In China wurden 2018 die ersten genetisch veränderten Menschen geboren. Nun diskutieren in Russland Wissenschaftler und Politiker darüber, ob die Genom-Editierung menschlicher Embryonen mittels Crispr/Cas9 erlaubt werden soll.
Stefan Mundlos vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin ist Mitglied der Arbeitsgruppe Genom-Editierung des Ethikrates der Max-Planck-Gesellschaft. Der Wissenschaftler, der selbst Crispr/Cas für seine Forschung einsetzt, hält die Sorge vor einer unkontrollierten Manipulation des menschlichen Erbguts für übertrieben.
Herr Mundlos, ist die Veränderung menschlicher Zellen ethisch vertretbar?
Es kommt darauf an, ob wir von normalen Körperzellen, den sogenannten somatischen Zellen, oder von Zellen der Keimbahn sprechen, also von Spermien und Eizellen. Somatische Zellen geben ihr Erbgut nicht weiter. Wird das Erbgut dieser Zellen also verändert, verschwindet die Mutation mit dem Tod des Patienten wieder. Ein solcher Eingriff zur Behandlung von Erbkrankheiten oder Krebs ist mit anderen Zell-basierten Therapien vergleichbar und deshalb ethisch unproblematisch.
Und die Genom-Editierung von Zellen der Keimbahn?
Hier sieht es ganz anders aus. Die Aufgabe von Spermien und Eizellen ist ja, für Nachkommen zu sorgen. Sie geben also ihr Erbgut an die nachfolgende Generation weiter. Von Manipulationen der Keimbahn werden also Menschen betroffen sein, die zum Zeitpunkt der Veränderung noch gar nicht geboren sind und die deshalb auch nicht einwilligen können. Das ist ethisch inakzeptabel. Da die Genom-Editierung auch noch nicht präzise genug ist und daher unbeabsichtigte Mutationen ausgelöst werden können, spricht sich die Max-Planck-Gesellschaft in ihrem Diskussionspapier zur Genom-Editierung gegen Eingriffe in die Keimbahn aus.
Wie sicher ist die Technik denn?
Crispr/Cas9 arbeitet zwar sehr präzise und schneidet die DNA fast immer an einer festgelegten Stelle. Aber trotzdem kann es auch zu Fehlern kommen. Derzeit arbeiten Forscher an noch exakteren und weniger fehleranfälligen Varianten. In jedem Fall werden wir veränderte Zellen immer genau überprüfen müssen, ob sie tatsächlich nur die gewünschten Mutationen tragen.
Stefan Mundlos forscht an seltenen Knochenerkrankungen, die durch veränderte Gene ausgelöst werden. Foto: © Edgar Zippel/mpgWelche Bedeutung wird die Genom-Editierung von Menschen künftig haben?
Die Veränderung normaler Körperzellen hat definitiv großes medizinisches Potenzial. Erkrankungen, die auf einer oder wenigen Mutationen beruhen wie zum Beispiel manche Leukämie-Formen, könnten damit therapiert werden. Ich bin sicher, dass wir schon in wenigen Jahren die ersten Patienten auf diese Weise behandeln können.
Für die Keimzell-Therapie sehe ich dagegen keine Notwendigkeit, denn es gibt dazu gleichwertige und ethisch weniger problematische Alternativen. So können bei in-vitro-Befruchtungen mittels Präimplantationsdiagnostik die Embryonen für die Implantation ausgewählt werden, die keine schädlichen Mutationen tragen.
Viele Menschen befürchten, dass die Genom-Editierung nicht nur zur Behandlung von Krankheiten, sondern auch zur Optimierung menschlicher Eigenschaften genutzt werden wird. Werden wir in Zukunft dank der neuen Technik besonders intelligente oder groß gewachsene „Designer-Babys“ haben?
Diese Gefahr sehe ich in absehbarer Zukunft nicht. Eigenschaften wie Intelligenz, Körpergröße und andere Eigenschaften, die man vielleicht gerne optimieren würde, werden von sehr vielen Genen beeinflusst. Wir sind noch weit davon entfernt, diese Gen-Netzwerke zu verstehen, geschweige denn, sie manipulieren zu können. Möglicherweise wird das auch überhaupt nicht möglich sein, ohne an anderer Stelle unerwünschte Effekte auszulösen.
Manche Wissenschaftler fordern ein Moratorium, also eine freiwillige Selbstverpflichtung, keine Veränderung der menschlichen Keimbahn vorzunehmen. Was halten Sie davon?
Ich glaube nicht, dass ein solches Moratorium effektiv wäre. Dafür ist der Kreis an Wissenschaftlern, die die Technik einsetzen können, zu groß. Irgendwo auf der Welt wird sich immer jemand finden, der sich nicht an das Moratorium gebunden fühlt. Und überhaupt, wer soll die Einhaltung kontrollieren?
Ist die Manipulation des menschlichen Erbguts denn überhaupt nicht aufzuhalten?
Ich bin überzeugt, viel wirksamer als Verbote oder Selbstverpflichtungen wird der fehlende Nutzen einer Keimbahn-Therapie sein. Warum soll sich eine schwangere Frau Eizellen entnehmen lassen, wenn sie dasselbe Resultat für ihr Kind auch auf weniger unangenehme Art erreichen kann? Es wird dafür einfach keinen Grund und folglich keinen „Markt“ geben.
Das Interview wurde von Harald Rösch für die Max-Planck-Gesellschaft geführt und von unserem Medienpartner Humanistischer Pressedienst übernommen.