Das diesjährige Halloween 2024 ist besonders gruselig – denn heuer fällt der österreichweite Equal Pay Day (EPD) auf den 31. Oktober. Dieser Aktionstag, der kritisch auf die Einkommenskluft zwischen Männern und Frauen hinweist, markiert den Tag, ab dem rein statistisch betrachtet Frauen für das restliche Jahr „gratis“ arbeiten. Bundesweit verdienen Frauen trotz Vollzeit durchschnittlich rund 9.550 Euro weniger als Männer, was einem Einkommensnachteil von 16,9 Prozent entspricht.

von Veronika Adensamer, Katharina Mader und Viktoria Reisinger für A&W blog

Kein Entgelt mehr für Frauen in Österreich ab dem 31. Oktober

Den EPD-Berechnungen liegt die jüngst verfügbare Lohnsteuerstatistik von Statistik Austria zugrunde, die sich auf 2021 bezieht. Daher wird der EPD 2023 auf Basis der Einkommensdaten des Jahres 2021 berechnet. Betrachtet werden lediglich die ganzjährig vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer:innen – Effekte von arbeitszeitbedingten Einkommensunterschieden (Vollzeit- versus Teilzeitbeschäftigung) fallen somit heraus!

Der EPD 2022 war übrigens einen Tag früher, am 30. Oktober. Jener des Jahres 2021 war bereits am 25. Oktober. Der Sprung von fünf Tagen des EPD 2021 auf 2022 ist durch statistische Kriseneffekte zu erklären, da vor allem höhere Männereinkommen im Krisenjahr 2020 („Lockdown-Jahr“) aufgrund von Kurzarbeit und dem Wegfallen der Überstundenentgelte niedriger ausgefallen sind. Dass sich der EPD 2023 nur geringfügig verbessert hat (62 Tage „unbezahlt“ anstelle von 63) – liegt daran, dass sich im Jahr 2021, auf das sich die Berechnung des EPD 2023 bezieht, der Arbeitsmarkt wieder weitgehend „normalisiert“ hat.

Unterschiedliche „Pay Gaps“ in Österreich

Innerhalb der Bundesländer fallen die „Equal Pay Days“ höchst unterschiedlich aus, sodass Vorarlbergerinnen mit einem Einkommensnachteil von knapp einem Viertel rund 90 Tage „unbezahlt“ arbeiten und der EPD in Vorarlberg bereits auf den 3. Oktober fällt. Gefolgt von den Bundesländern Oberösterreich (-21,1 Prozent) und Tirol (-20,3 Prozent) mit jeweils über einem Fünftel Einkommensnachteil und 78 bzw. 74 „unbezahlten“ Tagen. In Wien ist der Einkommensnachteil am geringsten. Die Wienerinnen verdienen um „nur“ 11 Prozent weniger als Wiener und arbeiten rund 41 Tage „gratis“.

Wenn Teilzeit einberechnet wird

Teilzeitbeschäftigung ist noch immer größtenteils weiblich: 2022 war jede zweite Frau teilzeitbeschäftigt, drei Viertel waren es unter allen erwerbstätigen Müttern mit Kindern unter 15 Jahren. Insofern unterschätzt der Equal Pay Day den Gender Pay Gap eigentlich – die umfassend betrachtete, geschlechtsspezifische Einkommenslücke liegt bei satten 34 Prozent, wenn Teilzeitbeschäftigte und auch nicht ganzjährig Beschäftigte inkludiert werden. Somit würde der Equal Pay Day viel früher ausgerufen werden. Und: Wenn Österreich im bisherigen Tempo weitermacht, gegen die finanzielle Ungleichheit zwischen Frauen und Männern anzukämpfen, dann werden selbst unsere Ur-ur-ur-Enkelinnen im Jahr 2362 noch nicht gleichgestellt und bezahlt sein.

Frauendominierte Branchen sind schlechter bezahlt

Ein nicht unwesentlicher Teil des Einkommensunterschiedes ist darauf zurückzuführen, dass Frauen verstärkt in Branchen arbeiten, in denen weniger bezahlt wird. Ein Blick in die Lohnsteuerstatistik 2021 bestätigt dies. Vergleicht man die durchschnittlichen Jahresbruttoeinkommen ganzjährig Vollzeitbeschäftigter der einzelnen Branchen mit dem gesamten durchschnittlichen, branchenübergreifenden Jahresbruttoeinkommen, so zeigt sich, dass in der am besten bezahlten Branche „Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“ das Einkommen um 47 Prozent über dem Durchschnitt liegt. Der Frauenanteil liegt in dieser Branche bei nur 38 Prozent. Die Branche mit dem höchsten Frauenanteil ist das Gesundheits- und Sozialwesen mit fast 66 Prozent weiblichen Beschäftigten. Sie verdienen aber um 5 Prozent weniger als der Schnitt.

Tendenziell zeigt sich eine negative Korrelation zwischen Frauenquote und Bezahlung in einer Branche. Zum Beispiel hat die „Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen“ eine unterdurchschnittliche Frauenquote von nur 43 Prozent, aber eine Bezahlung von 24 Prozent über dem Durchschnitt. Eine Ebene tiefer bietet sich ein differenziertes Bild: Die Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen sind zu 72 Prozent Frauen. Sie verdienen in der gesamten Branche am wenigsten: um 18,4 Prozent weniger als der Durchschnitt der freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleister:innen. Sie sind somit die am schlechtesten bezahlte Gruppe dieser Branche.

Ein ähnliches Bild bietet sich im Handel. Der gesamte Handel hat eine Frauenquote von 36,5 Prozent und eine Bezahlung von 11 Prozent unter dem Durchschnitt. Der frauendominierte Einzelhandel (Frauenquote 55 Prozent) mit seiner Bezahlung von 19 Prozent unter dem durchschnittlichen Einkommen der gesamten Handelsbranche ist die am schlechtesten bezahlte Sparte. Während die Bezahlung im Großhandel mit einer Frauenquote von nur 28 Prozent deutlich über dem Gesamthandelsdurchschnitt – nämlich 21 Prozent höher – liegt.

Der „unerklärbare Teil“

Während es also durchaus „erklärbare“ Faktoren gibt, die dem Einkommensnachteil von Frauen zugrunde liegen – und hier ist wichtig zu betonen, dass erklärbar nicht gleichbedeutend ist mit gerechtfertigt –, bleibt nach der Bereinigung dieser Faktoren (Branche, Dauer der Unternehmenszugehörigkeit, Arbeitszeitausmaß, Alter, Qualifikation etc.) ein Teil über, der „unerklärbar“ ist. Das heißt, dass hier weitere Faktoren, die nicht beobachtbar oder/und quantifizierbar sind, für den Einkommensunterschied verantwortlich sind. Der „nicht erklärbare“ Einkommensnachteil von Frauen macht mehr als zwei Drittel des gesamten Einkommensnachteiles aus (2018: 68,4 Prozent). Diese nicht beobachtbaren Faktoren lassen sich mit hoher Sicherheit auf das Geschlecht bzw. auf die Diskriminierung von Frauen beim Einkommen zurückführen. Während rechtlich eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes beim Entgelt gemäß Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) klar verboten ist, ermöglicht eine Kultur des Schweigens nach dem Grundsatz „Über Geld redet man nicht“ das Vertuschen ungleicher Bezahlung weitgehend. Die kommende EU-Transparenzrichtlinie verspricht, dass es künftig mehr Transparenz geben und bei den Einkommensberichten, wie sie in Österreich bereits seit 2014 von großen Unternehmen zu erbringen sind, nachgeschärft werden muss.

Tag der Entgeltgleichheit sollte der 31. Dezember sein!

Was braucht es also, um die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern schnell zu schließen?

  • Einkommenstransparenz durch eine schnelle und effektive Umsetzung der EU-Lohntransparenzrichtlinie
  • Ausbau der Kinderbetreuung, Kinderbildung und Pflegeangebote – flächendeckend verfügbar, leistbar und auf die Bedürfnisse und Bedarfe der unterstützten Menschen abgestimmt
  • Eine „kurze Vollzeit für alle“ durch moderne Formen der Arbeitszeitverkürzung, wie das Recht auf regelmäßige 4-Tage-Woche (mit verkürzter Wochenarbeitszeit), kann die Angleichung der Arbeitszeiten zwischen den Geschlechtern erleichtern.
  • Datenqualität und -erfassung verbessern, denn es braucht insgesamt bessere und schnellere Daten, etwa sollte die Verdienststrukturerhebung in kürzeren Abständen erhoben werden. Diese wird bisher nur alle vier Jahre erhoben. Jedenfalls braucht es aber umfassende Einkommensdaten auf Stundenbasis sowie eine systematische Erhebung der Arbeitszeit, um valide Aussagen über die Effekte von Voll- und Teilzeit ausarbeiten zu können.
  • Neue und faire, der gesellschaftlichen Bedeutung angemessene Bewertung von Arbeit.

 

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