Letzten Donnerstag fand eine Anhörung im Kongress statt, bei der der CEO von TikTok fünf Stunden lang wegen „Sicherheitsbedenken“ ausgequetscht wurde. Das war nur wenige Tage, nachdem das FBI und das Justizministerium eine Untersuchung gegen das amerikanische Unternehmen in chinesischem Besitz eingeleitet hatten. Ist es nicht ironisch, dass die US-Regierung TikTok unter die Lupe nimmt, während sie bei ihren eigenen Überwachungsprogrammen gegen die amerikanische Bevölkerung ein Auge zudrückt?

Von Wei Yu, Nuvpreet Kalra und Melissa Garriga

Vor zehn Jahren erzählte Edward Snowden der ganzen Welt die Wahrheit über die globalen Überwachungsprogramme der USA. Wenn dem Kongress unsere digitale Privatsphäre am Herzen liegt, sollte er zuerst die Überwachungspolitik seiner eigenen US-Behörden untersuchen. Die Kampagne gegen TikTok ist eine Taktik der Angstmacherei, mit der gegen China Krieg geführt werden soll.

Im Jahr 2020 nutzte das FBI soziale Medien zur Überwachung von Demonstranten, die für Rassengerechtigkeit demonstrierten und verhaftet werden sollten. So wurde zum Beispiel der Aktivist Mike Avery verhaftet, nachdem er auf Facebook über Proteste gepostet hatte, und die Anklage wurde ein paar Wochen später ohne Erklärung fallen gelassen. Ein FBI-Beamter war so frustriert von der umfassenden Überwachung der sozialen Medien, dass er gegenüber The Intercept sagte: „Mann, ich weiß nicht mal mehr, was überhaupt noch legal ist“.

Die Dissonanz zwischen den Sicherheitsbedenken gegenüber TikTok und der Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen, um in die Privatsphäre von Menschen einzudringen, schrillt laut in unseren Ohren.

Soziale Medien sind ein Instrument, das seit langem von Bundesbehörden genutzt wird, um als „Bedrohung“ eingestufte Personen und Gemeinschaften ins Visier zu nehmen. Das Ministerium für Innere Sicherheit (Department of Homeland Security) und die Einwanderungs- und Zollbehörde (Immigration and Customs Enforcement) haben die Social-Media-Aktivitäten von Aktivisten für Einwanderungsrechte überwacht. Das Außenministerium nutzte soziale Medien, um muslimische, arabische, nahöstliche und südasiatische Gemeinschaften im Rahmen des „Muslim Ban“ der Trump-Regierung zu diskriminieren.

Erst letztes Jahr wurde das «Nach dem 11. September-Telefonüberwachungsprogramm» der NSA Berichten zufolge eingestellt. Große Telekommunikationsunternehmen wie Verizon gaben der Regierung Zugriff auf Hunderte Millionen von Anrufen und SMS. Dataminr, ein Startup-Partner von Twitter, versorgte die Polizei mit Daten über BlackLivesMatter-Proteste. Ein Fokus auf „potenzielle Bandenmitglieder“ nahm schwarze und lateinamerikanische Menschen ins Visier, darunter auch Kinder im Schulalter.

Metas Tochterunternehmen WhatsApp wurde Berichten zufolge von der saudischen Regierung benutzt, um das Telefon des Journalisten Jamal Khashoggi zu hacken. Meta selbst hat ein sogenanntes VPN-Netzwerk benutzt, um die Smartphones der Nutzer:innen für Marktforschungszwecke auszuspionieren und dafür Bestechungsgelder zu erhalten. Dennoch ist WhatsApp auf Regierungsgeräten nicht verboten.

Wenn unseren Gesetzgebern der Schutz der digitalen Privatsphäre ein Anliegen ist, dann sollte der Kongress damit beginnen, die amerikanischen Bundesbehörden zu untersuchen. Im Gegensatz zu China und anderen westlichen Ländern, etwa der EU, gibt es in den USA keine Gesetze zum Schutz der digitalen Privatsphäre auf Bundesebene. Die USA könnten mit China zusammenarbeiten, um die Privatsphäre der Menschen besser zu gewährleisten, anstatt Angst zu schüren, um eine einzelne Social-Media-Plattform ins Visier zu nehmen.

Bei den laufenden Bemühungen, TikTok zu untersuchen und zu verbieten, geht es nicht um unsere Privatsphäre, sondern darum, weitere Aggressionen gegen China anzuheizen. Die Angstmacherei wegen China hat auch zum Anstieg des antiasiatischen Rassismus in den USA geführt. Indem sie TikTok verbieten, projizieren die USA ihre eigene invasive Politik auf eine andere Regierung. Kriegshetzer nutzen das Thema, um Paranoia zu erzeugen und noch mehr Aggressionen gegen China zu rechtfertigen.

Es ist kein Zufall, dass diese jüngsten Verbote kurz nach dem Abschuss eines chinesischen Wetterballons über den USA ausgesprochen wurden. Datenschutzbedenken werden benutzt, um gegen China Krieg zu führen. Die USA sollten sich auf die Verabschiedung von nationalen Datenschutzgesetzen konzentrieren, anstatt eine einzelne App ins Visier zu nehmen. Doppelmoral und Kriegstreiberei gegen China müssen aufhören. China ist nicht unser Feind.

Übersetzung aus dem Englischen von Domenica Ott vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!


Wei Yu ist CODEPINKs ‚China ist nicht unser Feind‘-Koordinator. Nuvpreet Kalra ist CODEPINKs Social-Media-Praktikantin, und Melissa Garriga ist CODEPINKs Medienbeauftragte.