Giftiger Rauch aus sogenannten «Burn Pits», in denen auf US-Stützpunkten Müll verbrannt wird, machte tausende US-Soldaten krank.

Daniela Gschweng für die Online Zeitung INFOsperber

Wohin mit Bergen von Müll, wenn es keine oder kaum Infrastruktur gibt? Die US-Armee hatte darauf lange nur eine Antwort: offene Müllgruben, in denen der Müll verbrannt wurde. Rauch und giftige Gase aus den hunderten «Burn Pits» auf US-Stützpunkten schädigten Millionen Armeeangehörige, Helfer und Einheimische nicht mitgerechnet, wie man jetzt weiss.

Schon vor Jahren fiel auf, das junge, fitte Ex-Soldaten und -Soldatinnen nach ihrem Einsatz im Irak oder in Afghanistan vermehrt an ernsthaften oder gar tödlichen Krankheiten litten. Darunter Krebsarten, die in jungem Alter normalerweise selten sind. Als Folgeschäden anerkannt haben die USA die Krankheiten bisher selten.

Mit einem Brand fing es an

Angefangen hatte es ironischerweise mit einem Burn Pit in den USA: Beim Attentat auf die Twin Towers 2001 ergossen sich etliche Liter Flugbenzin in die attackierten Gebäude, dazu verbrannte alles, was sonst in der Nähe war. Viele Helfer kämpfen mit Gesundheitsschäden und um deren Anerkennung durch den Staat. Genauso geht es nun den Veteranen des «War against Terror».

Batterien, Elektrogeräte, Kleidung, ganze Jeeps: Egal, was es war, die US-Armee schaffte alles beiseite, übergoss es mit Flugbenzin und zündete es an. Eine Armeebasis verursacht eine Menge Müll. Ehemalige Soldatinnen und Soldaten berichten von dicken Rauchwolken, die die Basen teilweise dauerhaft plagten.

«Zu den Abfallprodukten in Verbrennungsgruben gehören unter anderem: Chemikalien, Farben, medizinische und menschliche Abfälle, Metall/Aluminium, Munition und andere nicht explodierte Kampfmittel, Erdöl, Erdöl- und Schmierstoffprodukte, Kunststoffe und Styropor, Gummi, Holz und weggeworfene Lebensmittel», listet das US-Ministerium für Veteranenangelegenheiten in einem Merkblatt auf.

Die Folgen unkontrollierter Müllverbrennung sind seit langem bekannt

Die US-Armee ignorierte dabei aus Unwissen oder mangels Alternativen, was man seit Jahrzehnten weiss: Werden verschiedene Substanzen unter nicht kontrollierten Bedingungen verbrannt, entstehen etliche giftige Verbindungen, vor allem dann, wenn die Verbrennungstemperaturen niedrig sind und das Feuer schlecht belüftet wird. Entstehen können Dioxine, Furane, PFAS, viele flüchtige organische Chemikalien, Benzol und andere giftige Stoffe, die Liste ist lang. Abgesehen von Imprägniermitteln, Metallen, Sprengstoffen oder auch nur Insektenschutzmitteln, die schon der Müll enthielt. Einige Burn Pits im Nahen Osten brannten 20 Jahre lang, teilweise rund um die Uhr.

Zugespitzt gesagt ist diese Art von Müllentsorgung wie ein andauernder Chemieunfall. Die Veteranenorganisation IAVA bezeichnet Burn Pits als das «Agent Orange unserer Generation».

Bereits Probleme während des Einsatzes

Viele Angehörige der US-Armee, vor allem im Irak und in Afghanistan, klagten bereits während der Einsätze über Husten, Atemprobleme, Augen- und Hautreizungen. Als Spätfolge am häufigsten sind Asthma und andere Atemwegserkrankungen. Tausende der laut dem US-Verteidigungsministerium schätzungsweise 3,5 Millionen betroffenen Veteraninnen und Veteranen leiden an Krebs.

Am häufigsten treten Haut-, Gehirn-, Lungen, Hoden-, Blut-, Prostata- und Blutkrebs sowie Leukämie auf. Auch Lymphome und Weichteilsarkome sind häufig, listet die Nonprofit-Organisation  «Burn Pits 360» auf. Das US-Departement für Veteranenangelegenheiten (VA) hat bisher dennoch drei Viertel aller Ansprüche Betroffener abgelehnt. «Burn Pits 360» und andere Organisationen kämpfen um die Anerkennung vieler Krankheiten als kriegsbedingt. Auf ihren Webpages finden sich Fotos von ausgemergelten Kranken, die nur wenige Jahre alte Bilder von sich in Uniform in die Kamera halten. Hinterbliebene berichten, warum sie sich engagieren.

Wenige Studien, wenig Information, kaum Hilfe

Ein Report der US-amerikanischen Akademie der Wissenschaften, der 2020 veröffentlicht und vom Veteranenamt gerne zitiert wird, stellte fest, dass von 27 untersuchten Atemwegserkrankungen bei keiner «ausreichende Beweise für einen Zusammenhang» mit Burn Pits erfüllt seien. Bei Symptomen wie chronisch anhaltendem Husten gebe es nur «begrenzte oder suggestive Beweise für einen Zusammenhang».

Gemessen daran, dass Burn Pits und deren Folgen schon seit mindestens 20 Jahren bekannt sind, geschah auch sonst wenig. Verschiedene Veteranenorganisationen führen Listen, wo und wann die US-Armee offene Müllverbrennung betrieben hat. Geschädigte können sich registrieren.

Burn-pits1
Die US-Armee unterhielt hunderte von Burn Pits in vielen Ländern, vor allem im Nahen Osten. © Departement of Veteran Affairs (VA)

Es gibt nur wenige wissenschaftliche Studien zu Burn Pits. Diejenigen, die es gibt, wurden teilweise vom Amt für Veteranenangelegenheiten in Auftrag gegeben, das ein Interesse daran hat, dass möglichst wenige Spätfolgen anerkannt werden. Einige Studien hätten methodische Fehler, berichtete «New Republic» 2016. Laut «nbc» kündigte das Pentagon Anfang 2021 an, weitere Studien zu finanzieren.

Ärzte, die Betroffene behandeln, erwarten eine Burn-Pit-Krankheitswelle. Medizinisches Personal in den USA ist über die Gefahren von Burn Pits aber oft nicht informiert oder kann deren Auswirkungen nicht einschätzen. Tatsächlich wussten einige Geschädigte bis kurz vor ihrem frühzeitigen Tod nichts von der potenziell tödlichen Gefahr. Viele beklagen, dass sie sich schlecht informiert fühlen, etwa darüber, dass es ratsam gewesen wäre, regelmässige Kontrolluntersuchungen durchzuführen.

Eine Gesetzesvorlage und zu wenig Information

Im Juni 2021 stellte der Ausschuss für Veteranenangelegenheiten des US-Repräsentantenhauses eine Gesetzesvorlage vor, die die Versorgung von US-Veteranen verbessern soll, die toxischen Substanzen ausgesetzt waren. Demnächst werden beide Kammern des US-Parlaments darüber abstimmen.

Ihre Leiden geltend zu machen, ist also schon für ehemalige Soldatinnen und Soldaten schwer. Darüber, wie viele Einheimische, Kontraktoren und nicht-militärische Mitarbeiter unter den toxischen Auswirkungen litten und noch leiden, gibt es kaum Daten.

Toxische Hypothek für die Zukunft

Dabei sollte es die Giftschleudern auf US-Stützpunkten gar nicht mehr geben. Burn Pits sind seit Jahren verboten. Ausser in Fällen, in denen es keine andere Möglichkeit gibt, um den Müll, der auf Militärbasen anfällt, zu entsorgen. Was auf vielen Standorten der US-Streitkräfte immer noch der Fall ist.

Aber selbst, wenn Burn Pits geschlossen und durch bessere Systeme ersetzt werden, bleiben sie eine giftige Hypothek. Die Gruben mit den verbrannten Resten bleiben bestehen. Besonders gilt das für Afghanistan, wo etliche US-Stützpunkte rasch aufgegeben wurden.

«Einige Militärstützpunkte, die die USA an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben haben – die in diesem Monat ihre Arbeit einstellten, anstatt weiter gegen einen scheinbar unvermeidlichen Sieg der Taliban zu kämpfen – enthalten giftige Abfälle, die möglicherweise nie vollständig entfernt werden», schrieb «Scientific American» Ende August 2021. Was das Ausmass der Verschmutzung in mehreren Ländern nur teilweise abbildet.

Hilfe beim Aufräumen ist gesetzlich untersagt

Auch wenn der Abzug der US-Streitkräfte geordnet vonstattengeht, gibt es Hindernisse beim Aufräumen. Nach US-Gesetzen ist es dem Department of Defense DoD verboten, nach dem Abzug «Anforderungen zu erfüllen, die in der Verantwortung der Gastländer liegen und in den geltenden internationalen Abkommen festgelegt sind», und dafür Geld oder andere Ressourcen aufzuwenden. Erlaubt ist lediglich die Weitergabe von Information über mögliche Verschmutzungen und Umweltgefahren.

Wer die Auseinandersetzungen verfolgt, die in der Schweiz um die Sanierung von Firmengeländen und Mülldeponien geführt werden, hat vielleicht eine Vorstellung, wie schwierig Sanierungen dann in einem – oft wenig stabilen und finanziell schwachen – Krisengebiet sind.

Wenn die US-Armee geht, bleibt der giftige Müll

Nach einer Analyse des «Institute for Policy Studies» nützte des Department of Defense dieses Gesetz bisher dazu aus, auf US-Basen im Ausland zur Wiederherstellung einer gesunden Umwelt nur das «absolute Minimum» an Umweltmassnahmen zu leisten.

«Was passiert, wenn Umweltschäden auftreten und ein Gastland oder ein lokaler Angehöriger nicht über den Einfluss oder die Ressourcen verfügt, um vom US-Militär eine Entschädigung oder Schadensbegrenzung zu verlangen?», zitiert «Scientific American» eine Arbeit von Jennifer Neuhauser, 2015 noch Richterin bei der US-Armee. «Nach internationalem Recht gibt es nur sehr wenige Durchsetzungsmechanismen, um die US-Streitkräfte zu zwingen, diese Probleme zu lösen».