Führender Vertreter der extremen Rechten in den USA ruft in deutscher Tageszeitung zum gemeinsamen „Krieg“ gegen China auf.

Eine einflussreiche deutsche Tageszeitung öffnet die Debatte über etwaige neue Aggressionen gegen China für einen führenden Vertreter der extremen Rechten in den USA. Der Westen befinde sich längst in einem „heiße[n] Krieg“ mit Beijing – „im Bereich Kybernetik, in der Propaganda und natürlich in der Wirtschaft“, urteilt Steve Bannon, Ex-Berater von Donald Trump, in der „Welt“. Es drohe sogar das Abgleiten in einen bewaffneten Konflikt. Wollten die Staaten Europas nicht zu „Vasallen Chinas“ werden, müssten sie an der Seite der USA den Kampf aufnehmen. Bannons Intervention erfolgt, während sich in der deutschen Politik eine scharf antichinesische Fraktion abzeichnet, die – gefördert insbesondere von der Springer-Presse – vor allem aus Funktionären von FDP, Bündnis 90/Die Grünen sowie Teilen der Unionsparteien besteht und faktisch den Schulterschluss mit der Trump-Administration gegen Beijing propagiert. Die Bundesregierung hingegen ist um eine eigenständige Rolle im Machtkampf zwischen den USA und China bemüht – im Interesse der deutschen Industrie und eines machtpolitischen Aufstiegs der EU.

„Dialog“ im Interesse der Industrie

Die Bundesregierung und die EU suchen sich im Machtkampf zwischen den USA und China einer uneingeschränkten Positionierung auf Seiten der Vereinigten Staaten zu verweigern. Bereits am Freitag hatten Außenminister Heiko Maas und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärt, die Union setze im Streit um das neue Nationale Sicherheitsgesetz für Hongkong [1] auf „Dialog“; Strafmaßnahmen, wie sie US-Präsident Donald Trump Ende vergangener Woche angekündigt hat, lehne man ab. Borrell bestätigte, nur ein einziger EU-Staat habe etwaige Sanktionen gegen China angesprochen. Dem Vernehmen nach handelte es sich um Schweden. Auch eine Absage des EU-China-Gipfels, der am 14. September in Leipzig stattfinden soll, stehe nicht zur Debatte, äußerte Maas: Es gebe „vieles, über das wir mit China sprechen wollen und sprechen müssen“.[2] Bereits zuvor hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Aufzählung der Schwerpunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, die im Juli beginnt, das Verhältnis zu China an erster Stelle genannt; es müsse dabei um eine stärkere Marktöffnung in der Volksrepublik, aber auch um eine gemeinsame Afrikapolitik gehen.[3] Ersteres liegt im Interesse der deutschen Industrie, die China als ihren vielleicht wichtigsten Zukunftsmarkt begreift [4]; Letzteres ist ein Versuch, auf dem afrikanischen Kontinent nicht noch stärker in Rückstand gegenüber Beijing zu geraten.

Kein Interesse an „Decoupling“

Das Bemühen um eine eigenständige Chinapolitik hat Außenminister Maas gestern bekräftigt. Berlin und die EU könnten „kein Interesse daran haben, dass die Interessengegensätze zwischen China und den USA unüberbrückbar werden“ und der Globus „in eine chinesische und eine amerikanische Interessensphäre“ zerfalle, erklärte Maas mit Blick auf den US-Plan, eine derartige Spaltung („Decoupling“, „Entkopplung“ [5]) zu erzwingen, um die Volksrepublik von Geschäften mit dem Westen abzuschneiden. Es sei nun „an Europa, mit unseren Partnern“ den „schwierigen Kampf für einen zukunftsfähigen Multilateralismus anzuführen“, urteilte Maas.[6] Zwar müssten „in unseren Gesprächen mit China“ stets „bestimmte Werte, Grundsätze und Prinzipien“ eingefordert werden. Dennoch gebe es „zu viele wichtige Themen, die wir mit China besprechen müssen“, als dass man etwa den EU-China-Gipfel absagen könne. Ähnlich äußerten sich Niels Annen (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt, und Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestags. „Von einer neuen globalen Konfrontation“ werde „niemand profitieren“, ließ sich Annen zitieren, während Röttgen bekräftigte, eine Absage des Gipfels „macht keinen Sinn“.[7]

Sanktionen im Gespräch

Druck auf die Bundesregierung, sich der Chinapolitik der Trump-Administration anzuschließen oder sich ihr zumindest noch weiter anzunähern, üben derzeit vor allem Politiker der FDP und von Bündnis 90/Die Grünen aus. Reinhard Bütikofer (Grüne), Leiter der China-Delegation des Europaparlaments, hatte bereits vor kurzem die Einführung eines Mechanismus gefordert, der EU-Sanktionen gegen die Volksrepublik möglich macht (german-foreign-policy.com berichtete [8]). Eine Verhängung von China-Sanktionen hatte zudem die menschenrechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gyde Jensen, verlangt: Das bisherige Vorgehen der Bundesregierung in Sachen Hongkong sei „beschämend“.[9]

Gemeinsame Sache

Dass sich die antichinesische Fraktion in der deutschen Politik derzeit stark aus Bündnis 90/Die Grünen, der FDP und Teilen der Unionsparteien rekrutiert, bestätigt ein aktuell kursierender, von mittlerweile 760 Politikern aus 37 Staaten unterzeichneter Aufruf, der – das neue Sicherheitsgesetz in Hongkong zum Anlass nehmend – ein geschlossenes Vorgehen der westlichen Staaten gegen die Volksrepublik verlangt. Initiator des Aufrufs ist Chris Patten, einst EU-Außenkommissar (1999 bis 2004), zuvor (1992 bis 1997) letzter britischer Kolonialgouverneur in Hongkong. Die Liste der Unterzeichner deutet die gesamte Bandbreite der Frontbildung gegen Beijing an. In den USA sind außenpolitische Hardliner stark vertreten, darunter Politiker vom rechten Rand der Republikaner wie Marco Rubio und Ted Cruz. Aus dem Europaparlament (insgesamt 85 Unterzeichner) sind Abgeordnete der Grünen (35) überdurchschnittlich stark beteiligt; daneben finden sich zahlreiche Konservative sowie sechs Abgeordnete der extrem rechten „Fraktion Identität und Demokratie“. Von den 14 Bundestagsabgeordneten, die sich auf der Unterzeichnerliste neben Politikern wie Rubio, Cruz, Gerolf Annemans (Vlaams Belang) sowie Marco Zanni (Lega) finden, gehören sechs zu Bündnis 90/Die Grünen, darunter Margarete Bause (Menschenrechtssprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion), Ex-Bundesumweltminister Jürgen Trittin und Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth.[10]

Die Bündnisfrage

Die Tageszeitung „Die Welt“, zu deren bevorzugten Stichwortgebern in Sachen China seit einiger Zeit der Grünen-Europaparlamentarier Bütikofer gehört, öffnet die Debatte in Deutschland nun für einen führenden Vertreter der extremen Rechten in den Vereinigten Staaten – Steve Bannon. Vor wenigen Wochen hatte Mathias Döpfner, der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer SE, in einem ausführlichen Beitrag erklärt, „die Bündnisfrage“ sei „entscheidungsreif“: Die Vereinigten Staaten hätten sich „klar für eine Politik des Decouplings entschieden“; dem gelte es nun zu folgen.[11] Dass dies „teuer“ werde, dürfe kein Hinderungsgrund sein. Döpfner verwies allein bezüglich deutscher Unternehmen auf „ein jährliches Handelsvolumen von rund 200 Milliarden Euro“. „Die Welt“ hat kürzlich anhand einiger Beispiele berechnet, was die Verlagerung der Produktion aus China deutsche Konsumenten kosten würde. Demnach stiege der Preis für eine Strickstrumpfhose von rund 10 auf rund 24 Euro, der Preis für eine Stoffeule von rund 12 auf rund 35 Euro sowie der Preis für einen bestimmten Kopfhörertyp von rund 200 auf rund 600 Euro.[12] Der Hinweis lässt erahnen, dass der von Springer gewünschte Bruch mit China für Deutschland mit erheblichen inneren Folgen verbunden wäre, die keineswegs nur milliardenschwere Konzerne träfen.

„Ein heißer Krieg“

Jetzt ruft Steve Bannon, Ex-Berater von Donald Trump und eine Zeitlang populäre Kontaktperson führender Vertreter der extremen Rechten in Europa, in der „Welt“ zum gemeinsamen „Kampf“ gegen China auf. Die „Abkopplung“ des Westens von der Volksrepublik „muss … vollzogen werden“, fordert Bannon in einem von der Tageszeitung abgedruckten Interview: „Das ist kein kalter, sondern ein heißer Krieg“ – „im Bereich Kybernetik, in der Propaganda und natürlich in der Wirtschaft“.[13] Suche die EU diesen Krieg zu vermeiden, dann würden „die europäischen Länder zu Vasallen Chinas“ werden. In einem früheren Interview schloss Bannon, der zudem für „alle Menschen dieser Welt, die von Covid-19 betroffen wurden, … eine Entschädigung“ durch die Volksrepublik verlangt, sogar ein „Abgleiten“ in einen „bewaffneten Konflikt“ mit Beijing nicht aus.[14] „Gemeinsam“ könnten die Staaten Europas und die USA den Kampf „gewinnen“.

[1] S. dazu Die Meister der doppelten Standards.

[2] Dialog statt Drohungen. tagesschau.de 29.05.2020.

[3] Thomas Gutschker: Klare Worte. Frankfurter Allgemeine Zeitung 30.05.2020.

[4] S. dazu „Krisen verschieben die Kräfte“.

[5] S. dazu Die Entkopplung der Welt.

[6] „Wir brauchen auch im 21. Jahrhundert einen funktionierenden Multilateralismus“. Pressemitteilung des Auswärtigen Amts. Berlin, 01.06.2020.

[7] Sorgen in Hongkong nehmen zu. Frankfurter Allgemeine Zeitung 30.05.2020.

[8] S. dazu Die Meister der doppelten Standards.

[9] Rena Lehmann: FDP-Politikerin Jensen fordert Sanktionen gegen China. noz.de 27.05.2020.

[10] Patten-led group of 760 Parliamentarians from 37 countries decry ‚flagrant breach of the Sino-British Joint Declaration‘. hongkongwatch.org 01.06.2020.

[11] Mathias Döpfner: Wir müssen uns entscheiden. welt.de 03.05.2020. S. auch Die Bündnisfrage.

[12] Tina Kaiser, Marc Neller: Was „Made in China“ Deutschland wirklich kostet. welt.de 15.05.2020.

[13] Laure Mandeville: „Wir müssen uns zusammentun, sonst wird Europa ein Vasall Chinas“. welt.de 01.06.2020.

[14] David Barboza: Steve Bannon on Hong Kong, Covid-19, and the War with China Already Underway. thewirechina.com 24.05.2020.

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