Christiane Beckmann ist Koordinatorin von „Moabit hilft!“ und berichtet hier über den Abend des 23. September 2015 am Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo).

22:15 Uhr
Rund 210 Menschen warten vor dem LaGeSo. Die erste Aussage vom Amt: Es gibt keine Unterkunft! Die momentan freien Restplätze seien reserviert für den morgen ankommenden Zug aus München. Vor Ort waren lediglich zwei einstöckige Busse, um erstmal zu deeskalieren, und die Helfer_innen vor Ort wurden gefragt, ob sie Unterkünfte finden können. Dann würde man die Leute mit den Bussen dorthin fahren lassen.

20 Menschen wurden somit privat untergebracht. Der erste Bus ist mit 30 Menschen abgefahren, in eine kleine Turnhalle, die ebenfalls von Privatmenschen organisiert wurde. Wieder einmal müssen die Bürger_innen Schlimmeres vermeiden. Nach viel Zureden und Druck hat das LaGeSo nochmal Plätze freigemacht und es konnten 27 weitere Menschen untergebracht werden. Vielleicht hätten es auch noch fünf mehr sein können, wenn nicht das Vertrauen total zerstört wäre.

Es ist so weit, dass auch Familien auf der Straße schlafen wollen, weil sie Angst haben, sie könnten sich sonst am nächsten Tag nicht registrieren. Die Vertriebenen vertrauen den Behörden nicht mehr.

Denn zu oft wurde ihnen gesagt, sie könnten in einen Bus einsteigen und dann in der Unterkunft verbleiben, und am nächsten Tag schmiss man sie wieder raus. Und zu oft wurde ihnen gesagt, man würde sie in der Unterkunft registrieren und nichts passierte. Und zu oft wurde ihnen gesagt, man könne auch als nicht-Registrierter dort übernachten und kam dann doch nicht rein.

22.45 Uhr
Der Einzige, der wieder zur Stelle ist, ist Bezirksbürgermeister Christian Hanke. Er ist gerade vor Ort eingetroffen.

23:00 Uhr
Auf Druck der Grünen-Abgeordneten Canan Bayram hat Staatssekretär Gerstle nun 15 Plätze in der Glockenturmstraße frei gemacht.

23:30 Uhr
Es war versucht worden, eine Familie unterzubringen, aber sowohl diese als auch die anderen vor Ort vertrauen niemandem. Sie haben Angst, dass sie dann morgen im LaGeSo keinen Platz haben oder nicht registriert werden. Wir sind am Tiefpunkt, mehr können wir für heute nicht tun.

gegen 1:30 bis 2:00 Uhr
Drei Leute kommen wieder zurück. Sie wurden mit viel gutem Zureden vorher in den zweiten Bus gebracht, der in eine offizielle Notunterkunft fuhr. Dort wurden sie abgewiesen, weil sie nicht registriert waren.

gegen 2:00 bis 2:30 Uhr
Eine Frau mit kleinem Jungen und Mann – nicht ihr Ehemann, vielleicht ihr Bruder – kommen zusammen mit einem Mann, der schon in einer Notunterkunft untergebracht ist und nur hilft. Mithilfe einer sehr netten und spontan vorbei gekommenen Übersetzerin redeten wir sehr lange, um die Familie privat unterbringen zu können. Sie haben aber schon eine solche Angstund wollen lieber draußen bleiben.

Dann kommt noch eine syrische Familie aus der Motardstraße, wo sie offiziell hingeschickt worden waren. Dieses Erstaufnahmelager ist voll, was wir schon seit Wochen wissen! Also wurden sie wieder weggeschickt. Der Vater fragte dort, wo er mit seinen Kindern schlafen solle. Auf der Straße etwa? Antwort: Ja, können sie ja machen. Zum Glück konnten die Helfer_innen vor Ort sie für eine Nacht privat unterbringen.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal anmerken, dass wir niemals Mitarbeiter_innen oder Unterstützer_innen des LaGeSo als versagende Stellen meinen, denn auch sie arbeiten am Anschlag, wir kritisieren die Führungsebenen.