Ein vom UN Green Climate Fund (GCF) finanziertes Projekt über 115 Millionen Dollar droht, die indigene Bevölkerung Nicaraguas weiterer Gewalt auszusetzen und sie von ihrem angestammten Land zu vertreiben. Die Klimazerstörung könnte zusätzlich angefacht, die Glaubwürdigkeit des Fonds ernsthaft beschädigt werden. Die im GCF vertretenen Länder haben eine Verantwortung, dieses Projekt zu stoppen, das den Regenwald des Biosphärenreservats Bosawás gefährdet.

Am Abend des 29. Januar 2020 wurde das friedliche Mayangna-Dorf Alal im Regenwald im Norden Nicaraguas von Dutzenden schwer bewaffneter Männer überfallen. Sechs Dorfbewohner wurden erschossen, viele weitere verwundet, und mehrere Häuser wurden niedergebrannt. Die meisten der 800 Einwohner*innen flohen in den Wald, während die Angreifer das Vieh stahlen. Dieser Vorfall ist nur einer in einer Reihe von bewaffneten Angriffen auf die indigenen Gruppen der Miskito und Mayangna. Diese Gemeinschaften bewohnen seit Hunderten von Jahren den Regenwald an der Ostküste des Landes, am Atlantik und der Karibik.

Früher waren dies abgelegene Regionen ohne kommerziellen Wert für die Außenwelt. Sie waren von indigenen Völkern bewohnt, die im Einklang mit der Natur lebten. Heute jedoch ist das Gebiet für Außenstehende, die auf der Suche nach Gold und anderen Mineralien sind, zunehmend attraktiv geworden. Laut dem Bericht „Nicaragua: A Failed Revolution“ des Oakland Institute wurden zwischen 2015 und 2020 40 Mitglieder der indigenen Gemeinschaft getötet, viele wurden verletzt, andere entführt und geschlagen, und Tausende von Menschen mussten aus ihren Häusern fliehen. Auch mehrere Anführer*innen indigener Organisationen wurden getötet.

Eine Bedrohung für den größten Regenwald Zentralamerikas

In den vergangenen drei Jahren hat die nicaraguanische Regierung Gesetze verabschiedet, die den demokratischen und zivilgesellschaftlichen Spielraum weiter einschränkt. Dabei sind indigene und afro-nicaraguanische Communities zu einer besonderen Zielscheibe geworden, denn sie haben beschlossen, ihr Schweigen angesichts der Einschüchterungen zu brechen. Im Jahr 2021 schloss die Regierung das Zentrum für Gerechtigkeit und Menschenrechte an der Atlantikküste Nicaraguas (CEJUDHCAN), eine Einrichtung, die die Übergriffe der Rohstoffindustrie, die von illegalen Siedlern ausgeübte Gewalt und die Besetzung indigener Gebiete durch Viehzüchter dokumentierte.

Darüber hinaus wurden mehrere der führenden Umweltaktivist*innen Nicaraguas, die sich für die Landrechte der indigenen Gruppen eingesetzt haben, ins Exil gezwungen. Während der demokratische Spielraum schrumpfte, unternahm die nicaraguanische Regierung unter Daniel Ortega und Rosario Murillo nichts, um die Gewalt im Biosphärenreservat Bosawás zu beenden. Stattdessen hat sie die Aktivist*innen beschuldigt, dem Land zu schaden, und Haftbefehle gegen sie erlassen.

Bosawás ist reich an Flora und Fauna: Es ist heute der größte Regenwald in Mittelamerika und der drittgrößte Waldschutzgebiet der Welt. Seit 1997 steht das Gebiet auf der Liste der von der Unesco geschützten Biosphären. Darüber hinaus hat der nicaraguanische Staat 2005 den indigenen Völkern das Recht auf Land zuerkannt. Sowohl der Hochkommissar für Menschenrechte als auch die Interamerikanische Menschenrechtskommission (CIDH) haben die nicaraguanische Regierung scharf kritisiert, Gerechtigkeit gefordert und den aktiven Schutz der indigenen Völker vor den Invasoren verlangt. Bislang jedoch ohne Erfolg.

Im Jahr 2023 hat die CIDH bislang in elf Miskito-Gemeinden und einer Mayangna-Gemeinde an der nördlichen Karibikküste Präventionsmaßnahmen ergriffen, um sie zukünftig vor Invasionen zu schützen. Drei weitere Gemeinschaften hatten bereits zwischen 2015 und 2019 diese Vorsichtsmaßnahmen erhalten. Die nicaraguanischen Behörden haben jedoch nichts unternommen, um diese durchzusetzen, so dass diese Gemeinschaften im Fall einer Invasion besonders gefährdet sind.

Das Projekt Bio-CLIMA und die Untätigkeit des Staates

Zwischen 2000 und 2015 hat Nicaragua mit einem eigenen Gesetz erhebliche Fortschritte bei der Festlegung und Titulierung indigener und afro-nicaraguanischer Gemeinschaften in den autonomen Gebieten gemacht. Bis 2023 wurden 24 Gebiete indigener und afro- nicaraguanischer Gemeinschaften auf einer Fläche von 40.000 Quadratkilometern als Territorien ausgewiesen. Das sind 31 Prozent der Landfläche Nicaraguas. Das Gesetz sieht jedoch fünf Phasen innerhalb des Demarkations- und Titulierungsprozesses vor: Antragstellung, Konfliktlösung, Vermessung und Gebietsabgrenzung, Titulierung und schließlich die Phase der „Klärung der Landrechte“ oder Sanierung. Bislang ist das Verfahren nur bis zur vierten Phase vorangeschritten, was ein institutionelles Vakuum geschaffen hat. Laut Gesetz besteht die Sanierung darin, den Rechtsstatus des Besitzes von Dritten zu klären, die indigene, titulierte Territorien besetzen.

Leider hat die fehlende Umsetzung der Sanierungsphase neuen illegalen Besetzungen, der Verfestigung von De-facto-Besitz und der Zunahme von Konflikten zwischen indigenen und nicht-indigenen Dorfbewohner*innen Vorschub geleistet. Darüber hinaus wurden die internen Selbstverwaltungsverfahren für die Wahl indigener und afro-nicaraguanischer Verwaltungen (die ebenfalls gesetzlich garantiert sind) häufig von politischen Akteur*innen des nicaraguanischen Regimes behindert. Die starke Zentralisierung der Regierung hat das Selbstbestimmungsrecht und die indigene Autonomie geschwächt.

Die indigenen Gemeinschaften an der nicaraguanischen Atlantikküste fordern die Umsetzung der Sanierungsvorhaben und eine Eindämmung der Korruption. Foto: CEJUDHCAN/iccaconsortium.org (CC BY-NC-SA 4.0)

In diesem an sich schon schwierigen und gewalttätigen Kontext zeichnet sich eine neue Bedrohung für die indigenen Völker Nicaraguas und den Regenwald von Bosawás ab. Der Grüne Klimafonds der Vereinten Nationen (GCF) plant in Bosawás ein großes Projekt namens Bio-CLIMA. Sein Ziel ist es, die Abholzung einzudämmen und die Kohlendioxidabsorption in dem Gebiet zu erhöhen. Das Gesamtbudget für einen Zeitraum von sieben Jahren beläuft sich auf über 116 Millionen Dollar (die Hälfte davon in Form von Zuschüssen). Der größte Teil davon soll für Investitionen zur Förderung der „nachhaltigen Produktion“ und der Waldbewirtschaftung in Bosawás verwendet werden.

Der GCF leistet den größten finanziellen Beitrag. Zusätzlich kommen Mittel von der Global Environment Facility (GEF) und der Zentralamerikanischen Bank für wirtschaftliche Integration (BCIE). Letztere hat die Aufgabe, die Mittel an die nicaraguanische Regierung weiterzuleiten. In den letzten Jahren war die BCIE ein wichtiger Geldgeber für Nicaragua, obwohl sie wegen fehlender Kontrollmechanismen und ihrer starken Unterstützung für die repressiven Machthaber*innen des Landes stark kritisiert wurde. Die Unterstützung des Ortega-Murillo-Regimes belief sich auf rund 26 Prozent ihres Kreditportfolios von insgesamt 3,5 Milliarden Dollar. Die Rolle der Bank ist umso problematischer, als die nicaraguanische Regierung im Zusammenhang mit der politischen Krise vom April 2018 schwerer Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschuldigt wird.

Ein Projekt, das die Rechte indigener Gruppen verletzen würde

Das Gesamtziel mag lobenswert sein, aber das Projekt Bio-CLIMA ist unrealistisch und könnte großen Schaden anrichten. „Es wäre so, als würde man Benzin auf ein Feuer gießen, das ohnehin schon schwer zu kontrollieren ist“, sagte ein Vertreter der indigenen Gruppen kürzlich. Wenn das Projekt verwirklicht wird, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Gewalt gegen die indigenen Völker von Bosawás stark zunehmen wird, ebenso wie die Abholzung und andere Formen der Landzerstörung. Und es könnte sogar noch schlimmer werden, weil die produktiven Tätigkeiten, für die großzügig Mittel bereitgestellt werden sollen, nicht der traditionellen Praxis der Landbewirtschaftung und des Ressourcenmanagements der indigenen Gemeinschaften entsprechen.

Das Projekt würde Außenstehende anlocken, welche die indigenen Gemeinschaften verdrängen und sich das Gemeindeland gewaltsam aneignen könnten. Das Projekt zielt darauf ab, das Konzept des „Zusammenlebens“ zwischen indigenen Gemeinschaften und illegalen Siedler*innen zu fördern und damit die Enteignung indigenen Landes zu legitimieren und zu normalisieren. Die „Koexistenz“ wurde von den indigenen Behörden und Organisationen an der Küste stets abgelehnt, da sie den Rechten der nicht-indigenen Bevölkerung Vorrang vor denen der lokalen indigenen Gemeinschaften einräumt. Darüber hinaus unterstützt die nicaraguanische Regierung, die dringend Zugang zu ausländischen Finanzmitteln sucht, den groß angelegten Holzeinschlag und Bergbau im ganzen Land und natürlich auch in Bosawás.

Es gibt jedoch noch eine Möglichkeit, dies zu verhindern. Das Projekt Bio-CLIMA wurde im November 2020 vom Grünen Klimafonds genehmigt und sollte im Dezember des folgenden Jahres anlaufen. Doch bereits ein halbes Jahr später, im Juni 2021, ging beim GCF eine offizielle Beschwerde von Vertreter*innen der Bevölkerung des Bosawás gegen das Projekt ein. Zusätzlich zu den bereits erwähnten Kritikpunkten wurde in der Beschwerde darauf hingewiesen, dass weder sie noch ihre legitimen Vertreter*innen bei der Ausarbeitung des Projekts konsultiert worden waren. Die GCF-Regel, wonach ein „Verfahren der freien, vorherigen und in Kenntnis der Sachlage erfolgten Zustimmung“ angewandt werden muss, sei daher nicht eingehalten worden.

Eine Gelegenheit, sich von dem Projekt zu distanzieren

Diese Beschwerde wurde vom GCF sehr ernst genommen. Im März 2022 gab das interne Aufsichtsgremium, der Interne Rechtsbehelfsmechanismus (MIR), eine erste Stellungnahme ab, in der es hieß, dass vorläufige Informationen darauf hindeuteten, dass die vorgebrachten Bedenken gerechtfertigt sind: „Auf den ersten Blick gab es Hinweise auf nachteilige Auswirkungen, die den Beschwerdeführern entstanden sind oder wahrscheinlich entstehen würden, falls das Projekt nicht mit den Strategien und Verfahren des GCF übereinstimmt“. Der MIR empfahl, eine umfassende Untersuchung mit Vor-Ort-Terminen durchzuführen. Das Projekt würde bis zum Vorliegen dieses Berichts auf Eis gelegt, was ungewöhnlich, aber positiv ist. Eine endgültige Entscheidung ist jedoch noch nicht getroffen worden, und die vollständige Untersuchung (die inzwischen abgeschlossen ist) wurde noch nicht veröffentlicht.

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Weltbank kürzlich ein ähnliches Projekt zur Kohlenstoffbindung auf indigenem Land in Nicaragua gestoppt hat. Dieses Projekt, das ursprünglich Mitte 2019 genehmigt worden war, wurde aufgrund eines Umfeldes von Gewalt, Zwangsvertreibung und Naturkatastrophen in indigenen Gebieten in Nicaragua als unangemessen erachtet. Es wurde schließlich im Februar 2021 aufgegeben. Trotzdem ist die Weltbank im Rahmen der Forest Carbon Partnership Facility (FPCF) des Bio-CLIMA-Finanzierungsprogramms weiterhin als Geber von 24 Millionen Dollar aufgeführt. Es bleibt nun abzuwarten, ob die Bank auch dieses Projekt, für das die indigenen Völker nicht konsultiert wurden, als unangemessen ansehen wird.

Entscheidung über BioClima-Projekt vom 13.-16. März

Die Frage des Bio-CLIMA-Projekts wird auf der Vorstandssitzung des Green Climate Fund vom 13. bis 16. März in Südkorea geklärt werden. Die wichtigsten Beitragszahler des GCF, wie Großbritannien, Deutschland, Japan, Frankreich, Schweden, Norwegen und Kanada, sind im Vorstand vertreten und können (und sollten) eine wichtige Rolle spielen. Alle diese Länder haben die UN-Erklärung über die Rechte indigener Gruppen aus dem Jahr 2007 unterzeichnet. Es wäre zu wünschen, dass sie sich mit den anderen Mitgliedsstaaten darauf einigen, sich von dem Projekt zu distanzieren.

Sollte das Bio-CLIMA-Projekt umgesetzt werden, könnte es zu mehr Gewalt und Menschenrechtsverletzungen führen, die Klimazerstörung verstärken und die Glaubwürdigkeit des Green Climate Fund ernsthaft beschädigen.

*Miguel González ist Anthropologe und Politologe der York University (Toronto) sowie Buchautor. Pierre Frühling ist Anthropologe und beschäftigt sich seit 40 Jahren mit dem Thema Entwicklung.

Quelle: Veröffentlicht in Debates indígenas am 1. März 2023 und unter Vorbehalt wiedergegeben auf Servindi: https://bit.ly/3KNqDGG

Übersetzung: Annette Brox

Der Originalartikel kann hier besucht werden