Ein medizinisches Team registriert zufällig die Gehirnaktivität einer Person in der Zeit vor und nach ihrem Tod.

Es ist ein Tag wie jeder andere im Krankenhaus. Die Ärzt*innen bereiten sich darauf vor, einen Test zur Messung der Gehirnströme an einem 87-jährigen Mann durchzuführen, welcher nach einem Unfall epileptische Anfälle erlitt. Sie ahnen nicht, dass sie kurz vor einer erstaunlichen Entdeckung stehen.

Während des EEGs erlitt der Patient einen Herzstillstand und starb. Die Maschinen liefen jedoch weiterhin und zeichneten seine Gehirnaktivität auf.

Die Beweise

Nach einer Studie, welche das Ärzteteam in der Zeitschrift „Frontiers in Aging Neuroscience“ veröffentlichte:

„Nach dem Herzstillstand waren die Delta-, Beta- und Alpha-Leistungen reduziert, aber ein höherer Prozentsatz an relativer Gamma-Leistung wurde beobachtet (…), sogar nach Einstellung des zerebralen Blutflusses.“ „Unsere Daten liefern den ersten Beweis für das sterbende menschliche Gehirn in klinischer Umgebung (…) und legen nahe, dass das menschliche Gehirn die Fähigkeit besitzt, während des Sterbeprozesses koordinierte Aktivitäten zu generieren.“

In einem Interview mit der BBC erklärte Dr. Ajmal Zemmar, Neurochirurg (University of Louisville, USA) und Mitautor der Studie:

,,Das ist das erste Mal in der Geschichte, dass die Gehirnaktivität eines menschlichen Gehirns vom lebenden bis zum verstorbenen Zustand aufgezeichnet wurde (…) wir haben bestimmte rhythmische Muster in den Gehirnwellen gefunden, welche auftreten wenn Menschen Erinnerungen haben, meditieren, sich konzentrieren oder träumen (…) es passiert bevor und nachdem das Herz aufgehört hat zu schlagen.“

Auf einer subjektiveren Ebene teilt Dr. Ajmal seine Gedanken:

„Es scheint so, als würde diese neue Phase des Todes eintreten, wenn die Person kurz vor dem Sterben ist (…) dies führt zu der faszinierenden Spekulation, dass wir hier das neurophysiologische Korrelat zu jenen Nahtoderfahrungen (NTEs) haben, die Menschen immer wieder erleben (…) und von einem Flashback ihres Lebens berichten.“

Der Plan

Nach der Veröffentlichung der Studie wurde in zahlreichen Presseartikeln die Entdeckung der wissenschaftlichen Grundlage für Nahtoderfahrungen verkündet – besonders die „das Leben zieht an dir vorbei, wie ein Film“-Erfahrung, welche von Personen, die klinisch tot waren und überlebten, berichtet wird. Diese Schlussfolgerung könnte zutreffen, aber sie konzentriert die Debatte darauf, ob die neue medizinische Entdeckung ein fester Beweis für solche Erfahrungen ist oder nicht.

Erstaunlich ist die Tatsache an sich – faszinierend ohne weitere Beweise – dass etwas in unserem Gehirn passiert, nachdem wir gestorben sind. Es gibt also gesetzte Prozesse im Gehirn für den Sterbeprozess, selbst noch wenn unser Herz aufgehört hat zu schlagen.

Wir kommen mit zahlreichen Reflexen auf die Welt, welche während unseres ersten Lebensjahres bestehen bleiben: das Greifen mit unseren Händen, das Saugen mit unserem Mund, das Anspannen des Nackens und das Ausstrecken eines Arms, wenn man mit dem Gesicht nach unten liegt (um nicht zu ertrinken), usw. und sie alle tragen wesentlich zu unserem Überleben bei.

Somit kommt die Frage auf: Welchen Nutzen hätte solch ein Mechanismus im Gehirn während des Sterbeprozesses und zum Zeitpunkt des Todes für die Evolution? In dem Zustand können wir nicht mehr im Wettbewerb zu anderen stehen, wie ein Löwe der Savanne. Und es ist offensichtlich, dass eine Reproduktion nicht mehr möglich ist. Wieso also haben wir dann trotzdem solch eine vorprogrammierte Funktion in unserem Gehirn? Könnte es sein, dass der Plan der Evolution und der des Lebens sich unterscheiden?

Der vorherrschende Glaube sagt uns, dass wir auf der Welt sind, um untereinander zu konkurrieren, um Macht anzuhäufen – dass unsere Gene diejenigen sind, die die Zukunft bekommen. Ein aufgeblasenes Ego nicht nur im Leben, sondern für immer und ewig. Außerdem sind wir von Verhaltensweisen von Tierarten umgeben, die eine solche Schlussfolgerung rechtfertigen.

Aber ein Programm, dass in unseren genetischen Code eingebettet ist, wartet geduldig und in aller Ruhe auf seine Zeit, kurz bevor dem Tod, wie ein Computervirus. Vielleicht ist es so programmiert, dass es uns im Tod leichter fällt, das Wesentliche unseres Lebens zu erkennen, vielleicht will es uns helfen, etwas zu enthüllen, das unser Bewusstsein in unserer Existenz nur erahnen konnte. Vielleicht ist es die genetische Widerspiegelung des Satzes:

„Wahre Weisheit liegt in der Tiefe deines Bewusstseins, so wie wahre Liebe in der Tiefe deines Herzens liegt.“ (Silo, „Die Heilung des Leidens“, 1969)

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Sena Telli vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!