„Pandora Papers“ enthüllen Zahlungen der Entwicklungsbank DEG an Banken in der Steueroase Panama. Diverse dubiose Finanzmachenschaften berühren SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz.

Enthüllungen im Rahmen der Auswertung der „Pandora Papers“ führen zu ernsten Vorwürfen gegenüber der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG). Wie unter Berufung auf die Dokumente berichtet wird, hat die Entwicklungsbank unter anderem Kredite in Höhe von rund 250 Millionen Euro an elf Banken in der Steueroase Panama vergeben, die mit Steuerhinterziehung und allerlei Formen von Finanzkriminalität in Verbindung gebracht wird. Die DEG behauptet dazu nur, sie habe geholfen, „Tausende Arbeitsplätze im Bankensektor von Panama“ zu schaffen. Unterstützt wurde zudem ein nicaraguanischer Milliardär. Immer mehr dubiose Finanzmachenschaften wurden in der jüngeren Vergangenheit auch bei deutschen Spitzenpolitikern bekannt. Das Spektrum reicht von der „Cum-Ex-Affäre“ bis zum Wirecard-Skandal, bei dem milliardenschwere Umsätze schlicht erfunden wurden. Immer wieder berühren die Skandale den SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz, der zur Zeit beste Chancen auf einen Einzug ins Bundeskanzleramt hat. Beobachter sprechen längst von Scholz‘ „offener Flanke“.

Die „Pandora Papers“ und die DEG

Im Zuge der Enthüllungen der „Pandora Papers“ ist die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) in die Kritik geraten. Unter den 11,9 Millionen Unterlagen, die Aufschluss über die Eigentumsverhältnisse bei zehntausenden von Offshore-Unternehmen, Geheimkonten und Briefkastenfirmen in Steueroasen geben, finden sich auch Datensätze zur DEG. Die Entwicklungsgesellschaft, die als eine Tochter der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) eigentlich Entwicklungshilfeprojekte in Lateinamerika, Asien und Afrika finanzieren soll, war demnach auch im Zwielicht zwischen politischer Korruption, Oligarchie und mafiösen Strukturen tätig. Aufgabe der DEG sei es eigentlich, „im Namen des deutschen Steuerzahlers“ in Entwicklungsländern „zum Beispiel kleine und mittelständische Unternehmer“ zu fördern, hieß es [1]; doch betätige sich die Organisation laut den Pandora Papers auch „in Steueroasen in der Karibik“, die „von Entwicklungshilfe weit entfernt“ seien. In diesem Zusammenhang hätten deutsche Entwicklungshilfegelder die undurchsichtigen Geschäfte lateinamerikanischer Milliardäre kofinanziert.

Mit Geldwäschebanken kooperiert

Konkret soll die deutsche Entwicklungsbank seit 2014 Kredite in Höhe von rund 250 Millionen Euro an elf Banken in der Steueroase Panama vergeben haben. In offiziellen Erklärungen hieß es seitens der DEG, die Gelder seinen als Kredite an „kleine und mittlere Unternehmen“ in der Region weitergeflossen. Demnach hätten 10.000 Kleinunternehmen in Panama sowie 7.000 Betriebe in der Region von den Krediten profitiert, die von den lokalen Banken lediglich verteilt worden seien. Obwohl DEG erklärte, der Verwendungszweck der Kredite sei vertraglich fixiert, war sie nicht bereit, konkrete Kleinunternehmen zu benennen, die von den deutschen Steuergeldern profitiert hätten. Des weiteren behauptete sie, mit den deutschen Kreditmitteln seien „Tausende Arbeitsplätze im Bankensektor von Panama“ geschaffen worden. Pikant daran ist, dass Panamas Bankensektor spätestens seit den Enthüllungen der sogenannten Panama Papers als eine zwielichtige Steueroase angesehen wird, die mit Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Finanzkriminalität in Verbindung gebracht wird. Schon 2017 wurden etliche Banken in Panama wegen Verstößen gegen Geldwäschebestimmungen zu Geldstrafen verurteilt, wobei die höchste Strafe von 300.000 Euro ausgerechnet ein Finanzinstitut traf, an dem die DEG mit sieben Prozent beteiligt war.

„Man müsste die DEG eigentlich auflösen“

Falls die deutsche Entwicklungshilfe tatsächlich dazu diene, „Bankenjobs in einer Steueroase wie Panama zu schaffen“, dann mache dies einfach „sprachlos“, erklärt etwa Gerhard Schick von der Nichtregierungsorganisation „Finanzwende“: Bei einem „Schatten-Finanzzentrum wie Panama“ seien kaum Argumente vorstellbar, wieso dort im Namen der Entwicklungshilfe „Banken subventioniert“ werden sollten. Entwicklungspolitiker von Bündnis 90/Die Grünen erklärten, es gebe kaum noch Aussichten auf eine Reformierbarkeit der DEG, die inzwischen „eng mit dem internationalen Finanzsektor und teilweise dubiosen Firmen verbandelt“ sei. Die scheidende Bundesregierung habe sich bei Anfragen bezüglich des Gebarens der Entwicklungsbank jahrelang „hinter dem Geschäfts- und Bankgeheimnis“ versteckt. Es sei folglich sehr schwer, noch das „Ruder herumzureißen“; eigentlich müsse man die DEG „auflösen oder radikal umstrukturieren und auf komplett neue Füße stellen“.

Entwicklungshilfe für Milliardäre

Zu den konkreten Profiteuren deutscher Entwicklungshilfe gehört den Recherchen zufolge der nicaraguanische Milliardär Ramiro Ortiz Mayorga, dessen Bank Promérica ebenfalls DEG-Gelder erhielt.[2] Die DEG unterstützte Mayorga, der als einer der reichsten Männer Nicaraguas gilt, 2014 mit einem Kredit bei der Übernahme einer Bank in Ecuador. Die deutsche Entwicklungsbank erklärte dazu, im Gefolge der kofinanzierten Bankübernahme durch den Milliardär erhielten nun Kleinunternehmen in Ecuador, „die ansonsten vor Ort nur unzureichenden Zugang zu Finanzierung haben“, notwendige Kredite. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) erklärte überdies, es lägen „keinerlei Hinweise“ darauf vor, dass es „zu einer strafbaren und/oder vertragswidrigen persönlichen Bereicherung durch Herrn Mayorga gekommen“ sei. In den Vertragsbestimmungen zur Bankenübernahme sei aber festgehalten worden, dass Mayorga einen „substantiellen Benefit aus den Krediten erzielen“ werde, wird berichtet; beim dem Milliardär handele es sich nun aber nicht gerade um einen Kleinunternehmer.

Die Cum-Ex-Affäre

Dubiose Finanzmachenschaften werden seit geraumer Zeit nicht nur bei Organisationen wie der DEG, sondern auch bei deutschen Spitzenpolitikern bekannt. Entsprechende Hinweise enthält etwa der Untersuchungsausschuss zur sogenannten Cum-Ex-Affäre in Hamburg. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, der beste Aussichten auf den Einzug ins Bundeskanzleramt hat, musste schon im April Stellung zu Anschuldigungen beziehen, in seiner Zeit als Regierender Bürgermeister von Hamburg einer kriminellen Privatbank die Erstattung illegal erschlichener Steuerrückzahlungen erlassen zu haben. Die Privatbank M.M. Warburg hatte durch „Cum-Ex“-Geschäfte Rückzahlungen für Steuern erhalten, die sie nie gezahlt hatte. Die Hamburger Behörden verzichteten bemerkenswerterweise darauf, sich die erschlichene Summe – 47 Millionen Euro – erstatten zu lassen.[3] Terminnotizen, die bei einer Hausdurchsuchung bei einem Miteigentümer der Privatbank sichergestellt wurden, belegen, dass sich die Bankeigentümer wenige Wochen vor dem Verzicht der Behörden persönlich mit Scholz getroffen hatten. Die Ermittlungen laufen derzeit auf Hochtouren; die Staatsanwaltschaft Köln führte wenige Tage nach der Bundestagswahl eine Hausdurchsuchung bei den Finanzbehörden in Hamburg durch. Nächstes Jahr wird Scholz erneut vor dem „Cum-Ex“-Untersuchungsausschuss aussagen müssen – dann womöglich als Bundeskanzler.

Der Kriminalfall Wirecard

Olaf Scholz wird auch Mitverantwortung für die Wirecard-Affäre zugeschrieben, einen der größten Finanzskandale der Bundesrepublik.[4] Das international tätige Zahlungs- und Kreditkartenunternehmen Wirecard galt jahrelang als ein deutscher Musterkonzern, bis nachgewiesen wurde, dass das Unternehmen massiven Bilanzbetrug beging. Ein Großteil seiner Umsätze war schlicht erfunden; das Unternehmen musste im vergangenen Jahr Insolvenz beantragen. Der Untersuchungsausschuss des Bundestages zu der Affäre warf Mitte 2021 dem Bundesfinanzministerium und seinem Minister Olaf Scholz „Totalversagen“ in der Affäre vor. Die „politische Verantwortung“ für den Skandal trügen „Bundesfinanzminister Olaf Scholz und die Führung des Bundesfinanzministeriums“, hieß es auch aus der CDU, bei der zugleich von einem „Kriminalfall“ die Rede war, bei dem über Nacht zwei Milliarden Euro aus den Bilanzen verschwunden seien.[5] Finanzpolitiker der Linkspartei sprachen von einer „Milliardenlüge“, die nur dank eines „politisches Netzwerks“ hinter Wirecard über Jahre habe aufrechterhalten werden können.

„Paradies für Geldwäscher“

Als „offene Flanke“ des künftigen Kanzlers sehen Beobachter nicht nur die besagten Skandale an, sondern auch seine Apathie gegenüber der Geldwäschebekämpfung in der Bundesrepublik.[6] Die Meldungen über entsprechende Verdachtsfälle der Financial Intelligence Unit des deutschen Zolls sind offenkundig oftmals ohne Folgen geblieben: Es sei auffällig, „wie wenige der Meldungen“ letzten Endes „strafrechtlich verfolgt“ würden, heißt es; Oppositionspolitiker sprechen von eklatanten „Missständen“ im Finanzministerium beim Vorgehen Geldwäsche, die eine „lückenlose Aufklärung“ der Verfehlungen im „Verantwortungsbereich von Finanzminister Scholz“ erforderten.[7] Aufgrund der Untätigkeit des Finanzministeriums sei die Bundesrepublik zu einem „Paradies für Geldwäscher“ geworden, hieß es schon im August mit Blick darauf, dass es in der Bundesrepublik keinerlei Obergrenzwerte für Transaktionen mit Bargeld gibt.

 

[1], [2] Die Geheimnisse der Entwicklungsbank DEG. tagesschau.de 04.10.2021.

[3] Die dunkle Seite. zeit.de 06.10.2021.

[4] S. dazu Der Fall Wirecard (II) und Der Fall Wirecard (IV).

[5] Trifft Scholz eine Mitschuld? tagesschau.de 22.06.2021.

[6] Scholz‘ offene Flanke. tagesschau.de 20.09.2021.

[7] Deutschland, ein Paradies für Geldwäscher. spiegel.de 27.08.2021.

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