Der halbernste und folglich todernste Vorschlag zur Gründung eines CLANS 2.0

Von Bobby Langer und Alexander Baltosée

Immer mehr Menschen geschieht es, dass sie das Land, in dem sie eingeschlafen sind, beim Aufwachen nicht wiedererkennen. Sie sind „Versprengte“ und als Versprengte suchen sie nach Orientierung, die ihnen das alte Land nicht mehr zu bieten vermag. Dieser Entfremdungsvorgang von den „Verschlafenen“ findet nicht nur in Deutschland oder im D-A-CH-Raum statt, sondern weltweit – intakte indigene Kulturen ausgenommen. So gibt es keine Möglichkeit des Exils wie in der guten alten Zeit. Also gilt es, einen „Suchdienst für Versprengte“ ins Leben zu rufen, der sie als Mitglieder eines neuen globalen CLANS zusammenführt.

In den Zeitwirren nach der Befreiung Deutschlands durch die Alliierten, gerne auch „Zusammenbruch“ (wovon?) genannt, gab es Millionen versprengte Menschen: Kriegsheimkehrer, Deserteure, Flüchtlinge, Ausgebombte, ihrer geistigen Gesundheit Beraubte. Für sie alle war der Suchdienst des Roten Kreuzes ein Segen; sie konnten ihre Familie, ihre Verwandten oder doch wenigstens ihren Clan wiederfinden.

Entfremdetes Erwachen

Heute befinden wir uns in einer vergleichbaren, doch weitaus verwirrenderen Situation. Wir wachen nämlich eines Tages auf und fühlen uns versprengt, ohne dass etwas geschehen zu sein scheint. Es ist ein normaler Tag, aber plötzlich bemerken wir, dass wir in einem fremden Land erwacht sind, in einem Land, in dem man angesichts des Welthungers fettsüchtig wird, in dem man zum Hundefrisör geht, einem aber das tägliche Sterben von zig Lebensformen egal ist, wo Kriege gerechtfertigt, statt bekämpft werden, in dem Menschen, die öffentlich ihre persönliche Meinung äußern, Berufsverbot droht, in einem Land, das seine Bevölkerung offenen Auges in einen zwar sicheren, aber im Detail unvorhersehbaren ökologischen Untergang führt.

Ja, wenn es nur EIN Land wäre! Dann könnten die Versprengten ins Exil gehen, nach Amerika zum Beispiel. Oder in die Türkei. Doch tatsächlich können wir uns nicht sicher sein, ob wir dann nicht vom Regen in die Traufe geraten. Bei manchen Ländern wissen wir beinahe mit Gewissheit, dass ein solcher Befreiungsgang in eine Sackgasse mündete. Denn wohin man blickt, sieht man sich derselben Neudefinition von Freiheit gegenüber: „Freiheit, das ist die Freiheit der Satten und Gleichdenkenden.“

Der Trick bei der Mitgliedersuche

Höchste Zeit also, einen neuen Suchdienst für Versprengte einzurichten, diesmal freilich weltweit, einen Dienst, der uns hilft, zusammenzufinden und einen neuen Stamm zu gründen; einen Stamm freilich, der sich ganz anders definiert als alle Stämme zuvor; einen CLAN, dessen Mitglieder sich an einer Mindestmenge an Toleranz, Freiheitsbedürfnis und Freiheitszusicherung, Rücksicht und Vertrauensbereitschaft definieren. Und dessen Mitglieder ihr Leben als einen Fortbildungskurs in Empathie begreifen und die sich zujubeln, wenn es einem von ihnen gelungen ist, eine weitere mentale Barriere niederzureißen.

Auf nationaler oder gar globaler Ebene Mitglieder zu finden, ist schwierig. Doch im näheren Umfeld erkennt man CLAN-Mitglieder mithilfe eines einfachen Tricks in jeder Kneipe, jedem Club und jedem Café. Das funktioniert beispielsweise so (Methode variabel). Zieh dir als Mann einen Rock an und schminke dich so, dass dein Make-up sofort erkennbar ist, also etwa mit einem kräftigen Kajalstrich am unteren Lidrand und Rouge an den Wangenknochen. (Frauen müssten diese Technik natürlich umdrehen. Sie könnten sich zum Beispiel einen Bart ankleben und eine Glatze scheren.) Dann betrete das Etablissement deiner Wahl, das gut besucht sein sollte, und beobachte die Reaktion der Menschen. Zwei, drei wird es geben, die dich mit Interesse ansehen. Zu ihnen kannst du dich gesellen, denn sie gehören mit hoher Wahrscheinlichkeit zum CLAN der Versprengten.

Wenn du meinst, du könntest Mitglieder des CLANS besonders leicht finden, indem du dich in linke oder grüne Kreise, in Aktivisti- oder LGBT-Gruppen begibst, dann steht dir eine Enttäuschung bevor. Zwar mag es dort mehr CLAN-Mitglieder geben als anderswo, doch eine Häufung von zehn unter tausend ist schwer zu entdecken. Als Mann begibst du dich in solche menschlichen Biotope, indem du dich mit einem Anzug verkleidest, einen Schlips umbindest und ein gepflegtes, ungegendertes Deutsch sprichst, Frauen wäre ein Dirndl anzuraten, eventuell auch ein Kopftuch; nur keine Burka, denn damit könnten sie auch im Westen gesteinigt werden. Tatsächlich gibt es überall auf der Welt Mitglieder des CLANS, in denen das Vorurteil sie nicht vermuten würde: unter ökumenischen Christen und dezidierten Atheisten, unter überzeugten Demokraten, Anarchisten und Heimatpflegern, unter Wertkonservativen und Mystikern. Nur selten sind sie anzutreffen unter Pubertierenden gleich welchen Alters, da man in dieser Entwicklungsphase ein sehr hohes Distanzierungsbedürfnis und noch nicht gelernt hat, dass es zu einem guten Leben gehört, fünfe gerade sein zu lassen, von Kritikfähigkeit ganz zu schweigen. Die wird, wenn überhaupt, erst im Erwachsenenalter erlernt.

Grundlagen der globalen Clanbildung

Der Wikipedia-Artikel zum Stichwort Tribalismus kann uns bei der Clanbildung Orientierung geben. Abgespeckt lautet er folgendermaßen (die Unterteilung nach Ziffern durch die Autoren):

  1. „Tribale Gesellschaften zeichnen sich
    a) durch Verwandtschaftsbeziehungen unter den Eliten,
    b) einen gemeinsamen Namen (Großfamilien) sowie
    c) eine von der Gruppe geteilte Kultur und Tradition aus, nicht notwendig auch ein gemeinsames Territorium. Daraus kann eine politische oder religiöse Ordnung segmentierter Clans hervorgehen.
  2. Nach Lewis Henry Morgan fanden sich tribale Gesellschaften sowohl
    a) in den antiken Gesellschaften Europas (Gentes der griechischen und römischen Antike) als auch
    b) bei den Indianern Nordamerikas. Für Vine Deloria vom Volk der Dakota ist Tribalismus eine Art Gefühlszustand des „Nicht-alleine-gelassen-seins“, bei dem sich das Individuum sicher und aufgehoben fühlt.
  3. Tribalismus wird auch
    a) für afrikanische Stammesgesellschaften angenommen oder
    b) die Nachfahren der Beduinenstämme im Nahen Osten.
  4. a) Soweit sich tribale Gesellschaften durch eine klare Abgrenzung ihrer Identität gegenüber anderen Stämmen definieren, wird Tribalismus als der Bildung von Nationalstaaten hinderlich erachtet.
    b) Zudem besteht in tribalen Gesellschaften vielfach eine klare Hierarchie, rechtliche und soziale Ungleichheit und mangelnde politische Teilhabe unterprivilegierter Gruppen.“

ad 1a) Da dem Wort „tribal“ etwas Biologisches anhaftet, etwa im Sinne einer Blutsverwandtschaft oder gemeinsamer Tabus, ist gegenüber „Stamm“ das Wort „CLAN“ zu bevorzugen, das zumindest in den meisten europäischen Sprachen ähnlich klingt. Den Begriff der Elite lehnen wir ab, verwandt sind wir durch das uns allen gemeinsame und kulturunabhängige physische und psychische Leben. Anders als bisher dient das Wort CLAN ausschließlich der inneren Stärkung, nicht zur äußeren Abgrenzung.

ad 1b) Ob wir tatsächlich einen einheitlichen Namen brauchen, wird bezweifelt. Clan-Namen sind meist der Versuch, etwas Lebendiges auf etwas Konkretes zu reduzieren. Der CLAN ist weder ein Club noch ein Verein. Dennoch könnte gelegentlich ein Hilfsbegriff nützlich sein; für die bisherigen Menschen würde sich „homines duri“ [die harten Menschen] eignen, für die Mitglieder des CLANS „homines considerati“ [die rücksichtsvollen Menschen].

ad 1c) Die gemeinsame, zu einer Tradition auszubauende Kultur wäre eine der Rücksicht und des Respekts, beides tiefer zu erforschende Elemente, da sie in der gegenwärtigen Kultur nur dem Schein nach eine Rolle spielen und im Zweifelsfall hintangestellt werden. Als Territorium käme der ganze Planet infrage. Politische, religiöse oder sonstige Ordnungen können wir nach Lust und Belieben einführen, sofern sie die gemeinsame Kultur ergänzen und vertiefen, und im gegenteiligen Fall wieder auflösen.

ad 2) Wir freuen uns, von historischen Vorbildern zu lernen und diese Lektionen zu vertiefen. Dies gilt gleichermaßen für vergangene wie gegenwärtige indigene Kulturen. Entsprechende Lehrer heißen wir willkommen. Der Gefühlszustand des „Nicht-alleine-gelassen-seins“ ergänzt die gemeinsame Kultur und hebt die Selbstwahrnehmung des Versprengtseins im Sinne einer globalen Zugehörigkeit positiv auf.

ad 3) siehe ad 2) Hervorzuheben ist hier die Zusammengehörigkeit mit den vielen Versprengten des islamischen Kulturraums. Darüber hinaus aber auch mit allen aus allen anderen Kulturen der Erde.

ad 4a) In dem von uns verstandenen Sinn gibt es keinen „anderen“ Stamm, von dem wir uns abgrenzen, sondern lediglich antiquierte und folglich obsolete Nationalismen. Umgekehrt behindern Nationalstaaten die Bildung des neuartigen CLANS, da dessen Selbstverständnis dem abgrenzenden Aspekt des Nationalismus zuwiderläuft.

ad 4b) Aufgrund des gemeinsamen Kulturverständnisses können innerhalb des CLANS weder Wertehierarchien, rechtliche und soziale Ungleichheit noch unterprivilegierte Gruppen existieren. Administrativ notwendige Hierarchien sind der gemeinsamen Kultur in jedem Fall untergeordnet.

Innere und äußere Grundlagen des CLANS

Um ein wenig konkreter zu werden, schlagen wir vor, CLAN-Mitglieder seien an folgenden fünf Grundlagen innerlich zu erkennen, die sich aus dem gemeinsamen Kulturverständnis ergeben. CLAN-Mitglieder sind Frauen und Männer und Nonbinäre,

  • die ein gutes Leben für alle anstreben,
  • die den achtsamen Umgang mit allen Lebensformen bejahen,
  • die Unterschiedlichkeit wertschätzen,
  • zu deren Grundsätzen der Respekt vor verschiedenen Lebensweisen und -perspektiven gehört,
  • die andere nicht ausgrenzen, sondern annehmen wollen.

Diese fünf Prinzipien – die principii considerati – haben keinen Vorschriftencharakter. Ein Clan ohne Vorschriften ist ein wichtiger Vorfilter, erscheint er doch den homines duri unvorstellbar. Sie sind nämlich gewohnt, sich Regeln, Vorschriften und Gesetzen zu beugen und so die Sicherheit von Kutschpferden zu erlangen, die ohne Geschirr, Kutscher und Peitsche orientierungslos sind. Umgekehrt bilden die principii considerati die Grundlage für die sich ständig erhöhende Ausgestaltung einer inter- und transkulturellen sowie intraglobalen Achtsamkeitskultur des entstehenden CLANS.

Äußeres Merkmal könnte eine aus gewaltloser Seide hergestellte Weiße Rose sein. Gemäß dem Sophie-Scholl-Zitat „Man muss etwas machen, um selbst keine Schuld zu haben. Dazu brauchen wir einen harten Geist und ein weiches Herz“ verabschiedet sich der CLAN von einer geistigen Grundhaltung und einem gesellschaftlichen Paradigma, das täglich den Tod von Hunderttausenden aus Komfortgründen achselzuckend in Kauf nimmt.

Mitgliedschaft ist kostenlos

Vorerst hegen wir bei unserer weltweiten Suche unter ca. acht Milliarden Menschen die Hoffnung auf ein drittes CLAN-Mitglied. Immerhin ist die Mitgliedschaft ein Schnäppchen, sie ist nämlich kostenlos. Die Zahl der bereits vorhandenen, aber unverbundenen CLAN-Geschwister schätzen wir allerdings auf Millionen. Ihnen allen wäre der „Suchdienst für Versprengte“ gewidmet. Interessenten am Aufbau des „Suchdienstes für Versprengte“ sowie am Aufbau und der Ausgestaltung des CLANS mögen sich melden bei info@oekoligenta.de unter dem Kennwort CLAN 2.0.