Ein neuer EU-Einsatz in Moldau soll das Land gegen Russland „absichern“. Chișinău verschärft den Kurs gegen nicht prowestliche Kräfte, verbietet größte Oppositionspartei. Forderung nach Anschluss an Rumänien wird laut.

Die EU hat einen neuen, vorgeblich zivilen Einsatz in der Republik Moldau gestartet und will das Land damit gegen russischen Einfluss „absichern“. Im Rahmen der neuen EU Partnership Mission in Moldova (EUPM Moldova) entsendet Deutschland 15 Polizisten nach Moldau; Österreich schickt auch militärisches Personal. Hintergrund ist, dass Chișinăus Westkurs im Land selbst nach wie vor alles andere als unumstritten ist. Die Regierung unter Präsidentin Maia Sandu kann bereits seit Anfang 2022 nicht mehr auf eine Mehrheit in der Bevölkerung setzen, während die oppositionelle prorussische Schor-Partei in Umfragen zuletzt zur zweitstärksten Partei aufstieg und sich Hoffnungen machen konnte, gestützt auf die oppositionellen Sozialisten und Kommunisten den Ministerpräsidenten zu stellen. Die Partei wurde inzwischen verboten; administrative Maßnahmen gegen die oppositionellen Sozialisten sind im Gespräch. EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola bestätigte kürzlich, der „Platz“ des EU-Beitrittskandidaten Moldau sei „in Europa“ bzw. in der EU. In Moldau erstarken unterdessen Forderungen, das Land Rumänien anzuschließen.

Neuer EU-Einsatz

Ende April beschlossen die EU-Außenminister, für zwei Jahre einen angeblich zivilen Einsatz in der Republik Moldau zu starten. Mit der neuen, vor allem von deutschem Personal getragenen Maßnahme will Brüssel laut Presseberichten „das Land … absichern“.[1] Wenngleich deutsche Regierungsinstitutionen den Einsatz als zivil bezeichnen, entsendet Österreich auch militärisches Personal.[2] Ziel der Operation sei es, ein „politisches Signal“ an Russland zu senden, erklärte ein EU-Diplomat.[3] Für die neue EUPM Moldova (EU Partnership Mission in Moldova) sind vor Ort 40 EU-Beamte vorgesehen, wobei die Bundesregierung beschlossen hat, 15 deutsche Polizisten in das Land zu schicken.[4] Schon jetzt gibt es eine Reihe weiterer EU-Einsätze in dem Land: Seit 2005 läuft bereits EUBAM (European Union Border Assistance Mission to Moldova and Ukraine) zur Überwachung der transnistrischen Außengrenzen, seit 2006 das Projekt BOMMOLUK zur Verbesserung des moldauischen Grenz-Managements [5] und seit März vergangenen Jahres ein Frontex-Einsatz gegen unerwünschte Migration [6]. EUPM Moldova könne auch „Verbindungen zwischen den bestehenden Aktivitäten schaffen“, erklärte ein EU-Diplomat gegenüber der Presse.[7]

„Moldau-Unterstützungsplattform“

Bereits im vergangenen Jahr hatte ein Sprecher des Auswärtigen Amts erklärt, die Bundesrepublik wolle eine „Moldau-Unterstützungsplattform“ zur „Stärkung der Widerstandsfähigkeit und der Stabilität des Landes“ schaffen. Auf Einladung von Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) kamen dazu bereits im April 2022 Vertreter aus Frankreich, das historisch enge Beziehungen in die Region hat, und Moldaus Nachbarstaat Rumänien nach Berlin.[8] Bei der Berliner Konferenz und einer Anschlusstagung in Bukarest versprachen sie der Republik Moldau insgesamt 1,2 Milliarden Euro.[9] Parallel zu der Konferenz in Berlin genehmigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) einen Ungebundenen Finanzkredit in Höhe von 50 Millionen Euro.[10]

Hausgemachte Probleme

Die soziale Lage in Moldau ist weiterhin angespannt. Laut einer im März dieses Jahres im Auftrag der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung durchgeführten repräsentativen Umfrage sahen 56 Prozent der Moldauer die derzeit amtierende neoliberale Regierung unter Präsidentin Maia Sandu als verantwortlich für die Probleme im Land an.[11] Bereits seit Januar vergangenen Jahres – also seit der Zeit vor Beginn des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine – kann die derzeitige Regierung laut Umfragen auf keine Mehrheit in der Bevölkerung mehr setzen. Auch deshalb verhärtet sie inzwischen ihre Politik. Im Februar übernahm der frühere Präsidentenberater Dorin Recean den Posten des moldauischen Ministerpräsidenten und verschärfte den Kurs gegenüber den Separatisten im Osten (Transnistrien), gegenüber Russland und der heimischen Opposition.[12]

Parteienverbot

Im Juni verbot dann das moldauische Verfassungsgericht die oppositionelle prorussische Schor-Partei.[13] Die Partei, die sich auch gegen eine EU-Mitgliedschaft aussprach, stand in der letzten Umfrage vor ihrem Verbot bei 22,6 Prozent und wäre demnach bei der nächsten Parlamentswahl zweitstärkste Kraft im Land geworden.[14] Da neben der Schor-Partei zuletzt nur die neoliberale Regierungspartei PAS (Partidul Acțiune și Solidaritate, Partei Aktion und Solidarität) und die oppositionellen Sozialisten und Kommunisten mit einem Einzug ins Parlament rechnen konnten, hätte Parteichef Ilan Schor damit beste Chancen gehabt, neuer Ministerpräsident des Landes zu werden. Mögliche administrative Maßnahmen richten sich dabei nicht nur gegen die Schor-Partei, sondern auch gegen die oppositionellen Sozialisten, hieß es ergänzend in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.[15]

Alte und neue Gemeinschaften

Im Rahmen des Abgrenzungskurses gegen Russland beschloss im Mai das moldauische Parlament, aus der Inter-Parlamentarischen Versammlung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) auszutreten.[16] Der Schritt wird als Beginn des vollständigen moldauischen Austritts aus der GUS angesehen, der die Mehrheit der postsowjetischen Staaten angehört. Im Juni fand dann ein Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft in der moldauischen Hauptstadt Chișinău statt. An ihm nahmen Vertreter fast aller europäischen Staaten jenseits der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) teil, darunter alle EU-Staaten, Großbritannien und die Republik Moldau selbst. Im Anschluss an den Gipfel erklärte EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola: „Für uns ist Moldaus Platz in Europa“. Gemeint war wohl die EU.[17] In einer Videobotschaft anlässlich des Gipfels äußerte Bundeskanzler Olaf Scholz, die Republik Moldau habe „unsere volle Unterstützung“ und sei „nicht allein“.[18]

Verfassungsänderung gefordert

Im Mai erklärte Staatspräsidentin Maia Sandu bei einer Kundgebung in Chișinău: „Europa ist Moldau, Moldau ist Europa“. Auf der Demonstration wurde eine Deklaration verlesen, in der eine Verfassungsänderung gefordert wird, „um den Beitritt der Republik Moldau zur Europäischen Union endgültig und unwiderruflich darin festzuschreiben“.[19] Bereits seit Juni vergangenen Jahres ist die Republik Moldau offizieller EU-Beitrittskandidat – ein Schritt, der in Wirklichkeit „verfrüht und rein symbolisch“ ist, wie EU-Diplomaten gegenüber der deutschen Presse einräumten.[20]

Ende der Neutralität?

Seit der Verabschiedung der ersten moldauischen Verfassung im Jahr 1994 ist das Land militärisch neutral. Die Republik beteiligt sich bisher nicht an Militärbündnissen; in den 1990er Jahren lehnte es die damalige Regierung beispielsweise ab, der Gemeinsamen Luftverteidigung der GUS beizutreten.[21] Damit könnte nun bald Schluss sein: Der moldauische Botschafter in Deutschland erklärte kürzlich, bei einer Neubewertung der Risiken des Landes stehe „eine Überprüfung des militärischen Neutralitätsstatus“ an. Mit dem Ende der Neutralität könnte die NATO-Mitgliedschaft vorbereitet werden.[22]

Anschluss?

Drei Jahrzehnte wirtschaftlichen Niedergangs in der Republik Moldau führen dazu, dass immer weniger Moldauer in einem eigenen Staat leben wollen. Im März 2021 plädierten laut einer Umfrage erstmals knapp 44 Prozent der Bürger des Landes für einen Beitritt zum benachbarten Rumänien.[23] Die politischen Eliten beider Länder sind heutzutage eng miteinander verbandelt. Ein Beispiel: Im November 2022 verlieh die moldauische Präsidentin Maia Sandu dem rumänischen Kriminologen Daniel-Marius Staicu die moldauische Staatsbürgerschaft. Wenige Wochen später wurde Staicu zum Direktor des Amtes für die Prävention und Bekämpfung von Geldwäsche in Moldau ernannt.[24] Klaus Iohannis, Präsident Rumäniens und ein enger deutscher Verbündeter in Südosteuropa, gilt als Verfechter der Idee eines Anschlusses Moldaus an Rumänien.[25] Sollte die Republik Moldau Rumänien beitreten, wäre sie unmittelbar Mitglied der EU und der NATO.

[1] Manuel Bewarder, Palina Milling: Putins Plan für Moldau. tagesschau.de 15.03.2023.
[2] Chiara Swaton: Austria sends police officers, soldiers to EU Moldova mission. euractiv.com 08.06.2023.
[3] Alexandra Brzozowski, Aurélie Pugnet: EU entsendet Moldau-Mission gegen russische Einflussnahme. euractiv.com 24.04.2023.
[4] Deutsche Polizei unterstützt Moldau. bundesregierung.de 24.05.2023.
[5] Moldova’s Border Guard Service will receive equipment worth EUR 730,000. ipn.md 24.10.2007.
[6] Joint operation Moldova 2023 kicks off. frontex.europa.eu 27.01.2023.
[7] Alexandra Brzozowski, Aurélie Pugnet: EU entsendet Moldau-Mission gegen russische Einflussnahme. euractiv.com 24.04.2023.
[8] Auswärtiges Amt zur Moldau-Unterstützungsplattform. auswaertiges-amt.de 21.03.2022.
[9] Paul-Anton Krüger, Kathrin Müller-Lancé: Staatskollaps verhindern. sueddeutsche.de 21.11.2022.
[10] Bundesregierung unterstützt Republik Moldau mit Ungebundenem Finanzkredit. bundesregierung.de 05.04.2022.
[11] Anna-Lena Trümpelmann: Umfrage zur politischen Lage in der Republik Moldau. freiheit.org 16.03.2023.
[12] S. dazu „Das Ringen um Moldau“.
[13] Cristina Cöllen: Solange das Geld fließt. Frankfurter Allgemeine Zeitung 20.07.2023.
[14] Partidul „ȘOR” este al doilea în preferințele de vot ale moldovenilor. primul.md 21.06.2023.
[15] Cristina Cöllen: Solange das Geld fließt. Frankfurter Allgemeine Zeitung 20.07.2023.
[16] Cristina Popusoi: Moldova Is Distancing Itself From The CIS, But Leaving Might Not Be So Easy. rferl.org 18.05.2023.
[17] Roberta Metsola: For us, Moldova’s place is in Europe. radiomoldova.md 01.06.2023.
[18] Die Republik Moldau ist nicht allein. bundesregierung.de 01.06.2023.
[19] Raimar Wagner: Historische Großkundgebung in Chișinău: Europa ist Moldau, Moldau ist Europa. freiheit.org 25.05.2023.
[20] EU-Kommission empfiehlt Beitrittskandidatenstatus für Ukraine und Moldau. rp-online.de 17.06.2022.
[21] David X. Noack: Moldova: The Whims of Neutrality Politics, in: Lottaz, Pascal/Gartner, Heinz/Reginbogin, Herbert R. (Hgg.): Neutral Beyond the Cold – Neutral States and the Post-Cold War International System, Lanham (MD) 2022, S. 151–167 (hier: S. 159).
[22] André Uzulis: „Unsere Freiheit ist das Verdienst der Ukrainer“. reservistenverband.de 07.07.2023.
[23] Kamil Całus: Moldova: record-breaking support for reunification with Romania. osw.waw.pl/en/ 19.04.2021.
[24] Catalina Mihai: Moldau sieht EU-Integration als Lösung für Transnistrien-Konflikt. euractiv.com 07.07.2023.
[25] Martin Sieg, Andrei Avram: Rumänien und Republik Moldau: 100-jähriges Jubiläum der Vereinigung feierlich begangen. kas.de 29.03.2018.

Der Originalartikel kann hier besucht werden