Während die Zahl der Asylsuchenden in Österreich und Deutschland weiter deutlich sinkt, meldet das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR weltweit zum ersten Mal mehr als 70 Millionen Heimatvertriebene. Die Hälfte davon sind Kinder, die vor Konflikten, Gewalt, Verfolgung oder Menschenrechtsverletzungen fliehen.

Von R. Manoutschehri

Anlässlich des Weltflüchtlingstages veröffentlicht der UNHCR den Bericht “Global Trends”, der einen Überblick über Flucht und Vertreibung weltweit gibt. Diese jährliche Statistik zeigt, dass 2018 rund 70,8 Millionen Menschen auf der Flucht waren und sind. Das sind 2,3 Millionen mehr als ein Jahr zuvor – und rund doppelt so viele wie vor 20 Jahren. „Die Daten unterstreichen, dass die Zahl der vor Krieg, Konflikten und Verfolgung fliehenden Menschen langfristig steigt“, sagte UN-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi.

Die insgesamt 70,8 Millionen Menschen auf der Flucht setzen sich aus Flüchtlingen, Asylsuchenden und Binnenvertriebenen zusammen. Rund 25,9 Millionen sind Flüchtlinge, also Menschen, die vor Krieg und Verfolgung aus ihrem Land geflohen sind. Das ist ein Plus von 500.000 Personen gegenüber dem Vorjahr. Darin enthalten sind 5,5 Millionen palästinensische Flüchtlinge unter dem Mandat des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA).

Zu den Flüchtlingen kommen 3,5 Millionen Asylsuchende, also Menschen, über deren Asylantrag noch nicht entschieden wurde. Die größte Gruppe sind mit 41,3 Millionen Binnenvertriebene, also Menschen, die innerhalb ihres Heimatlandes auf der Flucht sind. Rund vier Millionen Menschen sind derzeit Staatenlose ohne legitime Staatsangehörigkeit.

Viele Kinder auf der Flucht, oftmals alleine

Jeder zweite Flüchtling ist ein Kind oder Jugenlicher unter 18 Jahren. Viele sind jedoch jünger als sechs Jahre und oftmals alleine oder von ihren Eltern getrennt. Insgesamt wurden 111.000 von ihren Eltern getrennte Flüchtlingskinder registriert.

Mehr als zwei Drittel (67 Prozent) kommen aus nur fünf Ländern: Syrien, Afghanistan, Süd-Sudan, Myanmar und Somalia. Etwa 80 Prozent der Flüchtlinge haben in einem direkten Nachbarland ihres Herkunftslandes Schutz gefunden – also rund 4 von 5 Vertriebenen bleiben in ihrer Region und wollen – entgegen oftmals kolportierter Meldungen – auch gar nicht nach Europa. Die Meisten (61 Prozent) konzentrieren sich in Städten.

Besorgnis erregend ist auch die zunehmende Dauer, bis eine Rückkehr in die Heimat wieder möglich scheint. Etwa vier von fünf Flüchtenden sind schon vor mindestens fünf Jahren vertrieben worden. Jeder Fünfte ist sogar schon seit 20 Jahren oder länger Heimatvertrieben.

Arme Länder helfen mehr als Reiche

Die meisten Flüchtenden wurden von diesen Ländern (in absteigender Reihenfolge) aufgenommen: Türkei, Pakistan, Uganda, Sudan, Deutschland, Iran und Libanon. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl hat der Libanon die meisten Flüchtenden aufgenommen, 1 von 6 Menschen ist dort ein Heimatvertriebener. Jordanien (1 von 14) und die Türkei (1 von 22) reihen sich dahinter ein. Reiche Länder haben im Schnitt 2,7 Flüchtlinge pro 1.000 EinwohnerInnen aufgenommen, Länder mit mittlerem und niedrigem Einkommen rund 5,8 Flüchtlinge pro 1.000 EinwohnerInnen. Die ärmsten Länder der Erde beherbergen somit ein Drittel der Flüchtlinge weltweit.

Insgesamt sind die Zahlen des UNHCR aber vorsichtig-konservativ geschätzt und liegen in Wirklichkeit wohl weit höher, unter anderem auch, weil etwa das Ausmaß der Krise in Venezuela nur teilweise abgebildet wird. Mittlerweile haben rund vier Millionen Menschen das Land verlassen und obwohl die Mehrheit der Geflüchteten internationalen Schutz braucht, haben bis jetzt erst rund eine halbe Million Menschen um Asyl angesucht.

„Welchen Maßstab man auch nimmt, diese Zahlen sind nicht zu akzeptieren. Und aus ihnen spricht lauter als jemals zuvor die Notwendigkeit zur Solidarität und zu gemeinsamen Zielen bei der Prävention und Lösung von Krisen. Gemeinsam muss sichergestellt werden, dass Flüchtlinge, Binnenvertriebene und Asylsuchende weltweit angemessen geschützt und versorgt werden, während zugleich Lösungen vor Ort in den Krisenregionen angestrebt werden“, betont Grandi.

In Österreich bietet sich – ebenso wie in Deutschland und den meisten EU-Staaten – indes ein anderes Bild: Die Zahl der Asylanträge ist 2018 erneut um fast die Hälfte gesunken und liegt bei 13.746 Anträgen – am Niveau wie vor zehn Jahren, und lange vor der so genannten Flüchtlingskrise.

 

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