zum Beispiel als Tabu angesehen. Die Themen sind bereichsübergreifend und überschneiden sich, es geht nur darum, zu verstehen, was der jeweilige Kontext ist.

In der Dominikanischen Republik dachte ich, wow, es ist so konservativ hier. Das ist die hypersexuellste Gesellschaft, in der ich je war: Sex, Menschen zeigen ihren Körper, sprechen über Sex, deuten an, dass sie Sex mit anderen haben, Belästigung, Anmachen. Aber gleichzeitig gibt es einen unglaublich konservativen und religiösen Kontext, was bedeutet, dass in der Schule überhaupt nicht über Sexualerziehung gesprochen wird. Die Kirche, die eine unglaubliche Lobbymacht hat, legt ihr Veto ein. Auf der einen Seite gibt es also Menschen, die schon sehr früh Sex haben, und ältere Männer, die sich an jüngeren Mädchen und Frauen vergreifen, aber diese Mädchen haben keine Ahnung, warum sie schwanger werden, weil sie in der Schule nichts über Menstruation, sicheren Sex und all das lernen. Dieser besondere Kontext führt zu einer Reihe von sehr spezifischen Herausforderungen.

Als du gesagt hast, dass Gender als Tabu angesehen wird, was genau hast du mit diesem Satz gemeint?

In Kanada zum Beispiel wird Gender nicht politisiert; man lernt darüber und es ist ein Thema, das allen bewusst ist. Aber in einem Kontext wie der Dominikanischen Republik wird Gender mit einer – wie sie es nennen würden – extrem linken Einstellung verbunden. Aus der Sicht der Kirche werden Gender-Ansichten als radikal angesehen und so, als ob sie Kindern und der Gesellschaft unnatürlich von außen aufgezwungen werden. Kurz bevor wir in der Dominikanischen Republik waren, gab es eine große Story über eine Lehrerin einer vergleichsweise fortschrittlichen Privatschule, die von den Eltern und anderen Lehrern rausgeschmissen wurde, nur weil sie Literatur unterrichtet hast und es [in den Büchern] einige homosexuelle Szenen gab. Ihr wurde vorgeworfen, alle an der Schule homosexuell machen zu wollen. So ist der Diskurs dort. In unseren Gesprächen mit Leuten vor Ort wurde immer wieder klar, dass konservative Gruppen sich sehr gut und schnell organisieren. Obwohl es viele kleine feministische Bemühungen und Menschenrechtsgruppen gibt, können sie sich nicht so gut organisieren und werden von konservativen Gruppen aufgehalten.

Ist das ein Bereich, in dem die öffentliche Politik versuchen könnte, Veränderungen herbeizuführen? Zum Beispiel durch mehr strukturelle Unterstützung?

Das ist interessant. Es ist wie das Henne-Ei-Problem. Die Gesellschaft spielt eine große Rolle in Bezug auf die eingebetteten Normen und Vorstellungen von Männlichkeit. Gleichzeitig gibt es aber auch Politik und Gesetzgebung. Eine Frage, die wir uns oft stellen, ist also: Was sollte sich zuerst ändern? Es gibt einige Rahmenbedingungen, und in der DR [Dominikanische Republik] wurden einige wichtige politische Änderungen vorgenommen, aber andere Änderungen können nicht durchgeführt werden, weil es nicht genug Unterstützung gibt. Wenn wir die Sache von dem Punkt angehen, dass wir die kulturellen Normen ändern sollten, wäre das wahrscheinlich der effektivste Weg, aber es würde viel Zeit in Anspruch nehmen. Es gibt viele Bemühungen, jungen Kindern positive Geschlechtersozialisation zu geben, aber es wird lange dauern, bis diese Veränderungen sich in der Politik zeigen. Ein Spannungsverhältnis ist da: Inwieweit kann die Politik den Wandel vorantreiben, wenn sich die Mentalität nicht ändert? Oder sollte die Politik den Rahmen dafür setzen, was wir anstreben sollten? Es gibt definitiv Spielraum für beides.

Woran hast du in der Mongolei gearbeitet?

Ich hatte ein Forschungsstipendium, habe selbständig recherchiert und Artikel über Umwelt- und Ressourcenmanagement geschrieben. Ich habe entschieden, mich mit Wasser in Ulaanbaatar zu befassen. Ich habe eine Kollegin, die in der Abteilung für Wassertechnik arbeitet und aus der Mongolei stammt, und sie hatte erwähnt, dass das [dort] ein großes Problem ist. Ich habe drei Wochen in der Mongolei mit Dr. Ariell Ahearn und Dr. Troy Steinberg vom Oxford Department of Geography verbracht. Mit Hilfe eines Übersetzers habe ich Personen interviewt, die mit dem Wassersektor zu tun haben – mit der Regierung, privaten Unternehmen und Interessengruppen.

Was sind die wichtigsten Punkte bei der Verknüpfung von Ressourcen, z. B. Wasser, und Geschlecht in der Mongolei und der Dominikanischen Republik?

Das wiederkehrende Thema ist, dass Frauen in beiden Kontexten die Hauptversorger und Haustätigen sind, aber in unterschiedlichem Ausmaß. Vor allem in der Mongolei hängt vieles vom ländlichen oder städtischen Kontext und von der Jahreszeit ab. Männer verlassen in der Mongolei im Winter das Land, um in die Städte zu gehen oder Vieh zu züchten. Dann müssen die Frauen zu Hause bleiben, putzen und sich um die Kinder kümmern. Aber in beiden Ländern sind die Frauen die Hauptnutzerinnen von Wasser – weil sie einkaufen, und in der Mongolei, weil sie zu den zentralen Wasserentnahmestellen gehen müssen. Die Frauen tragen wegen dem Wasser eine Last. Ein zweiter wichtiger Punkt ist Wassernutzung für sanitäre Zwecke, zum Beispiel der Zugang zu sicherem Trinkwasser für schwangere Frauen oder ausreichende Hygiene während der Periode. Wenn kein Wasser zur Verfügung steht, hat das weitreichende Folgen für die Frauen. In der Dominikanischen Republik wird die Periode immer noch als Tabu angesehen. Entsprechende Ressourcen, auch im Krankenhaus, sind wichtig. Es ist schwierig, einen Vergleich zwischen den beiden Ländern anzustellen, weil die Rahmenbedingungen so unterschiedlich sind. Aber diese Erkenntnis ist auch wichtig. Die Wahrnehmung von Geschlechterrollen und Frauen ist so unterschiedlich, und das hat massive Auswirkungen darauf, wie Frauen von der Ressourcenbewirtschaftung betroffen sind. Zunehmender Klimawandel, Stürme, Naturkatastrophen – all das belastet sie als Hauptversorgerinnen.

Der Punkt, den du gerade angesprochen hast, kann eine Herausforderung für die Suche nach internationalen politischen Lösungen sein, wo man ja allgemeine Grundsätze braucht, die alle befolgen können. Du hast ja gerade hervorgehoben, dass man kulturelle Unterschiede nicht zu sehr verallgemeinern darf…

Bei meiner Arbeit mit UNICEF habe ich festgestellt, dass es wirklich gut ist, wenn es internationale Standards und Anforderungen gibt, die kleine Länderbüros dazu bewegen können, nach diesen Standards zu arbeiten. Und es ist von Vorteil, wenn man zwischen den Ländern vergleichen kann. Aber wenn es um die Festlegung von Strategien geht, ist der Kontext sehr wichtig für die Wirksamkeit der Umsetzung. Man muss sich mit den richtigen Interessenvertretern auseinandersetzen und in einer kulturell angemessenen Weise kommunizieren. Sonst wird dir einfach nicht zugehört.

Du kannst den von Elena mitverfassten Artikel über Wassersicherheit in der Mongolei in The Diplomat hier lesen: https://thediplomat.com/2023/10/water-security-woes-in-mongolias-capital/,

sowie den von ihr mitverfassten Artikel über Wassersicherheit und Gender in The Conversation: https://theconversation.com/gender-blind-policies-ignore-the-disproportionate-effects-of-water-crisis-on-women-203390.

Elena hat außerdem gerade eine wissenschaftliche Arbeit über die Mongolei veröffentlicht: https://journals.plos.org/water/article?id=10.1371/journal.pwat.0000160