Der bosnische Minister für Menschenrechte und Flüchtlinge Sevlid Hurtić findet im dortigen Medium Faktor.ba klare Worte zum illegalen Abschiebegefängnis, welches vom ÖVP-nahen Institut ICMPD – mitten zwischen Familien- und Kinderabteile im Camp, ohne Baugenehmigung und entsprechende Rechtsgrundlage – errichtet wurde.

Lokale Regierung und Minister wehren sich

„Ich werde nicht zulassen, dass auch nur eine Person ins Objekt gebracht wird, welches im Camp Lipa errichtet wurde. Das sieht aus wie ein klassisches Gefängnis. Vom Standpunkt der Menschenrechte, wäre es unzulässig, dass so etwas im Camp Lipa passiert. Wenn jemand kriminell ist, dann muss er in ein legales Gefängnis des Staates Bosnien-Herzegowina untergebracht werden und nicht im Camp“, sagte Sevlid Hurtić.

Hurtić spielte damit, wie auch der zuständige kantonale Premierminister Mustafa Ružnić und Bürgermeister Elvedin Sedić, auf die fehlende Legalität bzw. Baugenehmigung des Objekts an. Wie auch der Nationalratsabgeordneten Ewa Ernst-Dziedzic von den Grünen ausführlich von Ružnić und Sedić erklärt wurde, fehlt es dem Objekt nicht nur an einer Baugenehmigung der Stadt, die diese niemals gegeben hat, sondern auch an der Rechtsgrundlage: Man kann laut jetzigen Gesetzen in Bosnien-Herzegowina Menschen gar nicht 72 Stunden ohne strafrechtlich relevanten Grund festhalten. Abgesehen von der gesetzlichen Lage findet Hurtić die Idee, ein Gefängnis in einem Flüchtlingscamp zu betreiben, „widerlich“.

EU wollte Isolation der Menschen

Wie Ružnić Ewa Ernst-Dziedzic und österreichischen Medienvertreter:innen vor Ort erklärte, habe der Kanton Una-Sana eigentlich drei humanere und besser gelegene Orte gewählt, die besser für die Menschen seien als das in den Bergen isolierte und polizeilich abgeschottete Camp Lipa, welches in 27 Kilometer Umgebung keine soziale Infrastruktur hat. „Die Europäische Kommission hat das abgelehnt“, sagte Ružnić auch der APA, welche daraufhin einen Text unter dem Titel „Schwere Vorwürfe gegen die EU“ veröffentlichte.

„Höchst illegales, neokoloniales Projekt“

Dass das Gefängnis illegal und unzulässig ist, steht nicht nur für den Menschenrechtsminister, die kantonale und die städtische Regierung fest. Auch Petar Rosandić von der SOS Balkanroute, die das geheim gehaltene Gefängnis aufdeckte, findet klare Worte. „Tatsache ist: Ohne Nehammer, ohne Karner, ohne Spindelegger gäbe es kein Gefängnis für völlig entrechtete Menschen in Bosnien, in dem Geflüchtete ohne strafrechtlichen Grund eingesperrt werden sollen. Die Verantwortung für diesen höchst illegalen Bau und das gesamte neokoloniale Projekt, die Schwäche Bosniens zu nutzen und aus dem Land eine Abschiebezone zu machen, liegt vor allem bei der österreichischen Bundesregierung und beim ÖVP-nahen Institut ICMDP, welches auch das Objekt errichtet hat“, so Rosandić.

Sicherheitsministerium bestätigte These über Abschiebezone

Dass die EU – unter dem Druck und der Vormachtstellung Österreichs am Westbalkan – Bosnien-Herzegowian zur Abschiebezone machen will, das ist mittlerweile nicht mehr nur Spekulation. In einer offiziellen Aussendung vom 12. Oktober 2022. verrät das bosnische Sicherheitsministerium die Pläne, aus Bosnien-Herzegowina eine Abschiebezone zu machen. Im Zusammenhang mit dem Treffen des bosnischen Sicherheitsministers und des österreichischen Innenministers und dem ICMPD-Chef Michael Spindelegger, stellt das bosnische Ministerium in der Aussendung fest: „Es wurde ebenfalls über Deportationen gesprochen, die seitens des ICMPD in Bosnien-Herzegowina in naher Zukunft durchgeführt werden sollten“.

„Die Beweislage ist eindeutig, alles liegt auf dem Tisch. Die Akteure verraten selbst ihre Absichten in Rückkehrkonferenzen, gemeinsamen Treffen und Abmachungen innerhalb der Joint Coordination Plattform, die ja – nein, wie alles kein Zufall – auch auf Bestreben von Nehammer gegründet wurde. Es ist völlig klar, dass Länder wie Bosnien-Herzegowina hier die Drecksarbeit für Karner, Nehammer und Co erledigen sollen und sich, auf Druck von Österreich, ebenfalls an Menschenrechtsverletzungen beteiligen sollen“, so Rosandić abschließend.