US-Vizepräsident setzt sich auf Münchner Sicherheitskonferenz für Einbindung der AfD ein und verstärkt damit Bestrebungen der Trump-Administration, Kräften der extremen Rechten in Europa zum Durchbruch zu verhelfen.

Mit einem Vorstoß von Vizepräsident JD Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz hat die Trump-Administration der politischen Einbindung der extremen Rechten und speziell der AfD einen neuen Schub verpasst. Vance empfing am Freitag AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel persönlich zu einem 30-minütigen Gespräch. Zuvor hatte er, Mitglied einer Regierung, der rund ein Dutzend Milliardäre angehören, in seiner Rede auf der Konferenz nicht den Kampf gegen wachsende Armut zum zentralen Problem der Gegenwart erklärt, sondern den Kampf gegen „Massenmigration“: Diesbezüglich dürfe es „keinen Platz für Brandmauern“ geben. Damit schließt Vance sich Positionen an, wie sie öffentlich zunehmend auch Elon Musk sowie die Washingtoner Heritage Foundation vertreten. Vance steht einem rechtslibertären Silicon Valley-Milliardär nahe, der einst geurteilt hat, „Freiheit und Demokratie“ seien nicht „vereinbar“. Zuweilen beruft er sich auf einen rechten Blogger, der einmal empfahl, an der Spitze des Staates einen „nationalen CEO“ mit Kompetenzen wie ein Startup-Chef zu installieren – „das, was man einen Diktator nennt“. In Deutschland stieß Vance vor allem auf negative Reaktionen – bislang.

Von Tech-Milliardären protegiert

James David Vance verdankt seinen Aufstieg – zunächst in der Tech-Branche, dann in der Politik – vor allem dem Tech-Milliardär Peter Thiel. Dessen Netzwerk unterstützte ihn schon kurz nach dem Ende seines Studiums an der elitären Yale Law School bei seinem Einstieg in die Firmenwelt des Silicon Valley und ermöglichte ihm anschließend den Start einer Karriere als Tech-Investor durch die Aufnahme bei Mithril Capital, einem von Thiel kontrollierten sogenannten Risikokapitalunternehmen. Vance profilierte sich zunächst durch die Publikation seines autobiografischen Buchs Hillbilly Elegy als Stimme vernachlässigter Mittelschichten und suchte dieses Image zu wahren, als er 2017 aus dem Silicon Valley zurück nach Ohio zog. Dort gründete er 2019 das Risikokapitalunternehmen Narya Capital, zu dessen Startkapital Thiel mindestens 15 Prozent beitrug.[1] Die Wahlkampagne, mit der Vance sich 2021 und 2022 um den Sitz eines Senators von Ohio bewarb, finanzierte Thiel gleichfalls mit, Berichten zufolge mit 15 Millionen US-Dollar. Auch für seine Ernennung zu Trumps Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten setzten sich Thiel und andere Tech-Milliardäre ein, darunter David Sacks, der jetzt als Trumps „KI-Zar“ fungiert.[2] Dass Vance weiterhin ihre Interessen vertritt, zeigte er vergangene Woche auf dem KI-Gipfel in Paris.[3]

„Das nicht denkende Volk“

Auch ideologisch lässt sich Vance im rechtslibertären Milieu seines Mentors Thiel verorten. Thiel schrieb einst, „die gewaltige Aufgabe“ der Politik bestehe zur Zeit darin, einen Ausweg aus der „sogenannten Sozialdemokratie“ zu finden, die von einem „nicht denkenden Volk“ gesteuert werde. Als entschiedener Befürworter libertärer Freiheiten bekannte er: „Ich glaube nicht mehr, dass Freiheit und Demokratie vereinbar sind.“[4] Vance unterhält nicht nur enge Beziehungen zu Thiel; er beruft sich immer wieder auch auf den Blogger Curtis Yarvin, der zuweilen offen als Neofaschist eingestuft wird.[5] Yarvin hat einmal öffentlich dafür plädiert, in Washington eine Art „nationalen CEO“ an die Macht zu bringen, der umfassende Kompetenzen nach Art eines Startup-Chefs haben solle; der „nationale CEO“ solle, erläuterte Yarvin weiter, das sein, „was man einen Diktator nennt“.[6] Vance nutzt das Amt des US-Vizepräsidenten mittlerweile, um sich für eine systematische Ausdehnung der Kompetenzen von US-Präsident Donald Trump stark zu machen. So stellt er die Befugnis der Justiz in Frage, Dekrete („executive orders“) des Präsidenten auf ihre Kompatibilität mit Gesetzen zu überprüfen. Richter dürften schließlich auch keine Urteile über militärische Operationen fällen, die Generäle führten, erklärt Vance.[7]

Rassismus statt Gleichheit

Bei seinem Auftritt am Freitag auf der Münchner Sicherheitskonferenz ist Vance nun dazu übergegangen, wie Elon Musk und mehrere Organisationen aus Trumps politischem Umfeld [8] Kräfte der extremen Rechten in Europa zu unterstützen, darunter besonders die AfD. Der Multimillionär, Mitglied einer Regierung, der rund ein Dutzend Milliardäre angehören, äußerte in München, unter den vielen „drängenden Herausforderungen“ der Gegenwart sei die dringendste nicht die Zunahme von Armut sowie die immer weiter auseinanderklaffende soziale Schere, sondern „die Massenmigration“.[9] Unter dem Vorwand, bloß für freie Meinungsäußerung einzutreten, behauptete Vance, es dürfe „keinen Platz für Brandmauern“ geben, und sprach sich damit für die Einbindung von Parteien der extremen Rechten und ihrer rassistischen Positionen in die offizielle politische Debatte, gegebenenfalls sogar in die Regierungsbildung aus. Ebenfalls am Freitag hatte Vance sich in einem Interview mit dem Wall Street Journal ausdrücklich dafür ausgesprochen, keinerlei Meinungsspektrum aus dem politischen Diskurs auszuschließen, und dies explizit auch auf die AfD bezogen.[10] Nach seinem Auftritt auf der Sicherheitskonferenz empfing er in seinem Münchner Hotel die Kanzlerkandidatin der AfD, Alice Weidel, zu einem 30-minütigen Gespräch.[11]

Bislang ablehnend

Die Vorstöße des US-Vizepräsidenten sind in Deutschland bislang sogar im konservativen Parteienspektrum auf Ablehnung gestoßen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter etwa, als außen- und militärpolitischer Hardliner bekannt, attestierte Vance „ein fragwürdiges Demokratieverständnis“ und „eine ungehörige Einmischung in die Angelegenheiten demokratischer Partner“.[12] Kanzlerkandidat Friedrich Merz beklagte, es handle sich um einen „fast schon … übergriffige[n] Umgang mit den Europäern, insbesondere mit uns Deutschen“. Merz hatte zuletzt erklärt, er habe im Hinblick auf die Koalitionsbildung nach der Bundestagswahl bislang „nur eine Entscheidung fest getroffen“ – diejenige, nicht mit der AfD zu koalieren. Auch Kiesewetter bestätigte jetzt, jegliche Zusammenarbeit mit der AfD sei für ihn ausgeschlossen. Allerdings fügte er als ein zentrales Argument hinzu, er sehe die Partei als „Einfallstor russischer und chinesischer Interessen in Deutschland“.[13] Dies entspricht einer zunehmend verbreiteten Neudefinition des Cordon sanitaire („Brandmauer“), laut der nicht mehr antidemokratische, rassistische und antisemitische Parteien zu isolieren sind, sondern Parteien, die sich gegen die EU sowie gegen eine transatlantische Außenpolitik richten (german-foreign-policy.com berichtete [14]).

„Die Zukunft gehört der AfD“

Auf dieser neuen Grundlage ist der Cordon sanitaire in der EU und ihren Mitgliedstaaten zuletzt immer weiter eingerissen worden. Dies trifft unter anderem auf Italien zu, wo die zwei aus der extremen Rechten stammenden Parteien, die Fratelli d’Italia von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und die Lega von Vizeministerpräsident Matteo Salvini, gemeinsam mit einer konservativen Partei, der Forza Italia, die Regierung stellen. Dies trifft etwa auch auf das Europaparlament sowie die EU-Kommission zu. In ersterem stimmen die Fraktionen der EVP und der Liberalen immer wieder mit der Fraktion der ECR, gelegentlich gar mit der Fraktion der Patriots for Europe (PfE) gemeinsam ab. In letzterer übt mit Raffaele Fitto ein Politiker der FdI das Amt eines exekutiven stellvertretenden Kommissionspräsidenten aus.[15] Umstritten ist allerdings noch, wie weit die Kooperationsbereitschaft reicht. Bislang wurde die AfD von den großen Fraktionen der extremen Rechten in Europa ausgegrenzt; sie gehört weder der ECR- noch der PfE-Fraktion an. Dies könnte sich nun ändern. Am Mittwoch wurde AfD-Bundessprecherin Alice Weidel in Budapest offiziell von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán empfangen. Orbán hatte bislang stets Distanz zur AfD gehalten. Jetzt erklärte er, es „änder[e] sich alles“: „Offensichtlich gehört die Zukunft der AfD.“[16] Rückendeckung erhält Orbán dabei jetzt nicht mehr bloß von Elon Musk, einem nicht gewählten Aktivisten, der lediglich im Auftrag des US-Präsidenten operiert, sondern auch von JD Vance, dem gewählten Vizepräsidenten der stärksten Macht im transatlantischen Westen.

Mehr zum Thema: Die transatlantische extreme Rechte und Die transatlantische extreme Rechte (II).

 

[1], [2] Elizabeth Dwoskin, Cat Zakrzewski, Nitasha Tiku, Josh Dawsey: Inside the powerful Peter Thiel network that anointed JD Vance. washingtonpost.com 28.07.2024.

[3] Michaela Wiegel: Vance und das Schwert der KI. Frankfurter Allgemeine Zeitung 12.02.2025.

[4] Peter Thiel: The Education of a Libertarian. cato-unbound.org 13.04.2009.

[5] Frauke Steffens: Ist Faschismus plötzlich schick? Frankfurter Allgemeine Zeitung 23.01.2025.

[6] Ian Ward: The Seven Thinkers and Groups That Have Shaped JD Vance’s Unusual Worldview. politico.com 18.07.2024.

[7] Charlie Savage, Minho Kim: Vance Says ‘Judges Aren’t Allowed to Control’ Trump’s ‘Legitimate Power’. nytimes.com 09.02.2025.

[8] S. dazu Die transatlantische extreme Rechte (II).

[9] J.D. Vance: The U.S. in the World. securityconference.org 14.02.2025.

[10] Transcript of WSJ Interview with JD Vance. wsj.com 14.02.2025.

[11] Dietmar Neuerer: Empörung über Vance – „Bei Diktatoren knallen die Sektkorken“. handelsblatt.com 15.02.2025.

[12], [13] Dietmar Neuerer: US-Vizepräsident Vance fordert zur Zusammenarbeit mit AfD auf. handelsblatt.com 14.02.2025.

[14], [15] S. dazu Die Brandmauer bricht.

[16] Stephan Löwenstein: Frau Präsidentin. Frankfurter Allgemeine Zeitung 13.02.2025.

Der Originalartikel kann hier besucht werden