Als ich Fotos von einem Festival mit Trommeln, Tänzen und afrikanischer Kleidung gesehen habe und mit Leuten, die eine mir unbekannte Sprache gesprochen haben, dachte ich: „Das ist bestimmt in Afrika!“ Doch stattdessen war es in den USA. In dem Gebiet der Inseln und der Küstenebenen Georgias, Floridas und South Carolinas findet jedes Jahr ein großes Kulturfestival statt, und wir sprechen hier über etwas kaum Bekanntes: eine kleine afrikanische Nation inmitten der USA.

Ich meine die Gullah oder Geechee, Nachfahren afrikanischer Sklaven, die in den Reisfeldern und Baumwoll- und Indigoplantaten gearbeitet haben und verschiedenen Völkern angehörten – Fangi, Yoruba, Ashanti, Bambara – und die sich mit den indianischen Stämmen vermischt haben. Hierbei handelt es sich um eines der ersten Beispiele des Panafrikanismus außerhalb des Kontinents.

Kenntnisse

Die Gullah sind noch immer in der Landwirtschaft tätig, insbesondere im Weinbau. Doch sie zeichnen sich auch auf dem Gebiet der Architektur aus, denn sie haben mit Muscheln verzierte Kirchen errichtet, die an jene der Küstengebiete von Tanganyika und Kenia erinnern. Darüber hinaus haben sie die traditionellen Lieder und Tänze bewahrt sowie überhaupt wichtige kulturelle Aspekte Afrikas, besonders in der Gastronomie, der traditionellen Medizin, der Musik, der Mystik und der Kleidung. Ihre Giti genannte Sprache ist eine Mischung aus kreolisch, englisch und verschiedenen afrikanischen Sprachen. Sie hat es ihnen ermöglicht, besser untereinander zu kommunizieren und ihre Kenntnisse zu teilen. Jahrhundertelang war die Sprache verboten, wurde jedoch im Verborgenen gesprochen.

Es heißt, dass Martin Luther King fasziniert und stolz auf die Gullah-Nation gewesen sei und er dort seine berühmte Rede „I have a dream“ geschrieben hat.

Die Verfassung

Am 2. Juli 2000 wurde die Anwältin Marquetta L. Goodwine – Queen Quet als Vertreterin der Gullah/Geechee gewählt, einer Nation in der Nation, die formal in Anwesenheit von internationalen Beobachtern gegründet und 2008 von der UNESCO anerkannt worden ist.

Die Nation hat sich eine 21-seitige Verfassung gegeben, in der die Prinzipien verankert sind, nach denen der Ältestenrat und die Vertreterversammlung gemeinsam mit der Königin Quet arbeiten.

Die Gullah organisieren Konferenzen, Seminare, Festivals sowie Feierlichkeiten der Kultur, der mündlich überlieferten Traditionen, der Geschichte und des Kunsthandwerks, um so ihr historisches Erbe zu bewahren und die Menschenrechte zu schützen. Dabei unterhalten sie Beziehungen zu Organisationen, anderen Nationen und Institutionen. Auf ihrer Facebook-Seite finden sich Beispiele dieser umfangreichen Aktivitäten: die Feier zum Black History Month, eine interaktive Umweltkonferenz mit dem Fokus auf ökologische Praktiken, das kulturelle Erbe der indigenen Bevölkerung, die Küstengemeinden, Autonomie und Nachhaltigkeit und vieles mehr. Der Anstieg des Meeresspiegels aufgrund des Klimawandels und die Ausbreitung des Massentourismus bedrohen die Kultur und sogar die Existenz der Gullah, die jedoch entschlossen sind, das Erbe ihrer mutigen Vorfahren zu verteidigen.

http://www.gullahgeecheenation.com/
https://www.facebook.com/GullahGeecheeWeBe/

Weitere Artikel in der Reihe „Afrika, eine Geschichte zum Wiederentdecken“ sind hier zu finden.

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Silvia Sander vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!