Wir wollen eine Diskussion darüber eröffnen, was ein „besserer Wiederaufbau (Build back better)“ für den Frieden bedeutet, und wir wollen die Unterstützung der internationalen Friedensbewegung für eine sehr wichtige Diskussion über den weltweiten Transitionsprozess entwickeln.

von Reiner Braun

Überlegungen für eine bessere Welt

„Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts“

Dieser Satz des Friedennobelpreisträger Willy Brandt bleibt vor allem inmitten der Corona-Krise äußerst relevant. Selbst in diesem historischen Moment ist die Welt nicht zusammengekommen, um den monumentalen Appell des UN-Generalsekretärs für einen Waffenstillstand zur Beendigung von Kriegen und bewaffneten Konflikten zu unterstützen. Aber die Wahrheit, dass wir Frieden und Abrüstung brauchen, um die Folgen von Covid-19 zu überwinden.

Die Corona-Pandemie hat Länder auf der ganzen Welt in eine tiefe wirtschaftliche, politische, soziale und gesellschaftliche Krise gestürzt. Millionen von Menschen sind bereits arbeitslos, wobei die IAO (Internationale Arbeitsorganisation) davor warnt, dass bis zu 100 Millionen weitere ihren Arbeitsplatz verlieren könnten, was zu einem äußerst alarmierenden Anstieg der Hunger- und Armutsraten führen könnte.

Kriege und bewaffnete Konflikte sowie die internationalen Waffenexporte, die sie ermöglichen, gehen weiter, als ob nichts Dramatisches geschehen wäre, trotz der dringenden Aufforderung von Generalsekretär Guterres und des UN-Sicherheitsrates. Mit Ausnahme Italiens und Südkoreas wurden fast keine Rüstungshaushalte gekürzt; die Konfrontationen der Vereinigten Staaten und der NATO mit Russland und China bleiben politisch dominant.

Die weltweiten Systemkrisen haben sich dramatisch verschärft. Die Frage, wie diese Krisen überwunden werden können, ist für Milliarden von Menschen zu einer Überlebensfrage und einer zentralen Herausforderung für die gesellschaftliche Entwicklung, das Zusammenleben der Menschen und die Demokratie geworden

„Ein besserer Wiederaufbau“ (alternativ bekannt als die Schaffung einer „neuen Normalität“ oder „New Dial“) ist der Versuch fortschrittlicher Kräfte weltweit, Antworten auf die notwendigen, sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Veränderungen zu entwickeln.

Was bedeutet ein besserer Wiederaufbau für die Friedensbewegung im weltweiten Kampf für Frieden und Abrüstung?

Ein Wandel ist nicht möglich ohne Frieden, und Frieden ist nicht möglich ohne Wandel zur globalen und ökologischen Gerechtigkeit.

Ein besserer Wiederaufbau erfordert:

  1. Gemeinsame, auf Sicherheit basierende internationale Beziehungen, in Anlehnung an die Arbeit von Olof Palme, Willy Brandt, Bruce Vance, Giorgi Arbatov und Bruno Kreisky – regional verankert und auf der Grundlage von Dialog, Verhandlungen, Zusammenarbeit und friedlicher Konfliktlösung. Dies steht im Gegensatz zum gegenwärtigen Trend der wachsenden Militarisierung in vielen Regionen der Welt, wie etwa Südasien und der Europäischen Union.
  2. Die Abschaffung der Sanktionen als Teil der internationalen politischen Rahmenbedingungen und als Instrument des Krieges.
  3. Nukleare Abrüstung, einschließlich der Ratifizierung und Inkraftsetzung des Atomwaffenverbotsvertrag (TPNW), ein Ende der Modernisierungsprozesse in den nuklear bewaffneten Ländern und eine Neuzuweisung von Geldern an bedürftige Sektoren wie Gesundheits- und Bildungswesen. Ein besserer Wiederaufbau des Friedens bedeutet, tiefgreifende und sofortige Schritte hin zu einer atomwaffenfreien Welt zu unternehmen.
  4. Allgemeine Abrüstung und eine Umverteilung der fast 2 Billionen US-Dollar, die derzeit auf globaler Ebene für die Militarisierung ausgegeben werden, um eine Friedensdividende zu schaffen, die in die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) investieren werden sollte. Soziale Gerechtigkeit weltweit ist ohne allgemeine und vollständige Abrüstung unmöglich.
  5. Die Umstellung der Militärindustrie und ihrer Beschäftigten auf nachhaltigere Produktions- und Beschäftigungsformen. Der Wandel zu nichtmilitärischen und nachhaltigen Produkten ist das genaue Gegenteil der aktuellen Entwicklungen bei der Automatisierung von Kriegsführung und Cyberwars; gute Arbeit für alle ist unser Ziel.
  6. Die Auflösung von Militärbündnissen wie der NATO und die Versetzung von Soldaten, die in den Bereichen Klimaresistenz, Friedenserhaltung sowie Katastrophenvorbeugung und – bewältigung arbeiten sollen.
  7. Die Beteiligung internationaler Organisationen wie der UNO und regionaler Organisationen an der friedlichen Lösung von bewaffneten Konflikten durch Rundtischgespräche, die Gerechtigkeit, Würde und Dialog betonen. Der Einsatz von Übergangsjustiz- und insbesondere von Wahrheitskommissionen – zur Aufarbeitung der Ursachen von Konflikten und um Erkenntnisse für künftige Generationen zu ziehen.
  8. Strenge Rüstungskontrolle, die Waffenexporte als „kriminelle Handlungen“ einstuft, und Umstellung der Rüstungsindustrie, die eine Überprüfung ihrer kriminellen und oft illegalen Aktivitäten einschließt. Dazu gehört auch die Einrichtung zivilgesellschaftlicher „Beobachtergruppen“, um einen Rückfall in die Kriegsproduktion mit Absicht auf Gewinnerzielung zu verhindern.
  9. Obligatorische Friedenserziehung in allen Schulen und Lehrerausbildung an den Universitäten, mit besonderem Augenmerk auf die Geschlechter- und Rassengleichheit, neben einem Verbot der Rüstungsforschung.
  10. Die Entwicklung und Etablierung neuer Friedensstrukturen, wie z.B. Ministerien für Frieden, Abrüstung und Konversion in Regierungen, unter Berücksichtigung interkultureller Angelegenheiten, der Anerkennung der Bedeutung des Friedens und der Finanzierung von Organisationen, die den Frieden fördern.

Wichtig ist, dass wir in dieser neuen Normalität einen neuen Geist der Solidarität und Gemeinschaft in der Gesellschaft brauchen. Dazu gehören neue Formen der Beteiligung und der Demokratisierung, insbesondere der wichtigsten internationalen Organisation, der Vereinten Nationen.

Reiner Braun, Exekutivdirektor, International Peace Bureau (IPB)
Übersetzung aus dem Englischen wurde von Maria Kaschner vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!