Erfolg für die schweizerische Zivilgesellschaft: Per 1. Oktober 2017 wird die vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) vor rund drei Jahren festgelegte Rationierung von Hepatitis C-Medikamente aufgehoben. Damit können erstmals alle Patientinnen und Patienten unabhängig vom Virentyp und vom Krankheitsfortschritt behandelt werden.

Seit Ende 2013 sind neue, hochwirksame Medikamente zur Heilung der bis dahin für Millionen von Menschen unheilbare Krankheit Hepatitis C verfügbar. Hepatitis C führt zu Leberzirrhose und Leberkrebs und erhöht die Wahrscheinlichkeit zahlreicher anderer Folgekrankheiten.

Doch diese eigentliche Erfolgsgeschichte (zum ersten Mal in der Medizingeschichte konnte ein potentiell tödlicher Virus innert 8 – 12 Wochen komplett eliminiert werden) wurde schnell zu einem eigentlichen Skandal im Schweizer Gesundheitswesen. Wegen der angeblich zu hohen Kosten rationierte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die Abgabe dieser Medikamente an jene Patienten, die schon eine schwere Leberschädigung hatten. Den übrigen 90% der Patienten wurde gesagt, sie müssten zuerst noch kränker werden.

Die Rationierung hatte in den darauffolgenden Jahren zahlreiche HCV-krankheitsbedingte Todesfälle zur Folge. 2016 starben in der Schweiz mindestens 200 Menschen an der Krankheit bzw. deren Folgen, das sind fünf Mal mehr als an HIV. Und die übrigen Infizierten lebten seit Jahren mit zahlreichen Krankheitssymptomen, die ihre Lebensqualität massiv einschränkten.

Im Juli 2015 reichte eine spontan gegründete Grass-Root-Gruppe von HCV-Betroffenen ‘Stop Hepatitis C in der Schweiz’ eine Petition zuhanden der Schweizer Gesundheitsbehörden ein, in der die Behandlung aller HCV Infizierten gefordert wurde. Eine Diskussion entbrannte, was denn ein Menschenleben wert ist, bzw. kosten darf. Doch das Bundesamt stellte sich drei Jahre lang taub, und behauptete, es mache keinen Sinn, gesunde Menschen zu behandeln, die ja nur den Virus in sich trügen, deren Leber aber noch nicht fortgeschritten zerstört war.

Aus der Grass-Root-Bewegung bildete sich im Juni 2016 die Schweizerische Hepatitis C Vereinigung (SHCV). In Zusammenarbeit mit dem Netzwerk von Experten und Ärzten Hepatitis Schweiz und der Vereinigung Positivrat wurde der Druck auf das BAG beständig erhöht, und Parallelimporte von Lizenz-Medikamenten aus Indien verstärkten auch den Druck auf die Pharmaindustrie (auch auf die Patienten, welche so die Behandlung selber bezahlen mussten). In zahlreichen Symposien, Konferenzen und Standaktionen wurde die Behandlung aller Betroffenen gefordert, was zu einer beständigen Sensibilisierung und zunehmenden Medienpräsenz führte. Das BAG sah sich mit einem zunehmenden Unverständnis gegenüber seinem unethischen Rationierungs-Entscheid konfrontiert und ging schliesslich auf die seit längerem bestehenden und mit Preissenkungen verbundenen Angebote der Pharmaunternehmen ein. Das BAG hob per 1.Juli 2017 die Rationierung für einige Medikamente auf, und nun per 1. Oktober auch für die noch nicht freigegeben. Im Gegenzug senkten die Pharmaunternehmen ihre Preise.

So können ab dem 1.Oktober 2017 nun alle HCV-Infizierten endlich behandelt werden. In ihrer Pressemitteilung warnt die SHCV allerdings auch davor, solche Preiskriege auf dem Buckel der betroffenen Menschen zu führen.

Es ist anzunehmen, dass die Gesundheitsbehörden auch in Zukunft lebensrettende Medikamente zu rationieren versuchen. Dagegen muss sich die Zivilgesellschaft entschieden wehren, sonst wird die dunkle Zukunftsvision einer Zweiklassenmedizin Wirklichkeit werden.

Der Einsatz der Betroffenen des SHCV, der Ärzte und Spezialisten von Hepatitis Schweiz und des Positivrats ist aber auch ein gutes Beispiel dafür, dass es sich lohnt, für ein gemeinsames Ziel zu kämpfen.