Ausbildung ukrainischer Soldaten hat in Rheinland-Pfalz begonnen. Das Bundesland gilt als Drehscheibe für US-Kriege in Mittelost sowie für NATO-Operationen gegen Russland.

Die Ausbildung ukrainischer Soldaten an der Panzerhaubitze 2000 in Deutschland hat begonnen. Wie berichtet wird, sind die ersten ukrainischen Militärs bereits am Dienstag in der Bundesrepublik eingetroffen; gestern nahmen sie ihr Trainingsprogramm an der Artillerieschule der Bundeswehr in Idar-Oberstein (Rheinland-Pfalz) auf. Das Bundesland hat sich bereits zuvor zu einer Drehscheibe für die militärische Unterstützung der Ukraine entwickelt – mit der Lieferung von Kriegsgerät über die U.S. Air Base Ramstein nach Polen. Auf dem Luftwaffenstützpunkt ist zudem das NATO Air Allied Command angesiedelt, das die Luftoperationen des Bündnisses in Ost- und Südosteuropa führt, darunter Patrouillenflüge auch deutscher Kampfjets im Baltikum und am Schwarzen Meer. Rheinland-Pfalz, das diverse weitere US-Stützpunkte beherbergt, wird laut Einschätzung seines Innenministers Roger Lewentz (SPD) in den USA eine „unglaubliche Bedeutungsaufwertung erfahren“: als Drehscheibe nicht mehr nur für US-Kriege in der arabischen Welt, sondern auch für NATO-Operationen gegen Russland.

Die Air Base Ramstein

Kernelement der US- und der NATO-Militärinfrastruktur in Rheinland-Pfalz und steuerndes Zentrum für die aktuellen NATO-Luftoperationen im Osten und Südosten des Bündnisgebiets ist die U.S. Air Base Ramstein bei Kaiserslautern, der größte Stützpunkt der US-Luftwaffe außerhalb der Vereinigten Staaten. Dort hat zum einen das Hauptquartier der US-Luftstreitkräfte für Europa und Afrika seinen Sitz, das die Operationen der U.S. Air Force auf beiden Kontinenten führt. Zum anderen ist in Ramstein das 86. Lufttransportgeschwader der US-Streitkräfte untergebracht. Der Stützpunkt ist das zentrale Drehkreuz für den Transport von US-Truppen und -Kriegsgerät nicht nur nach Europa, sondern etwa auch in den Nahen und Mittleren Osten inklusive Nachschub für die dortigen Kriege. Aktuell wird die Air Base mutmaßlich genutzt, um für die Ukraine vorgesehene US-Rüstungsgüter nach Polen zu schaffen, von wo sie an die ukrainischen Streitkräfte weitergeleitet werden. Berichten zufolge wurden auch US-Waffenlieferungen an Milizionäre in Syrien über Ramstein abgewickelt.[1] Auf der Air Base wird außerdem eine Satelliten-Relaisstation betrieben, über die die US-Drohneneinsätze in Nah- und Mittelost sowie in Afrika mit ihren zahllosen zivilen Todesopfern gesteuert werden.[2]

NATO-Operationen im Osten

Auf der Air Base Ramstein ist neben dem Hauptquartier der US-Luftstreitkräfte in Europa und Afrika auch das NATO Allied Air Command angesiedelt, das NATO-Hauptquartier, das die Bündnisoperationen im Luft- und im Weltraum sowie die gemeinsame Raketenabwehr führt. Zu seinen Aufgaben gehört es zum Beispiel, die Luftraumüberwachung zu steuern, die die NATO seit 2004 im Baltikum durchführt; sie hat sie seit 2014 aufgestockt und auf den Südosten des Bündnisgebiets ausgeweitet. Aktuell führt eine eigens im Allied Air Command eingerichtete Joint Force Air Component (JFAC) die Luftoperationen der NATO nahe den Grenzen zu Russland, zu Belarus und zur Ukraine. Zusätzlich zur längst üblichen, jetzt aber erneut aufgestockten Luftraumüberwachung patrouillieren dort nun auch weitere Kampfjets aus NATO-Staaten, die teilweise von ihren Heimatstandorten aus operieren und daher auf Luftbetankung durch Tankflugzeuge angewiesen sind. Nach Angaben aus Ramstein sind zu jedem Zeitpunkt rund 30 NATO-Flugzeuge zwischen Estland und Bulgarien im Einsatz, darunter Eurofighter der deutschen Luftwaffe.[3] Auch Abwehrsysteme wie etwa die Patriot-Luftabwehrbatterien, die die Bundeswehr unlängst in die Slowakei verlegt hat, werden von Ramstein aus kontrolliert.[4]

Die Kaiserslautern Military Community

Die U.S. Air Base Ramstein ist Teil eines regionalen US-Militärkonglomerats, das unter anderem auch Kasernen in Kaiserslautern, das Militärkrankenhaus Landstuhl und das Miesau Army Depot umfasst. Letzteres gilt als größtes US-Munitionslager außerhalb der Vereinigten Staaten; es ist Teil eines Systems von US-Materiallagern in Westeuropa, die Kriegsgerät für den Fall militärischer Auseinandersetzungen mit Russland bereithalten sowie bei Bedarf genutzt werden sollen, um einfliegende US-Truppen auf dem Weg zur osteuropäischen Front auszurüsten.[5] Landstuhl wiederum ist das größte US-Militärkrankenhaus außerhalb der Vereinigten Staaten; dort wurden und werden etwa US-Soldaten behandelt, die in Kriegen im Nahen und Mittleren Osten schwere Verletzungen erlitten. Aktuell wird in Weilerbach ganz in der Nähe für mehr als eine Milliarde US-Dollar ein neues US-Militärkrankenhaus errichtet, das dasjenige in Landstuhl ersetzen soll; es soll baulich direkt an den Flugplatz Ramstein angeschlossen werden. Alle Soldaten sowie Angestellte der US-Militäreinrichtungen in und bei Kaiserslautern und ihre Familien werden zuweilen als Kaiserslautern Military Community bezeichnet; diese ist mit über 50.000 Personen die größte Community ihrer Art weltweit.

Kampfjets und Atombomben

Weiter entfernt im Nordwesten, bereits in der Eifel, aber noch in Rheinland-Pfalz befindet sich mit der Air Base Spangdahlem ein weiterer bedeutender US-Luftwaffenstützpunkt. Dort sind in den vergangenen Wochen zusätzlich zu den ohnehin stationierten Kampfjets vom Typ F-16 zahlreiche zusätzliche US-Flugzeuge eingetroffen, um die Operationen im Osten und im Südosten des Bündnisgebiets zu verstärken: Kampfjets vom Typ F-35A, Kampfjets EA-18G Growler, die auf elektronische Kampfführung spezialisiert sind, sowie Tankflugzeuge KC-135. Letztere werden gegenwärtig genutzt, um diejenigen US-Kampfjets zu betanken, die von Spangdahlem aus zu Patrouillenflügen nach Ost- und Südosteuropa starten. Nordöstlich von Spangdahlem lagern auf dem Fliegerhorst Büchel in der rheinland-pfälzischen Eifel US-Atombomben, die im Rahmen der sogenannten nuklearen Teilhabe bei Bedarf von deutschen Kampfjets an den Zielort geflogen werden sollen. Der Fliegerhorst wird in den kommenden Jahren für mehr als eine Viertelmilliarde Euro ausgebaut werden. Die bisher dort stationierten Tornado-Kampfjets werden ab 2026 durch US-Kampfjets vom Typ F-35 ersetzt. Zuletzt hat die Debatte um einen drohenden Atomkrieg Büchel erneut ins Rampenlicht gerückt.

Panzerhaubitzen für die Ukraine

Zur US-Militärinfrastruktur in Rheinland-Pfalz gehört nicht zuletzt ein Stützpunkt der U.S. Army in Baumholder. Er soll ausgebaut werden; das US-Budget allein für das Jahr 2023 sieht dafür gut 200 Millionen US-Dollar vor. Geplant ist nicht nur der Bau eines neuen Wohnkomplexes für zusätzlich stationierte US-Soldaten, sondern Berichten zufolge auch eine Trainingsanlage für Spezialkräfte; demnach könnte künftig eine Einheit der Navy Seals in Baumholder stationiert werden.[6] Die US-Truppen in Baumholder trainieren gewöhnlich auf dem örtlichen Truppenübungsplatz, der von der Bundeswehr verwaltet wird. Erst kürzlich wurde bekannt, dass auf dem Gelände voraussichtlich auch ukrainische Soldaten üben werden; es geht um die Einweisung in den Gebrauch der Panzerhaubitze 2000, von der Berlin Kiew sieben Exemplare zugesagt hat, Den Haag fünf weitere. Das Trainingsprogramm hat, wie berichtet wird, am gestrigen Mittwoch begonnen; eine erste Übungsphase findet demnach in der Artillerieschule der Bundeswehr im nahe gelegenen Idar-Oberstein statt.[7] Da eine Panzerhaubitze gewöhnlich von fünf Soldaten bedient werde, gehe man von mindestens 60 ukrainischen Militärs aus, heißt es; hinzu kämen Techniker und Dolmetscher. Für die Ausbildung werden rund 40 Tage veranschlagt, womöglich weniger.


[1] Michael Weißenborn: „Sag nichts, frag nicht“. stuttgarter-nachrichten.de 13.09.2017.

[2] S. dazu 17 Jahre „Anti-Terror-Krieg“.

[3] Allies Stand Together to Bolster NATO’s Eastern Flank. ac.nato.int 10.05.2022.

[4] S. dazu Waffenstellerkonferenz in Ramstein.

[5] S. dazu Vom Frontstaat zur Transitzone (II).

[6] Christian Altmayer: US-Militär: Was die Investitionen für Spangdahlem und Baumholder bedeuten. swr.de 05.04.2022.

[7] Ukrainische Soldaten zur Ausbildung in Rheinland-Pfalz angekommen. swr.de 11.05.2022.

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