Im Ukraine-Krieg kommt eine weitere Manipulationstechnik zum Einsatz: die fingierte Faktenprüfung.

Anfang März zeigte das Morgenprogramm des russischen Fernsehens Kanal1 einen Beitrag, welcher das Publikum darauf aufmerksam machen sollte, dass manipulierte Bilder über den Krieg in der Ukraine im Umlauf sind. Zu sehen waren Aufnahmen, die dokumentieren sollten, wie die ukrainische Armee russische Militärfahrzeuge zerstörte. Laut Kanal1 handelte es sich um eine Täuschung. Doch bei diesem Fernsehbeitrag, der auf einem sogenannten Fact Checking beruhte, handelte es sich seinerseits um eine Manipulation. Dies schreibt das US-amerikanische Recherche-Organ «Pro Publica» in einem kürzlich erschienenen Artikel. Demnach missbrauchen unbekannte Akteure die Faktenprüfung als neues Mittel, um Desinformation zu betreiben. Es handelt sich wohl um Personen im Umfeld des Kremls.

Das Fact Checking ist in jüngster Zeit eine beliebte journalistische Form geworden, um Informationsbeiträge auf ihren Tatsachengehalt hin zu prüfen – auch im Krieg gegen die Ukraine. Unabhängig davon, dass diese Praxis im Einzelfall nicht über alle Zweifel erhaben ist und dass zuweilen Zweifel an der Voreingenommenheit der Prüfer bestehen bleiben, geht es hier doch um den gutgemeinten Versuch, auf transparente Weise Licht in den Informationsdschungel zu bringen. Doch auch dieses Verfahren kann man gezielt pervertieren, wie «Pro Publica» darlegt. Das spendenfinanzierte Organ hat mehr als ein Dutzend Videos identifiziert, welche eine Faktenprüfung vortäuschen. So werden in einem Clip zwei Aufnahmen von einer gewaltigen Explosion in einer städtischen Umgebung nebeneinandergestellt. In russischer Sprache wird behauptet, es handle sich um Filmmaterial, das einen Angriff auf die Stadt Charkiw zeige und das von ukrainischen Propagandisten in Umlauf gebracht worden sei. In Wahrheit handle es sich indessen um eine Explosion eines Waffenlagers im Jahr 2017.

In Kriegszeiten stehen alle Parteien unter Verdacht, Informationen zu ihren Gunsten zu manipulieren und zu verfälschen. In den von «Pro Publica» erwähnten Fällen konnten die Rechercheure jedoch – unter anderem durch Analyse der Bild-Metadaten – darlegen, dass die angeblichen ukrainischen Propagandabilder so gar nie verbreitet worden waren. Vielmehr war dies eine blosse Behauptung der angeblichen Faktenprüfer, um beim Publikum Misstrauen zu säen – Misstrauen gegenüber allen Videos von ukrainischer Seite, welche zerstörtes russisches Militärgerät oder Schäden durch russische Angriffe dokumentieren sollen.

Das erspart den Aufwand, beweisen zu müssen, dass etwas einer Tatsache entspricht. Es genügt, den Glauben des Publikums zu erschüttern. Das mache diese Methode so wirksam, sagt Professor Patrick Warren, der sich an der Clemson University mit Desinformation befasst. Er habe sie hier zum ersten Mal beobachtet. Es sei so, wie wenn Russen sich als Ukrainer ausgäben, welche Falschinformationen verbreiteten. «Pro Publica» hat bei den Recherchen mit Forensikern dieser Universität zusammengearbeitet. Gemäss den Rechercheuren hat auch die russische Vertretung in Genf jüngst eines dieser gefälschten Faktenprüfungs-Videos per Tweet verbreitet.

Der Originalartikel kann hier besucht werden