Das Internationale Literaturfestival in Berlin organisierte am Montag eine weltweite Lesung als Solidaritätserklärung für Edward Snowden. An 75 Veranstaltungsorten in 20 Ländern sollte diese helfen, die Unterstützung für Snowden und das Thema der Massenüberwachung wach zu halten.

Im Berliner Festspielhaus lasen zunächst zwei Schauspieler_innen, Ronald Zehrfeld und Franziska Herrmann, Auszüge aus verschiedenen Interviews mit Snowden, in denen er einerseits sein Vorgehen erklärte, andererseits das Ausmaß der Überwachung deutlich machte und argumentierte wie perfide sie die Menschenrechte und die Demokratie aushöhlte.

Danach verlas Janne Teller, eine Schriftstellerin aus Dänemark, die Petition der „Autoren gegen Massenüberwachung“:  Die Demokratie verteidigen im digitalen Zeitalter, welche von 560 Autoren und 78 000 weiteren Menschen unterschrieben wurde.

Auf dem Podium fanden sich die Autor_innen Priya Basil, die „Authors for Peace“ gegründet hat, in Berlin und London lebt und sehr aktiv gegen die Massenüberwachung ist, Brian Brett aus Kanada, der seit vierzig Jahren Fakten zu Überwachung für ein Buch sammelt „I don’t know if I live long enough“ und Wolfgang Kaleck, Anwalt von Snowden aus Berlin. Moderiert wurde die Runde von Spiegel-Redakteur Marcel Rosenbach.

Es war ihnen wichtig, gleich am Anfang klarzustellen, dass es Snowden nie um sich selbst gegangen sei, eine solche Solidaritätsaktion also dem Zweck, dem Thema der Massenüberwachung, dienen solle und dem Schutz von Whistleblowern, welche sich weltweit in Gefängnissen, Botschaften oder im erzwungenen Exil befänden.

Wie weit verändert die Überwachung uns und höhlt unsere Rechte und die Demokratie aus? „Wenn unsere Kollegen vom Guardian von der Britischen Regierung gezwungen werden, ihre Festplatten zu löschen…“, so Rosenbach und fügt lächelnd hinzu „Natürlich haben sie Kopien gehabt.“ „…dann ist dies eine deutliche Bedrohung der Pressefreiheit und der Demokratie.“

Brian Brett gab zu bedenken, dass in Nordamerika zwei Medienkonzerne sämtliche nationale Zeitungen, Radiosender etc. besäßen. Jeder Schriftsteller, Musiker oder Journalist, der sich öffentlich gegen die generelle Linie dieser Konzerne äußere, habe schwere wirtschaftliche Schäden zu befürchten, weil er nicht mehr veröffentlicht wird, seine Songs nicht mehr gespielt werden.

Aber auch viel perfider wirkt die Überwachung. „Wenn Du an Dein Handy als eine Art Geliebten denkst, der immer bei Dir ist und Deine intimsten Gedanken teilt, so ist es gleichzeitig auch eine Art Stalker, der Dich ausforscht und bloßstellt.“ So erklärt Basil ihren Erkenntnisprozess, der dazu geführt hat, dass sie sich mit Verschlüsselungstechnologien auseinandergesetzt und andere Internetanbieter ausgewählt hat, die nicht unbedingt gratis sind: „Man muss sich bewusst werden: wenn das Produkt umsonst ist, dann bist Du das Produkt.“

Ob man nun sein Handy in den Kühlschrank lege, um einmal unbeobachtet zu sein, oder andere Dinge mache, all dies seien kleine Akte der Bewusstseinswerdung, die egal was für einen echten Nutzen sie wirklich haben, ein Signal geben.

Die Selbstzensur ist ein Zeichen der Zeit. So sagt Basil, dass Studien ergeben hätten, dass bei Internetbefragungen einer von sechs gezielt lüge, weil er befürchte überwacht zu werden. Eine solche Entwicklung führe zu einer Gesellschaft, in der freie Meinungsäußerung untergraben wird. Es sei notwendig, ein Bewusstsein bei den Menschen zu wecken, die immernoch der Meinung seien, es sei ja alles nicht so schlimm und für die Bekämpfung von Terroristen müsse man das eben in Kauf nehmen.

Bei der Frage, was nun notwendig sei zu tun, schauten die Podiumsteilnehmer etwas ratlos drein. Die Hilflosigkeit, die wir alle in Anbetracht dieser gigantischen Systeme empfinden, scheint auch sie nicht unberührt zu lassen. Das Wecken eines Bewusstseins, massenhafter Druck der Öffentlichkeit, das sind auf der einen Seite wichtige Vorgehensweisen, so sind sie sich einig. Kaleck betont, man müsse Politik machen. Auf allen Ebenen – Regierung, Bundestag, EU – müsse man Überzeugungsarbeit leisten. Man dürfe die deutsche Regierung nicht so leicht vom Haken lassen, aber: „Es ist ein Prozess, keine Lösung.“

Janne Teller betonte, dass Gesetze aus der realen Welt grundsätzlich genauso auf die virtuelle Welt anwendbar seien, das habe sogar eine UNO Komission festgestellt, aber sie werden nicht implementiert.

Ob es etwas bringe, Snowden den Friedensnobelpreis zu verleihen? „Dieser Preis ist schon verdorben genug seit er der EU, Obama und Kissinger verliehen wurde.“ sagte dazu Kaleck. Aber natürlich könne man darauf einwirken und es wäre ein wichtiges Signal, fügte Basil hinzu.

Und wie die Chancen auf Asyl für Snowden in Deutschland oder in der Schweiz seien? Dazu, so Kaleck, brauche es vor allem politischen Willen. Dann sei alles möglich. So lange der nicht da sei, sehe er keine Chance.