Das Nobelkomitee hat den Friedenspreis häufig an bedeutende Verursacher von Kriegen verliehen und häufig auch an Weltverbesserer, deren Arbeit in den unterschiedlichsten Bereichen nichts mit der Abschaffung von Krieg zu tun hatte. Es hat den Preis oft auch an Gegner und Opfer des westlichen Imperiums verliehen. Aber es hat den Preis noch nie an einen offenen Befürworter von Krieg und einer faschistischen Regierung verliehen. Trump würde den Preis nie selbst erhalten.

Trump ist dafür nicht der richtige Typ Kriegstreiber. Niemand könnte das ernsthaft tun. Selenskyj sagte, er würde Trump unterstützen, den Friedenspreis verliehen zu bekommen, wenn Trump ihm Langstreckenraketen schicken würde, mit denen er dann den Dritten Weltkrieg beginnen könnte. Norwegen sorgt sich darüber, was für schreckliche Dinge Trump tun könnte, wenn er den Preis nicht erhält.

Trump hat die NATO-Mitglieder zu beispiellosen Militärausgaben gedrängt, während er Kriege in der Ukraine und Palästina schürt, Israels Kriegshandlungen in Westasien unterstützt, die Besatzungen von Fischerbooten ermordet und sein Recht erklärt, Venezuela anzugreifen, sowie seine Absicht verkündet, für weitere Kriege zu üben, indem er US-Städte als Übungsgelände nutzt. Das Nobelkomitee konnte es nicht riskieren, dass er auftaucht, um seinen Friedenspreis entgegenzunehmen und dabei dann dem Komitee vorzuwerfen, dass es einige nicht-„weiße“ Menschen im Raum gibt, oder dass der Preis einmal an jemandem verliehen wurde, den er hasst.

Aber das Nobelkomitee hat das Nächstbeste getan und muss jetzt vergeblich hoffen, dass Trump es schafft, das zu verstehen. Es verlieh den Preis an einen Gegner des „venezolanischen Regimes“ und stellte sich damit praktisch hinter Trumps Absichten, im Namen der „Demokratie“ in Venezuela einen Umsturz und eine Regierungsübernahme herbeizuführen. María Corina Machado ist vielleicht ein wunderbarer Mensch. Ihre Rechte mögen in schrecklicher Weise missbraucht worden sein. Die venezolanische Regierung könnte, wie die meisten anderen auch, zutiefst fehlerbehaftet sein. Aber am Freitag wurde nicht einmal der kleinste Anschein erweckt, Machado könne irgendetwas mit dem Anliegen zu tun haben, für die der Friedensnobelpreis geschaffen worden war. Stattdessen konzentrierte sich die Präsentation auf die Dämonisierung der Regierung Venezuelas. Der Vorwand der Verbindung zu Drogenkartellen wurde weggelassen. Es fehlten Ausführungen zum Ölgeschäft. Machado will Venezuelas Öl zum Nutzen kapitalistischer Profiteure privatisieren. Es gab keine direkte Befürwortung einer Invasion. Aber die Verteidigung der „Demokratie“ wurde in einer Art dargestellt, als gäbe es kein größere, ihr im Weg stehende Hürde, als die bloße Existenz des derzeitigen Präsidenten Venezuelas. Machado unterstützte todbringende Sanktionen gegen ihr eigenes Land und sprach sich für eine Intervention aus.

Vergangenes Jahr war einer der seltenen Fälle, wo die Verleihung des Preises tatsächlich etwas mit Frieden zu tun hatte. Heuchelei und Vergesslichkeit dabei sind aber eher die Norm. Alfred Nobels Testament aus dem Jahr 1895 legte die Finanzierung eines Preises fest, für „die Person, die die meiste oder die beste Arbeit für die Brüderlichkeit zwischen den Nationen, für die Abschaffung oder Reduzierung der stehenden Heere und für die Abhaltung und Förderung von Friedenskongressen geleistet hat“. Es gab keinen Hinweis darauf, dass Machado irgendetwas in dieser Hinsicht geleistet hätte.

Die meisten Preisträger der letzten Jahre waren entweder Menschen, die nette Dinge getan haben, welche überhaupt nichts mit den genannten Tätigkeiten zu tun hatten, wie Kailash Satyarthi und Malala Yousafzai für die Förderung von Bildung, Liu Xiaobo für Proteste in China, Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) und Albert Arnold (Al) Gore Jr. für den Kampf gegen den Klimawandel, Muhammad Yunus und Grameen Bank für wirtschaftliche Entwicklung usw., oder Leute, die tatsächlich Militarismus betrieben haben und die sich gegen die Abschaffung oder Reduzierung stehender Heere ausgesprochen hätten, wenn sie gefragt worden wären, und von denen einer dies in seiner Dankesrede auch ausgesprochen hat (die Europäische Union, Barack Obama usw.). Natürlich ist Henry Kissinger als Friedensnobelpreisträger in Erinnerung geblieben, während Gandhi ihn nie erhalten hat.

Das Nobelkomitee brachte Trump in Rage, weil es den Preis an US-Präsident Barack Obama vergeben hatte, welcher, nachdem er als bisher einziger in einer Dankesrede für die Verleihung des Friedensnobelpreises Krieg ausdrücklich befürwortet hat, nach Hiroshima ging und allen dort, einschließlich den Überlebenden der Atombomben, denen der Preis später auch zugesprochen wurde, sagte, dass Atomwaffen zu seinen Lebzeiten nicht beseitigt werden würden. Danach brachte er weitere bekannte Kriegsmythen unter die Leute.

Vor zwei Jahren verlieh das Nobelkomitee einen Friedenspreis, bei welchem dem Iran die Rolle zugewiesen worden war, die Venezuela heute hat. Seither haben wir gesehen, wie der Iran von den Hütern der westlichen Zivilisation bombardiert und bedroht wurde.

Es steht außer Frage, dass das Eintreten für die Menschenrechte eine gute Sache ist, oder dass es mutig ist, dies unter einer repressiven Regierung zu tun, oder dass es weise ist, dies zu tun, ohne dabei heuchlerisch selbst Gewalt anzuwenden. Aber der Friedensnobelpreis wurde geschaffen, um die Abschaffung des Krieges zu unterstützen, und nicht eine zufällige Auswahl der Vertretung guter Anliegen. Und die Praxis, den Preis ausgewählt an die Opfer derjenigen Regierungen zu vergeben, die vom US-Militär ins Visier genommen wurden, unterstützt den Militarismus eher, als dass er ihn reduzieren würde.

Es gibt nur einige wenige der repressivsten Regierungen der Welt, die nicht vom US-Militär bewaffnet, ausgebildet und versorgt werden, und nur eine einzige, mit der die US-Regierung kürzlich eine Vereinbarung aufgekündigt hat, was den Kriegskurs in Washington zum Stillstand brachte.

Die Preisträgerin des Jahres 2023, Narges Mohammadi, wandte sich wie ihre Kollegin und frühere Preisträgerin Shirin Ebadi sowohl gegen Übergriffe der iranischen Regierung als auch gegen Sanktionen und Kriegsdrohungen seitens der US-Regierung. Doch die Verleihung des Preises diente nicht dem Frieden, sondern verstärkte nur die sinnlose weltweite Spaltung. Jeder weiß, dass kein im Westen inhaftierter politischer Journalist wie Julian Assange jemals einen solchen Preis erhalten würde.

Im Jahr 2022, als das Komitee das Tagesgeschehen im Blick hatte, stand außer Frage, dass es einen Weg finden würde, sich auf die Ukraine zu konzentrieren. Aber es nahm von jedem Abstand, der das Risiko einer Eskalation des damals relativ kleinen Krieges oder das einer nuklearen Apokalypse verringern wollte. Es schloss jeden aus, der sich gegen beide Seiten des Krieges stellte, wie auch jemanden, der sich für einen Waffenstillstand, Verhandlungen oder Abrüstung einsetzte. Es hat nicht einmal die Wahl getroffen, die zu erwarten gewesen wäre, nämlich einen Gegner der russischen Kriegsführung in Russland und einen Gegner der ukrainischen Kriegsführung in der Ukraine auszuwählen. Stattdessen suchte sich das Nobelkomitee Verfechter der Menschenrechte und der Demokratie in Belarus, Russland und der Ukraine aus. Die Gruppe in der Ukraine wurde jedoch dafür gewürdigt, dass sie „Anstrengungen unternommen hat, um russische Kriegsverbrechen gegen die ukrainische Zivilbevölkerung zu identifizieren und zu dokumentieren“, ohne dabei Krieg als solchen als Verbrechen zu benennen, oder die Möglichkeit zu erwähnen, dass die ukrainische Seite des Krieges ebenfalls Gräueltaten begeht. Es scheint so, als hätte das Nobelkomitee aus der Erfahrung von Amnesty International gelernt, welches für die Dokumentation von Kriegsverbrechen durch die ukrainische Seite weithin angeprangert wurde.

Im Jahr 2021 ging der Preis an Verfechterinnen und Verfechter der Menschenrechte in Russland und auf den Philippinen. Im Jahr 2020 ging der Preis an das Welternährungsprogramm. Im Jahr 2019 ging der Preis an den Präsidenten von Äthiopien mit der Behauptung, er habe eine gewisse Beziehung zum Frieden, da er am Zustandekommen eines Friedensabkommens beteiligt gewesen sei. Aber er war Präsident und Kommandeur einer Armee und benötigte keine Finanzierung oder Unterstützung. Er hatte sich an allen Arten von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen beteiligt, auf dass ein Verfechter von Menschenrechten in seinem Land den Preis erhalten könnte, wenn sich die Beziehung der US-Regierung zu diesem Land ändern würde.

Der Preis 2018 bezog sich nicht auf Krieg als solchem, sondern auf die Anwendung von sexueller Gewalt in Kriegen. In Relation gesehen schon gar nicht mal so schlecht. 2013 ging der Preis an Gegner von chemischen Waffen. Aber über all´ die Jahre hinweg sehen wir als gängige Praxis, den Friedenspreis meist entweder an tatsächliche Kriegstreiber oder an Befürworter guter Anliegen zu verleihen, bei denen es nicht um Frieden geht, sowie die Praxis, den Preis für westliche politische Zwecke zu benutzen, die Frieden feindlich gegenüberstehen. Obwohl praktisch jedes Thema einen Berührungspunkt mit Krieg und Frieden haben kann, geht das Ausblenden von Friedensaktivismus als solchem bewusst am Kern der Preisstiftung durch Alfred Nobel und dem Einfluss von Bertha von Suttner vorbei.

Der Friedensnobelpreis hat sich weitgehend zu einem Preis für zufällige gute Anliegen entwickelt, die nicht bei einer Kultur, die sich dem endlosen Krieg verschrieben hat, anecken. Er wurde für Journalismus, für die Arbeit gegen den Hunger, für den Schutz der Kinder- oder Frauenrechte, für die Aufklärung über den Klimawandel und für die Bekämpfung der Armut verliehen. Das alles sind gute Zwecke und können alle irgendwie mit Krieg und Frieden in Verbindung gebracht werden. Aber diese Zwecke sollten danach trachten, eigenständige Auszeichnungen zu bekommen.

Der Friedensnobelpreis ist so sehr darauf ausgerichtet, mächtige Beamte auszuzeichnen und jeglichen Friedensaktivismus zu umgehen, dass er oft an Kriegsführende vergeben wird, darunter Abiy Ahmed, Juan Manuel Santos, die Europäische Union und Barack Obama. Manchmal ging der Preis jedoch an Gegner eines bestimmten Aspekts von Krieg, was die Vorstellung der Reformierbarkeit vorangetrieben hat, bei gleichzeitiger Beibehaltung der Institution des Krieges selbst. Diese Auszeichnungen kommen dem Zweck, für den der Preis ins Leben gerufen wurde, noch am nächsten und umfassen die Preise der Jahre 2017, 2018 und 2024.

Der Preis wurde auch genutzt, um die Propaganda von einigen der größten Waffenproduzenten der Welt voranzutreiben. Auszeichnungen wie die von 2023 wurden genutzt, um Menschenrechtsverletzungen in nicht-westlichen Ländern anzuprangern, gezielt eingesetzt für die Begründung der Finanzierung weiterer Rüstungsproduktion in westlichen Staaten. Diese Berichte ermöglichen es westlichen Medien, jedes Jahr vor der Bekanntgabe des Preises darüber zu spekulieren, ob der Preis an beliebte Propagandathemen, wie Alexej Nawalny eine ist, gehen wird. Die Verleihung des Preises hat in den letzten Jahren nichts dazu beigetragen, dass weniger Kriege geführt werden, sondern vielleicht das Gegenteil bewirkt, weil die Preise vor der Eskalation des Krieges in der Ukraine an Gegner der russischen Regierung gingen.

Im Jahr 2021, zu einem Zeitpunkt, als der weltgrößte Waffenhändler, der die meisten Kriege angezettelt hat, der bei der Stationierung von Truppen auf ausländischen Stützpunkten herausragt, der größte Feind des Internationalen Strafgerichtshofs und der Rechtsstaatlichkeit in internationalen Angelegenheiten und der Unterstützer repressiver Regierungen – die US-Regierung – hinausposaunte, es gäbe eine Aufspaltung der Welt in sogenannte Demokratien auf der einen, und Nicht-Demokratien auf der anderen Seite, beschloss das Nobelkomitee, Öl ins Feuer zu gießen, indem es erklärte:

„Seit ihrer Gründung im Jahr 1993 hat die Nowaja Gaseta kritische Artikel zu Themen veröffentlicht, die von Korruption, Polizeigewalt, unrechtmäßigen Verhaftungen, Wahlbetrug und ‚Trollfabriken‘ bis hin zum Einsatz russischer Streitkräfte innerhalb und außerhalb Russlands reichen. Die Gegner der Nowaja Gaseta haben darauf mit Schikanen, Drohungen, Gewalt und Mord reagiert.“

In diesem Jahr wurde ebenfalls ein Journalist von den Philippinen ausgezeichnet, der bereits von CNN und der US-Regierung finanziert wurde, genauer gesagt von einer US-Regierungsbehörde, die oft an der Finanzierung von Militärputschen beteiligt ist.

Dass es jedes Jahr immer zahlreiche Kandidaten gibt, die nachweislich die Kriterien des Testaments von Alfred Nobel erfüllen und angemessen mit einem Friedensnobelpreis hätten ausgezeichnet werden können, das wurde durch den verstorbenen großen norwegischen Friedensaktivisten Fredrik Heffermehl und durch die War Abolisher Awards festgestellt. World BEYOND War hat die War Abolisher Awards ins Leben gerufen, um die Lücke zu schließen, die das Nobelkomitee bei der häufigen Vernachlässigung der Aufgabe, dem Krieg ein Ende zu setzen, hinterlassen hat.

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Ulrich Karthaus vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!

Der Originalartikel kann hier besucht werden