Die USA rüsten Taiwan auf, provozieren China mit Kanonenbootpolitik und wollen nun Taipeh in der UNO neben Beijing positionieren. Berlin soll an der Kampagne dazu teilnehmen.

Deutschland soll sich „mit Nachdruck“ für die von den USA geforderte „bessere Vertretung Taiwans in internationalen Organisationen“ stark machen und „langfristig“ auf eine UN-Mitgliedschaft der Insel dringen. Das fordern in wachsender Intensität Vertreter außenpolitischer Denkfabriken in Berlin und Kommentatoren deutscher Leitmedien. Hintergrund ist eine US-Kampagne, die darauf abzielt, eine Resolution der Vereinten Nationen auszuhebeln, in der die Volksrepublik als alleinige rechtmäßige Repräsentantin Chinas in der UNO anerkannt wurde. Die Kampagne wiederum ist Teil der Bestrebungen Washingtons, Taiwan noch stärker als bisher für seinen Machtkampf gegen Beijing zu nutzen. So rüsten die USA Taipeh immer mehr auf – mit Rüstungsexportgenehmigungen im Wert von 18 Milliarden US-Dollar unter Präsident Donald Trump -, intensivieren ihre Kanonenbootpolitik mit monatlichen Fahrten von Kriegsschiffen durch die Taiwanstraße und haben begonnen, permanent Militärs auf Taiwan zu stationieren. Parallel planen sie die Stationierung von Mittelstreckenraketen auf der „ersten Inselkette“ vor China, zu der Taiwan gehört.

Mehrheit für den Status Quo

Der Status Taiwans sorgt für Konflikte, seit sich die im chinesischen Bürgerkrieg unterlegene Guomindang auf die Insel zurückzog, während die siegreichen Kommunisten am 1. Oktober 1949 auf dem Festland die Volksrepublik gründeten. Die Führung auf Taiwan hat jahrzehntelang den Anspruch erhoben, ganz China zu vertreten, diese Position aber mittlerweile aufgegeben. Beijing, darauf verweisend, dass Taiwan seit Ende des 17. Jahrhunderts Teil des chinesischen Territoriums ist, erhob den Anspruch gleichfalls und hält bis heute an ihm fest. Das am 14. März 2005 vom Nationalen Volkskongress verabschiedete Anti-Abspaltungsgesetz schreibt das Ziel der Wiedervereinigung mit Taiwan, das dabei „ein hohes Maß an Autonomie“ erhalten soll, fest; es bestimmt zudem, dass die Wiedervereinigung friedlich erreicht werden soll, und hält militärische Mittel lediglich für den Fall offen, dass sich Taiwan formell abspaltet oder die Wiedervereinigung durch andere Schritte endgültig unmöglich wird. Auf Taiwan sprechen sich zwar lediglich 1,5 Prozent der Bevölkerung für die rasche Wiedervereinigung aus, aber auch nur 5,7 Prozent für die schnellstmögliche Unabhängigkeit. Mehr als 87 Prozent sind laut einer Umfrage der National Chengchi University in Taipeh dafür, den Status Quo beizubehalten.[1]

Waffenlieferungen und Kanonenbootpolitik

Trotz – oder wegen – der sensiblen Lage heizen die Vereinigten Staaten seit Jahren die Spannungen an, nicht zuletzt durch die massive Aufrüstung Taiwans. Washington genehmigte schon unter US-Präsident Barack Obama Waffenlieferungen an Taipeh im Wert von etwa 14 Milliarden US-Dollar. Unter Präsident Donald Trump kamen Liefergenehmigungen für Rüstungsgüter im Wert von 18 Milliarden US-Dollar hinzu. Zudem haben die USA mittlerweile mehrere Dutzend Soldaten permanent auf Taiwan stationiert; diese bilden dort taiwanische Bodentruppen und Marines aus. Beides läuft Vereinbarungen aus den 1970er und 1980er Jahren zuwider, in denen Washington – im Verlauf der Aufnahme diplomatischer Beziehungen – Beijing zusagte, seine „Waffenverkäufe an Taiwan allmählich zu verringern“ und seine „Streitkräfte und militärischen Einrichtungen auf Taiwan fortschreitend zu reduzieren“.[2] Die Biden-Administration schickt nicht nur im Schnitt monatlich Kriegsschiffe durch die Taiwanstraße – Provokationen im Stil der Kanonenbootpolitik -, sondern drängt auch verbündete Staaten immer energischer dazu, sich anzuschließen. Im Oktober etwa begleitete eine kanadische Fregatte einen Zerstörer der U.S. Navy auf dessen Fahrt zwischen Taiwan und der Volksrepublik.

Raketen auf der ersten Inselkette

Dabei sind die Aufrüstung und die militärischen Maßnahmen auf und um Taiwan lediglich Teil eines umfassenden militärischen Aufmarschs der USA und verbündeter Staaten gegen China. Die US-Streitkräfte bauen nicht nur ihre Stützpunkte auf dem Weg über den Pazifik nach Ostasien aus, etwa auf der US-Kolonie Guam, die als militärische Drehscheibe sowie als Ausgangspunkt für etwaige Luftangriffe auf die Volksrepublik gilt, und auf dem noch weiter westlich gelegenen Palau (german-foreign-policy.com berichtete [3]). Sie planen darüber hinaus die Stationierung von Mittelstreckenraketen auf der „ersten Inselkette“, einer dichten Reihe an Inseln, die sich vor der chinesischen Küste von Nord nach Süd erstreckt – von Japan einschließlich Okinawa über Taiwan und die Philippinen bis Borneo.[4] Zwar liegt bislang keine offizielle Einwilligung eines Staates vor; doch würde die erste Inselkette, sollte den USA dort die Stationierung ihrer Angriffswaffen gelingen, faktisch zur Raketenabschussrampe für einen Krieg gegen China. Auf die zunehmenden militärischen Drohungen Washingtons und seiner Verbündeten reagiert Beijing, indem es die eigenen Manöver ausweitet – nicht nur ganz allgemein, sondern auch nahe Taiwan.

Die UN-Resolution 2758

Dies wiederum nehmen die westlichen Mächte zu Anlass, den Druck auf die Volksrepublik weiter zu erhöhen und insbesondere den Konflikt um Taiwan noch mehr zu verschärfen. Ende Oktober hat Washington offiziell eine Kampagne gestartet [5], die darauf abzielt, Taipeh eine „bedeutende Beteiligung am gesamten UN-System“ zu verschaffen. Dies läuft der Beschlusslage der UNO offen zuwider. Im Streit darum, ob Taipeh oder Beijing in der UNO China vertreten sollten, vollzog die UN-Generalversammlung am 25. Oktober 1971 einen Kurswechsel und entschied in Resolution 2758, „legitime Repräsentanten Chinas“ seien ab sofort die Vertreter der Volksrepublik – während die „Repräsentanten von Chiang Kai-shek“, dem damaligen Machthaber in Taipeh, den Sitz räumen müssten, den sie bisher „bei den Vereinten Nationen und in allen Organisationen, die mit ihnen verbunden sind, widerrechtlich“ innegehabt hätten. Seither ist Taiwan in UN-Gremien nicht präsent. Als es vor Jahren noch Hoffnung auf ein halbwegs gedeihliches Auskommen zwischen dem Westen und China zu geben schien, willigte Beijing ein, nicht auf der Einhaltung der UN-Resolution 2758 zu bestehen und etwa keine Einwände gegen einen Beobachterstatus Taiwans im Plenum der WHO zu erheben. Seit der Westen den Machtkampf gegen China massiv eskaliert, macht Beijing jedoch keine Zugeständnisse mehr.

„Deutschland sollte vorangehen“

In dieser Situation nehmen nun die Appelle in Deutschland und der EU zu, sich der US-Kampagne anzuschließen, Taiwan im Machtkampf gegen China noch stärker als bisher zu unterstützen und zugleich Beijing mit gezielten Nadelstichen zu provozieren. So ist in deutschen Leitmedien mittlerweile zu lesen, die Bundesregierung müsse sich „entschieden für Taiwans Inklusion auf multilateraler Ebene aussprechen“, und zwar „mit dem kurzfristigen Ziel des Beobachterstatus und dem langfristigen Ziel der UN-Mitgliedschaft“.[6] Vor einer Woche publizierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung einen Aufruf des Direktors des Berliner Global Public Policy Institute (GPPi), Thorsten Benner, in dem es hieß, die Bundesrepublik sollle „sich weiterhin mit Nachdruck für die bessere Vertretung Taiwans in internationalen Organisationen einsetzen“: „Deutschland sollte hier vorangehen.“[7] Benners GPPi, das sich selbst als „unabhängige Denkfabrik“ [8] bezeichnet, wird laut eigenen Angaben aktuell zu mehr als 40 Prozent von nicht näher genannten „Regierungen“ finanziert [9]. Benner fordert zudem, „Regierung und Bundestag“ sollten „die politischen Kontakte mit Taiwan intensivieren“; zugleich müsse man für den Fall einer militärischen Eskalation des Konflikts „Szenarien“ durchspielen. Gleichzeitig weiten die EU sowie mehrere Mitgliedstaaten die Kooperation mit Taiwan und gezielte Provokationen gegenüber China aus. german-foreign-policy.com berichtet in Kürze.

[1] Taiwan Independence vs. Unification with the Mainland (1994/12 ~ 2021/06). esc.nccu.edu.tw 20.07.2021.

[2] Joint Communiqué of the United States of America and the People’s Republic of China. August 17, 1982. Joint Communiqué of the United States of America and the People’s Republic of China (Shanghai Communiqué). February 28, 1972.

[3] S. dazu Die Fregatte Bayern auf Kolonialfahrt (II).

[4] Matthew Strong: US plans missile network along first island chain targeting China. taiwannews.com.tw 05.03.2021.

[5] Antony J. Blinken: Supporting Taiwan’s Participation in the UN System. state.gov 26.10.2021.

[6] Cornelius Dieckmann: Taiwan gehört in die Vereinten Nationen. tagesspiegel.de 24.10.2021.

[7] Thorsten Benner: Deutschland muss Peking in Taiwan die Stirn bieten. faz.net 28.10.2021.

[8] About GPPi. gppi.net.

[9] Funding Structure & Sources. gppi.net.

 

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