Die Weltmeere befinden sich in einem gefährlichen Umbruch, der sich in letzter Zeit in vielen wissenschaftlichen Studien widerspiegelt. Ob es um die Fischbestände in der Beringstraße, die Korallenriffe im Mittelmeer oder die abgemagerten Grauwale an der Pazifikküste geht – eine Studie nach der anderen beschreibt eine plötzliche, schnelle Verschlechterung in allen Bereichen des maritimen Lebens. Was passiert da?

Die globale Erwärmung ist die Schuldige an dieser zutiefst beunruhigenden und entmutigenden Angelegenheit, und es stellt sich die Frage, ob irgendein Staat oder eine vereinte Nation etwas dagegen tun kann. Schließlich sind „Rettet die Wale“ und „Rettet die Ozeane“ schon seit Jahrzehnten die Parole bei Unterschriftensammlungen auf den Parkplätzen von Lebensmittelgeschäften, was ein Zeichen für die breite öffentliche Besorgnis ist, aber ohne Erfolg; denn tatsächlich wurde es mit der Zeit, da die Unterschriften sich häuften, immer schlimmer und jetzt beängstigend.

Tödliche Hitzewellen im Meer, die sich in kurzen Abständen immer wiederholen, haben eine enorme zerstörerische Kraft. Diese Ereignisse sind neu. Sie begannen im 21. Jahrhundert, als die vom Menschen in Gang gesetzte Klimaveränderung Warpgeschwindigkeit aufnahm.

Der Prozess wird in dem Bericht Fevers are Plaguing the Oceans and Climate Change is Making Them Worse, erschienen Mai 2021 in Nature, beschrieben:

„Plötzliche Hitzewellen im Meer können Ökosysteme zerstören, und die Wissenschaft hat Schwierigkeiten vorherzusagen, wann sie eintreten werden.“

In demselben Nature-Artikel wird erörtert, wann die Wissenschaft zum ersten Mal ernsthafte schädliche Auswirkungen von Hitzewellen im Meer bemerkte:

„Vor zehn Jahren fing es an, dass tote Fische an den Stränden Westaustraliens angeschwemmt wurden. Schuld daran war eine riesige Strömung ungewöhnlich warmen Wassers, die Seetangwälder und zahlreiche wirtschaftlich bedeutsame Meereslebewesen, von Abalone über Jakobsmuscheln bis hin zu Hummern, vernichtete. In den folgenden Wochen standen einige der lukrativsten Fischereien Westaustraliens kurz vor der Ausrottung. Einige von ihnen haben sich bis heute nicht erholt.“

Neuere Studien haben die Häufigkeit von Meereshitzewellen als Hauptursache für diese grausame Angelegenheit ausgemacht. Interessanterweise treten marine Hitzewellen zeitgleich mit bodennahen Hitzewellen auf.

Der Planet heizt sich auf wie nie zuvor, die „Bodentemperaturen“ erreichen sowohl auf der Nord- als auch auf der Südhalbkugel neue Rekordwerte, und die Meerestemperaturen bedrohen die wichtigsten Fischbestände im hohen Norden.

Nach Angaben der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) war der Juli 2021 der heißeste Monat seit Beginn der Aufzeichnungen. Auch der EU-Klimawandeldienst Copernicus berichtete, dass die letzten sieben Jahre die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen waren.

In diesem Jahr, 2022, wurden auf der Südhalbkugel mehrere Allzeit-Sommer-Temperaturrekorde bereits im Januar verzeichnet, insbesondere in Argentinien; auch in Australien wurden im Januar neue Allzeit-Rekorde aufgestellt, und es geht weiter.

„Die Weltmeere waren 2021 so warm wie nie zuvor in der Geschichte der Aufzeichnungen, und der jährliche OHC-Wert [OHC value: Ocean heat content] liegt 2021 sogar höher als der Allzeitrekordwert des letzten Jahres.“ (Lijing Cheng, et al, Another Record: Ocean Warming Continues Through 2021 Despite La Niña Conditions, Advances in Atmospheric Sciences, 11.1.2022).

Es ist unbestreitbar, dass die Weltmeere aufgrund der globalen Erwärmung durch übermäßige CO2-Mengen und viel zu viel Wärme (die Ozeane absorbieren 90 % der Wärme des Planeten) massiv angegriffen werden und dass das Leben im Meer in einem Rekordtempo ausgelöscht wird; so wurden beispielsweise im Sommer 2021 vor der Küste von British Columbia eine Milliarde Meerestiere durch die Hitze im Meer getötet.

Die Situation ist sogar noch schlimmer, denn die wichtigsten Fischereien des hohen Nordens sind bedroht wie nie zuvor – möglicherweise die Krise aller Krisen.

Im Kern geht es nicht einfach nur um eine gewöhnliche Hitzewelle im Meer, die dem normalen Klimawandel ähnelt, wie es von Klimaleugnern häufig mit falschen Behauptungen wie: „Das Klima ändert sich immer“ dargestellt wird. Au contraire, der gewöhnliche Klimawandel ist hier nicht das Problem, ganz und gar nicht, nicht einmal annähernd. Das Problem ist die Häufigkeit, bzw. die Wiederholung der daraus resultierenden tödlichen Hitzewellen, so dass den Meeresbewohnern nicht genug Zeit bleibt, sich zu erholen, wenn sie einmal in die Knie gezwungen worden sind.

Erst kürzlich reiste ein Team neugieriger Journalisten der LA Times in den hohen Norden, um Meereswissenschaftler zu treffen, und berichtete:

„Tiefgreifende und alarmierende Kräfte formen die oberen Bereiche des Nordpazifiks und der Arktis um und unterbrechen die Nahrungskette, die Milliarden von Lebewesen und einen der wichtigsten Fischbestände der Welt ernährt.“ (Susanne Rust, Unprecedented Die-offs, Melting Ice: Climate Change is Wreaking Havoc in the Arctic and Beyond, Los Angeles Times, 17.12.2021)

Zur Wiederholung des alptraumhaften Szenarios:

„Die Nahrungskette, die Milliarden von Lebewesen und einen der wichtigsten Fischbestände der Welt ernährt, wird unterbrochen“ ist ein Augenöffner, eine schockierende Aussage, die nachwirkt und eine, die eine weltweite Bewegung motivieren sollte, die Treibhausgasemissionen, die Hauptursache für die übermäßige Erwärmung der Ozeane, zugunsten der Rettung des Meereslebens zu stoppen. Hallo, ist da draußen jemand?

Apropos „Unterbrechung der Nahrungskette“: „Von 2019 bis zum 29. Juli 2021 sind insgesamt 481 Wale an den Stränden Nordamerikas gestrandet, darunter 69 in Kalifornien.“ (Susanne Rust, Something is Killing Gray Whales. Is it a Sign of Oceans in Peril? Anchorage Daily News, 15. 8.2021)

Ein beispielloses Sterben von Meereslebewesen findet überall auf dem Planeten statt. Das ist nicht normal. Eine wichtige Studie über Korallenriffe im Mittelmeer erschütterte den Meereswissenschaftler Joaquim Garrabou, der feststellte:

„Ehrlich gesagt, ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal erleben würde. Und es passiert richtig schnell.“ (‚There’s Not Much Hope‘: Mediterranean Corals Collapse Under Relentless Heat, Mongabay, 4.2.2022)

In der Garrabou-Studie wurde festgestellt, dass sich Korallenriffgemeinschaften, die vor 15 Jahren von Hitzewellen verwüstet wurden, aufgrund der kurzen Zeitspanne zwischen den nachfolgenden Hitzewellen immer noch nicht erholt haben. Eine andere Studie erklärt dies: Korallen brauchen mindestens 10 Jahre, um sich wieder zu erholen, aber die zunehmende globale Erwärmung verringert ihre Fähigkeit, sich anzupassen. Darüber hinaus

„prognostizieren wir, dass mehr als 99 Prozent der Korallenriffe bei 1,5°C Erwärmung unerträglichem thermischen Stress ausgesetzt sein werden, und 100 Prozent der Korallenriffe bei 2°C“.  (Adele M. Dixon, et al, Future Loss of Local-Scale Thermal Refugia in Coral Reef Ecosystems, PLOS Climate, 1.2.2022).

Diese Berechnung erfolgte als Reaktion auf die Prognosen des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), wonach die Ozeane bereits in den 2030er Jahren 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau liegen könnten. Das ist gleich um die Ecke.

Das australische Great Barrier Reef, das größte Korallensystem der Welt, wurde bereits fünfmal von einer Massenbleiche heimgesucht – 1998, 2002, 2016, 2017 und 2020 -, die alle durch den Anstieg der Meerestemperaturen infolge der globalen Erwärmung verursacht wurden. Im Jahr 2020 erreichten die Wassertemperaturen den höchsten Stand seit Beginn der instrumentellen Aufzeichnungen im Jahr 1900. (2020 Marine Heatwave on the Great Barrier Reef, Australische Regierung, Bureau of Meteorology, 2020)

„Eine Untersuchung von 1.036 Riffen im Great Barrier Reef (GBR) in den letzten beiden Märzwochen (2020) hat das größte Bleichereignis seit Beginn der Aufzeichnungen ergeben.“ (Theresa Machemer, The Great Barrier Reef Is now Facing Most Widespread Bleaching Event Yet, Smithsonian Magazine 9. 4.2020)

Das war vor nur zwei Jahren. Dies zeigt, dass die Zeitabstände zwischen den Bleichereignissen immer kürzer werden. In einer kürzlich (2022) veröffentlichten Studie, die von Experten der Coral Reef Watch Unit der US National Oceanic and Atmospheric Administration verfasst wurde, heißt es außerdem:

„Das Great Barrier Reef wurde im November und Dezember (2021) erneut von einer rekordverdächtigen Hitzeperiode heimgesucht.“

Das Great Barrier Reef, eines der großen ikonischen Ökosysteme des Planeten, das von der internationalen Raumstation aus leicht zu erkennen ist, hat sich in der Vergangenheit als widerstandsfähig erwiesen, aber wie viel kann es noch aushalten?

Eine kürzlich durchgeführte umfassende Studie über die Ozeane in ihrer Gesamtheit von 1870 bis 2021 hat ergeben:

„57 % der globalen Ozeanoberfläche verzeichnete extreme Hitze… Für den globalen Ozean war 2014 das erste Jahr, in dem die 50 %-Schwelle für extreme Hitze überschritten wurde.“ (Tanaka, KR und Van Houtan, KS, The Recent Normalization of Historical Marine Heat, PLOS Climate, 1.2.2022).

Die statistische Angabe, dass 57 % der globalen Meeresoberfläche von „extremer Hitze“ betroffen sind, ist kaum zu fassen. Sie ist beunruhigend weitreichend und gibt Anlass zur Sorge um das gesamte Ozeansystem. „Was kann getan werden?“ ist die Frage des Jahrhunderts, und wer wird es tun? Die bekannte Ursache ist ein Übermaß an Emissionen von Autos, Zügen und Flugzeugen sowie von Kühen und der Industrie, die die Atmosphäre mit einer wärmespeichernden Decke aus Treibhausgasen füllen.

In einer Studie über 20 Jahre wird beschrieben, wie Wissenschaftler ein ausgeprägtes Muster darin entdecken, wie an Stränden auf der ganzen Welt Segelquallen (Velella) angeschwemmt werden und dort sterben. Die Zahl der toten Quallen geht in die Billionen, und die Ursache war eine wiederkehrende Hitzewelle im Meer. (Timothy Jones, et al, Long-term Patterns of Mass Stranding of the Colonial Cnidarian Velella: Influence of environment forcing, Marine Ecology Progress Report, School of Aquatic and Fishery Sciences, University of Washington, 18.3.2021).

All dies geschieht bei globalen Gesamttemperaturen, die nach Angaben der Weltorganisation für Meteorologie nur 1,2 °C über dem vorindustriellen Wert liegen, aber sind es wirklich nur 1,2 °C mehr? Das hängt davon ab, welches Datum für die Basislinie verwendet wird, die im Laufe der Zeit nach oben verschoben wurde. Vielleicht sind 1,2 °C also zu niedrig für eine realistische Basislinie.

Nach der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 schlug der IPCC vor, unter 1,5 °C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu bleiben, um größere Störungen des Klimasystems zu vermeiden, die zum Zusammenbruch von Ökosystemen führen können. Das Versagen von Ökosystemen ist jedoch bereits bei 1,2 °C zu beobachten.

Es bleibt eine offene Frage, wann und wie sich die Regierungen der Welt zusammenschließen werden, um die Treibhausgasemissionen zu stabilisieren oder so weit zu senken, dass das Leben in den Meeren – wenn es überhaupt möglich ist – weitergehen kann, ja, dass alles Leben weitergehen kann.

Die Tatsache, dass vor weniger als einem Jahr mehr als eine Milliarde Meerestiere durch eine Hitzewelle vor der Küste von British Columbia getötet wurden, ist ein gigantischer Weckruf! Aber wenn eine Milliarde Tote nicht ausreicht, um die Regierenden wachzurütteln, was braucht es dann noch, zwei oder drei Milliarden oder wie viele mehr?

Obwohl, bei dem Tempo, in dem die Dinge laufen, wird der Welt bald das Leben in den Meeren ausgehen, so dass es vielleicht gar keine Rolle mehr spielt.

Vorausgesetzt, dass es keine größeren radikalen (ja, radikalen) Veränderungen in der Sozioökonomie (Abkehr vom Neoliberalismus) geben wird, die von einer wirklich mächtigen Umweltpolitik der führenden Nationen der Welt begleitet werden, glauben einige Wissenschaftler, dass den Ozeanen nur noch drei Jahrzehnte bleiben. Sayonara!

 

Übersetzung aus dem Englischen von Margit Staltmayr vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!